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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Bismark-Schönhausen, bekannt als Führer der rechten Seite auf dem
vereinigten Landtage, ist ein eleganter, noch ziemlich junger Mann mit sorgfältig
gekräuseltem Haar und Bart und feinen Weltformen. Er macht mehr den Ein¬
druck eines Lebemannes als eines Politikers. In der Rede ist er sehr unsicher,
beinahe ängstlich; selbst in einem kleinen "poocli ist er in Gefahr, den Faden des
Gedankens zu verlieren. Er sitzt auf den Hinteren Bänken und legt eine gewisse
Gleichgiltigkeit gegen den Gang der Debatte zur Schau.

Graf Schwerin-Pekar dirigirt die Bänke zur rechten Seite des Präsi¬
diums; er unterdrückt jede Neigung derselben, durch Beifalls- oder Mißfalls¬
bezeugungen mit der Linken zu wetteifern; so namentlich bei dem Resultat der
Abstimmung über den Viebahn'schen Antrag. Möchte es ihm gelingen, den par¬
lamentarischen Anstand zunächst bei seiner Partei, die ihrem ganzen Wesen nach
berufen ist, darin mit gutem Beispiel voranzugehen, zum herrschenden Tone zu
erheben. Sein Aeußeres hat nichts Aristokratisches; ein dicker, wohlwollender,
vergnügter Mann mit nachlässiger, bequemer Haltung und fast weichen, aber doch
verständigen Zügen. Es muß sich mit ihm leben lassen. Seine Rede ist ein¬
schmeichelnd, und man kann bei ihm mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, daß
er auch unter seinen politischen Gegnern keine persönlichen Feinde haben wird.

Alfred v. An er swald-Plauthen entspricht durch seine persönliche Er¬
scheinung keineswegs dem Bilde, das man sich ans einer aufmerksamen Verfolgung
seiner politischen Laufbahn zu machen geneigt sein könnte. In seiner Politik schien
er überall geneigt, zu vermitteln, durch gelindes Nachgeben und Vermeiden aller
Schroffheit die Schwierigkeiten zu umgehen, die ein Anderer gewaltsam durch¬
brochen hätte. Wenn man ihn sieht, würde man das Gegentheil vermuthen.
Eine hagere Gestalt mit hagerem Gesicht, steif und beinahe rückwärts gebeugt,
immer ernst, die Brille vor den Augen, nicht als ob sie dazu gehörte, sondern
wie einer, der ihrer ungewohnt ist und daher etwas gezwungen in die Welt sieht,
die in dem Glase in andern Proportionen als die bekannten sich bewegt. Ich
würde ihn eher für einen Juristen halten, als für einen Gutsbesitzer. Und doch
gestehen Alle zu, die ihn näher kennen, daß er mit seinen angenehmen Formen
mehr als irgend ein Anderer geeignet ist, eine Partei zu organistren und zusam¬
menzuhalten.

Von den übrigen Aristokraten ist mir nur noch der Landrath v. Kleist-
Retzow aufgefallen, ein schlanker, adretter Mann, kurz angebunden in seinem
Wesen wie in seinen Worten, bald geneigt, durch ein rasches Urtheil ohne viel
Kopfzerbrechen eine Sache zu entscheiden, die Andere für sehr verwickelt halten.
Er wird jedenfalls einer der behendesten Plänkler werden.

Unter den Bureaukraten der rechten Seite hat sich bis jetzt nur der Geheime
Archivrath Riedel ausgezeichnet. Er war bereits in der vorigen Constituante
einer der unermüdlichsten Vorfechter der conservativen Partei. Sein Aeußeres ist,


Bismark-Schönhausen, bekannt als Führer der rechten Seite auf dem
vereinigten Landtage, ist ein eleganter, noch ziemlich junger Mann mit sorgfältig
gekräuseltem Haar und Bart und feinen Weltformen. Er macht mehr den Ein¬
druck eines Lebemannes als eines Politikers. In der Rede ist er sehr unsicher,
beinahe ängstlich; selbst in einem kleinen «poocli ist er in Gefahr, den Faden des
Gedankens zu verlieren. Er sitzt auf den Hinteren Bänken und legt eine gewisse
Gleichgiltigkeit gegen den Gang der Debatte zur Schau.

Graf Schwerin-Pekar dirigirt die Bänke zur rechten Seite des Präsi¬
diums; er unterdrückt jede Neigung derselben, durch Beifalls- oder Mißfalls¬
bezeugungen mit der Linken zu wetteifern; so namentlich bei dem Resultat der
Abstimmung über den Viebahn'schen Antrag. Möchte es ihm gelingen, den par¬
lamentarischen Anstand zunächst bei seiner Partei, die ihrem ganzen Wesen nach
berufen ist, darin mit gutem Beispiel voranzugehen, zum herrschenden Tone zu
erheben. Sein Aeußeres hat nichts Aristokratisches; ein dicker, wohlwollender,
vergnügter Mann mit nachlässiger, bequemer Haltung und fast weichen, aber doch
verständigen Zügen. Es muß sich mit ihm leben lassen. Seine Rede ist ein¬
schmeichelnd, und man kann bei ihm mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, daß
er auch unter seinen politischen Gegnern keine persönlichen Feinde haben wird.

