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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Heu."" -- "Herr Gott! das geht ja nicht, die Türken würden Sie todtschlagen!
Im Punkte der Eifersucht sind die Türken immer noch wie sie immer waren.
Mit ihren Weibern lassen sie nicht scherzen. Wer einer Türkin nachlaufen
oder sie auch nur etwas zu scharf ins Gesicht fassen wollte, riskirt von den näch¬
sten besten Muselmännern fürchterlich mißhandelt zu werden." In den drei oder
vier türkischen Hauptstraßen stehen zu beiden Seiten in ununterbrochenen Reihen
Krambuden und offene Stände, wo die türkischen Händler feil bieten und ihre
Handwerker (meist Schneider, Schuster, Lederer und Bortenwirker) so ziemlich un¬
ter freiem Himmel und der Witterung ausgesetzt, arbeiten. Hier herrscht stets
bis tief in die Nacht ein ungeheures Gewühl von Menschen, so dicht, daß einer
dem Andern beinahe die Fersen abtritt und dabei doch eine auffallende, kaum er¬
klärliche Stille -- ein beinahe unheimliches Geflüster. Die Seitenstraßen der
Türkenstadt bieten fast durchweg ein unerquickliches Bild von Elend und Ver¬
wahrlosung. Die meisten Hänser kehren hier ihre kahle, fensterlose Hinterseite
der Gasse zu, dazwischen verfallene Gartenmauern, hohe, aber morsche Planken¬
zaune, hier und da die traurigen Ruinen einer ehemals prächtigen Wasserleitung
oder ein verwittertes Türkengrab! -- ein einfacher Stein, mit einem Turban und
einigen Koranversen darauf. Diese Straßen sind holprig, schmutzig, voll Kehricht
und Mist, der sich stellenweise so angehäuft hat, daß man bis über die Knöchel
versinkt. Alles ist hier trostlos und wüst. Die einzige, ziemlich stereotype Staf¬
fage bilden spielende Kinder, schmutzig und zerlumpt, die beim Anblick eines Frem¬
den scheu aus einander stäuben und erst in einiger Entfernung stehen bleiben, um
die ungewohnte Erscheinung blöd anzuglotzen oder nicht selten Schimpfworte nach¬
zurufen. Dazu einige Nudel herrenloser Hunde, faulende Knochen aus dem Mist
hcrvorsuchend und einzelne hernmirrende Kühe, welche lebhaft an die im zweiten
Theil des Pharaonischen Traums erinnern und das spärlich aus den Ritzen der
allenthalben zerklüfteten Mauern und durch die Planken hervorwachsende Unkraut
gierig anftnobbern. Manchmal knarrt eine Thüre, Pantoffeln klappern und an
den Häusern huscht eine gespensterhaft verhüllte Türkin hin, um gleich in einer
der Nachbarswvhuungen, deren Thüre sofort wieder in's Schloß schnappt, zu
verschwinden.

Der Zustand der türkischen Frauen erregt wirklich Bedauern. Sie dürfen
nur selten ihr Haus verlassen, das von hohen Mauern umringt, die Fenster alle
nach dem Hofe, gar keine Aussicht bietet, uoch seltener betreten sie die Christen¬
stadt und bei jedem Ausgang müssen sie sich einwickeln wie die Mumien. Ans
der Stadt hinaus in's Freie kömmt unter Hunderten kaum eine. Die meisten ster¬
ben, ohne je einen grünen Wald, eine duftige Flur, einen lachenden Rebenhügel
gesehn zu haben, von Gottes schöner weiter Welt nichts kennend, als die paar näch¬
sten dumpfen Gassen. Mitunter gibt es-, wohl welche, die sich emancipiren und
die von dem eisernen Gesetz der Sitte diktirte Klausur möglichst zu überschreiten


Heu."" — „Herr Gott! das geht ja nicht, die Türken würden Sie todtschlagen!
Im Punkte der Eifersucht sind die Türken immer noch wie sie immer waren.
Mit ihren Weibern lassen sie nicht scherzen. Wer einer Türkin nachlaufen
oder sie auch nur etwas zu scharf ins Gesicht fassen wollte, riskirt von den näch¬
sten besten Muselmännern fürchterlich mißhandelt zu werden." In den drei oder
vier türkischen Hauptstraßen stehen zu beiden Seiten in ununterbrochenen Reihen
Krambuden und offene Stände, wo die türkischen Händler feil bieten und ihre
Handwerker (meist Schneider, Schuster, Lederer und Bortenwirker) so ziemlich un¬
ter freiem Himmel und der Witterung ausgesetzt, arbeiten. Hier herrscht stets
bis tief in die Nacht ein ungeheures Gewühl von Menschen, so dicht, daß einer
dem Andern beinahe die Fersen abtritt und dabei doch eine auffallende, kaum er¬
klärliche Stille — ein beinahe unheimliches Geflüster. Die Seitenstraßen der
Türkenstadt bieten fast durchweg ein unerquickliches Bild von Elend und Ver¬
wahrlosung. Die meisten Hänser kehren hier ihre kahle, fensterlose Hinterseite
der Gasse zu, dazwischen verfallene Gartenmauern, hohe, aber morsche Planken¬
zaune, hier und da die traurigen Ruinen einer ehemals prächtigen Wasserleitung
oder ein verwittertes Türkengrab! — ein einfacher Stein, mit einem Turban und
einigen Koranversen darauf. Diese Straßen sind holprig, schmutzig, voll Kehricht
und Mist, der sich stellenweise so angehäuft hat, daß man bis über die Knöchel
versinkt. Alles ist hier trostlos und wüst. Die einzige, ziemlich stereotype Staf¬
fage bilden spielende Kinder, schmutzig und zerlumpt, die beim Anblick eines Frem¬
den scheu aus einander stäuben und erst in einiger Entfernung stehen bleiben, um
die ungewohnte Erscheinung blöd anzuglotzen oder nicht selten Schimpfworte nach¬
zurufen. Dazu einige Nudel herrenloser Hunde, faulende Knochen aus dem Mist
hcrvorsuchend und einzelne hernmirrende Kühe, welche lebhaft an die im zweiten
Theil des Pharaonischen Traums erinnern und das spärlich aus den Ritzen der
allenthalben zerklüfteten Mauern und durch die Planken hervorwachsende Unkraut
gierig anftnobbern. Manchmal knarrt eine Thüre, Pantoffeln klappern und an
den Häusern huscht eine gespensterhaft verhüllte Türkin hin, um gleich in einer
der Nachbarswvhuungen, deren Thüre sofort wieder in's Schloß schnappt, zu
verschwinden.

Der Zustand der türkischen Frauen erregt wirklich Bedauern. Sie dürfen
nur selten ihr Haus verlassen, das von hohen Mauern umringt, die Fenster alle
nach dem Hofe, gar keine Aussicht bietet, uoch seltener betreten sie die Christen¬
stadt und bei jedem Ausgang müssen sie sich einwickeln wie die Mumien. Ans
der Stadt hinaus in's Freie kömmt unter Hunderten kaum eine. Die meisten ster¬
ben, ohne je einen grünen Wald, eine duftige Flur, einen lachenden Rebenhügel
gesehn zu haben, von Gottes schöner weiter Welt nichts kennend, als die paar näch¬
sten dumpfen Gassen. Mitunter gibt es-, wohl welche, die sich emancipiren und
die von dem eisernen Gesetz der Sitte diktirte Klausur möglichst zu überschreiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/454>, abgerufen am 22.12.2024.