Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.An das Ministerium Stadion-Schwarzenberg über die neue Verfassung, Fischhof's und Prato'S Verhaftung. Eure Excellenzen haben den Beweis geführt, daß Ihre Fähigkeit Constitutionen Die Aufhebung des Reichstags von Kremsier war nothwendig geworden, er Der Reichstag selbst wußte, daß er sich überlebt hatte. Alle Parteien waren An das Ministerium Stadion-Schwarzenberg über die neue Verfassung, Fischhof's und Prato'S Verhaftung. Eure Excellenzen haben den Beweis geführt, daß Ihre Fähigkeit Constitutionen Die Aufhebung des Reichstags von Kremsier war nothwendig geworden, er Der Reichstag selbst wußte, daß er sich überlebt hatte. Alle Parteien waren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278450"/> </div> <div n="1"> <head> An das Ministerium Stadion-Schwarzenberg<lb/> über die neue Verfassung, Fischhof's und Prato'S Verhaftung.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2649"> Eure Excellenzen haben den Beweis geführt, daß Ihre Fähigkeit Constitutionen<lb/> zu machen, eben so ungewöhnlich ist, als Ihre Geschicklichkeit constitutionell zu<lb/> regieren. Wenn Oestreich zu dem gehäuften Maß von Elend, an welchem es zu<lb/> tragen hat,noch irgendeinen Zusatz bedarf, so muß man ihn in der liebenswürdigen<lb/> Bonhomie finden, mit welcher Sie zu Kremsier Ihren Soldaten überließen, gegen<lb/> die Deputirten des östreichischen Volkes Porticrdienste zu thun und dieselben von den<lb/> Pforten des Sitzungsgebäudcö zurückzustoßen. Der Uebermuth oder die Ungeschick¬<lb/> lichkeit, mit welcher Sie den Reichstag auflösten, läßt sich dnrch Nichts rechtfertigen,<lb/> weder durch den Mangel an Lebensfähigkeit, an dem der Reichstag krankte, noch<lb/> durch die Nothwendigkeit mit ihm und den Volkshosfnungen, welche an ihm hingen,<lb/> zu brechen. Sie sind jetzt in der wenig beneidenswerther Lage, entweder den<lb/> größten Ueberfluß von tyrannischen Hohn, oder den traurigsten Mangel an Ur-<lb/> theilskraft bewiese» zu haben. Gestatten Eure Excellenzen, daß wir als aufrich¬<lb/> tige Bewunderer Ihrer Tugenden näher auf Ihre Handlungsweise eingehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2650"> Die Aufhebung des Reichstags von Kremsier war nothwendig geworden, er<lb/> hatte keinen Sinn mehr, seitdem die Vereinigung aller Landestheile unter einer<lb/> Verfassung Bedürfniß geworden war; das Okrroyiren einer Verfassung war eben¬<lb/> falls nothwendig, denn die Unsicherheit über die Zukunft mußte beendigt werden,<lb/> die Völker mußten wissen, woran sie waren, den irregulären und ausschweifenden<lb/> Nationalitätswüuschen mußte ein flatter Wille, eine versöhnende Macht entgegen¬<lb/> treten. Es gehörte nicht viel Witz dazu, das zu erkennen. Oestreich ist Ihnen<lb/> demungeachtet dankbar, daß anch Sie das einsahen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_2651" next="#ID_2652"> Der Reichstag selbst wußte, daß er sich überlebt hatte. Alle Parteien waren<lb/> vorbereitet auf eine Auflösung nach Beendigung des Verfassungswerkes. Diese<lb/> Verfassung war in den Ausschüssen fertig, es galt nur noch dieselbe summarisch<lb/> vom Plenum bestätigen zu lassen, noch acht Tage, noch wenige Wochen, wenn Sie<lb/> daS Ihrige thaten, und der Reichstag konnte mit Ehren auseinandergehn. Ja noch<lb/> mehr, selbst wenn der Verfassungsentwurf des Reichstags unzureichend war, —<lb/> und er ist es weniger als Ihre Konstitution — so war eS Ihre Aufgabe, die zu<lb/> oktroyireude Verfassung mit dem Reichstag zu versöhnen; das haben Sie freilich,<lb/> wie wir aus den Zeitungen wissen, ebenso aufrichtig als liebenswürdig versucht!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
An das Ministerium Stadion-Schwarzenberg
über die neue Verfassung, Fischhof's und Prato'S Verhaftung.
Eure Excellenzen haben den Beweis geführt, daß Ihre Fähigkeit Constitutionen
zu machen, eben so ungewöhnlich ist, als Ihre Geschicklichkeit constitutionell zu
regieren. Wenn Oestreich zu dem gehäuften Maß von Elend, an welchem es zu
tragen hat,noch irgendeinen Zusatz bedarf, so muß man ihn in der liebenswürdigen
Bonhomie finden, mit welcher Sie zu Kremsier Ihren Soldaten überließen, gegen
die Deputirten des östreichischen Volkes Porticrdienste zu thun und dieselben von den
Pforten des Sitzungsgebäudcö zurückzustoßen. Der Uebermuth oder die Ungeschick¬
lichkeit, mit welcher Sie den Reichstag auflösten, läßt sich dnrch Nichts rechtfertigen,
weder durch den Mangel an Lebensfähigkeit, an dem der Reichstag krankte, noch
durch die Nothwendigkeit mit ihm und den Volkshosfnungen, welche an ihm hingen,
zu brechen. Sie sind jetzt in der wenig beneidenswerther Lage, entweder den
größten Ueberfluß von tyrannischen Hohn, oder den traurigsten Mangel an Ur-
theilskraft bewiese» zu haben. Gestatten Eure Excellenzen, daß wir als aufrich¬
tige Bewunderer Ihrer Tugenden näher auf Ihre Handlungsweise eingehen.
Die Aufhebung des Reichstags von Kremsier war nothwendig geworden, er
hatte keinen Sinn mehr, seitdem die Vereinigung aller Landestheile unter einer
Verfassung Bedürfniß geworden war; das Okrroyiren einer Verfassung war eben¬
falls nothwendig, denn die Unsicherheit über die Zukunft mußte beendigt werden,
die Völker mußten wissen, woran sie waren, den irregulären und ausschweifenden
Nationalitätswüuschen mußte ein flatter Wille, eine versöhnende Macht entgegen¬
treten. Es gehörte nicht viel Witz dazu, das zu erkennen. Oestreich ist Ihnen
demungeachtet dankbar, daß anch Sie das einsahen. —
Der Reichstag selbst wußte, daß er sich überlebt hatte. Alle Parteien waren
vorbereitet auf eine Auflösung nach Beendigung des Verfassungswerkes. Diese
Verfassung war in den Ausschüssen fertig, es galt nur noch dieselbe summarisch
vom Plenum bestätigen zu lassen, noch acht Tage, noch wenige Wochen, wenn Sie
daS Ihrige thaten, und der Reichstag konnte mit Ehren auseinandergehn. Ja noch
mehr, selbst wenn der Verfassungsentwurf des Reichstags unzureichend war, —
und er ist es weniger als Ihre Konstitution — so war eS Ihre Aufgabe, die zu
oktroyireude Verfassung mit dem Reichstag zu versöhnen; das haben Sie freilich,
wie wir aus den Zeitungen wissen, ebenso aufrichtig als liebenswürdig versucht!
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