Alfred v. An er swald-Plauthen entspricht durch seine persönliche Er¬
scheinung keineswegs dem Bilde, das man sich ans einer aufmerksamen Verfolgung
seiner politischen Laufbahn zu machen geneigt sein könnte. In seiner Politik schien
er überall geneigt, zu vermitteln, durch gelindes Nachgeben und Vermeiden aller
Schroffheit die Schwierigkeiten zu umgehen, die ein Anderer gewaltsam durch¬
brochen hätte. Wenn man ihn sieht, würde man das Gegentheil vermuthen.
Eine hagere Gestalt mit hagerem Gesicht, steif und beinahe rückwärts gebeugt,
immer ernst, die Brille vor den Augen, nicht als ob sie dazu gehörte, sondern
wie einer, der ihrer ungewohnt ist und daher etwas gezwungen in die Welt sieht,
die in dem Glase in andern Proportionen als die bekannten sich bewegt. Ich
würde ihn eher für einen Juristen halten, als für einen Gutsbesitzer. Und doch
gestehen Alle zu, die ihn näher kennen, daß er mit seinen angenehmen Formen
mehr als irgend ein Anderer geeignet ist, eine Partei zu organistren und zusam¬
menzuhalten.

Von den übrigen Aristokraten ist mir nur noch der Landrath v. Kleist-
Retzow aufgefallen, ein schlanker, adretter Mann, kurz angebunden in seinem
Wesen wie in seinen Worten, bald geneigt, durch ein rasches Urtheil ohne viel
Kopfzerbrechen eine Sache zu entscheiden, die Andere für sehr verwickelt halten.
Er wird jedenfalls einer der behendesten Plänkler werden.

Unter den Bureaukraten der rechten Seite hat sich bis jetzt nur der Geheime
Archivrath Riedel ausgezeichnet. Er war bereits in der vorigen Constituante
einer der unermüdlichsten Vorfechter der conservativen Partei. Sein Aeußeres ist,


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[0445] Bismark-Schönhausen, bekannt als Führer der rechten Seite auf dem vereinigten Landtage, ist ein eleganter, noch ziemlich junger Mann mit sorgfältig gekräuseltem Haar und Bart und feinen Weltformen. Er macht mehr den Ein¬ druck eines Lebemannes als eines Politikers. In der Rede ist er sehr unsicher, beinahe ängstlich; selbst in einem kleinen «poocli ist er in Gefahr, den Faden des Gedankens zu verlieren. Er sitzt auf den Hinteren Bänken und legt eine gewisse Gleichgiltigkeit gegen den Gang der Debatte zur Schau. Graf Schwerin-Pekar dirigirt die Bänke zur rechten Seite des Präsi¬ diums; er unterdrückt jede Neigung derselben, durch Beifalls- oder Mißfalls¬ bezeugungen mit der Linken zu wetteifern; so namentlich bei dem Resultat der Abstimmung über den Viebahn'schen Antrag. Möchte es ihm gelingen, den par¬ lamentarischen Anstand zunächst bei seiner Partei, die ihrem ganzen Wesen nach berufen ist, darin mit gutem Beispiel voranzugehen, zum herrschenden Tone zu erheben. Sein Aeußeres hat nichts Aristokratisches; ein dicker, wohlwollender, vergnügter Mann mit nachlässiger, bequemer Haltung und fast weichen, aber doch verständigen Zügen. Es muß sich mit ihm leben lassen. Seine Rede ist ein¬ schmeichelnd, und man kann bei ihm mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, daß er auch unter seinen politischen Gegnern keine persönlichen Feinde haben wird. Alfred v. An er swald-Plauthen entspricht durch seine persönliche Er¬ scheinung keineswegs dem Bilde, das man sich ans einer aufmerksamen Verfolgung seiner politischen Laufbahn zu machen geneigt sein könnte. In seiner Politik schien er überall geneigt, zu vermitteln, durch gelindes Nachgeben und Vermeiden aller Schroffheit die Schwierigkeiten zu umgehen, die ein Anderer gewaltsam durch¬ brochen hätte. Wenn man ihn sieht, würde man das Gegentheil vermuthen. Eine hagere Gestalt mit hagerem Gesicht, steif und beinahe rückwärts gebeugt, immer ernst, die Brille vor den Augen, nicht als ob sie dazu gehörte, sondern wie einer, der ihrer ungewohnt ist und daher etwas gezwungen in die Welt sieht, die in dem Glase in andern Proportionen als die bekannten sich bewegt. Ich würde ihn eher für einen Juristen halten, als für einen Gutsbesitzer. Und doch gestehen Alle zu, die ihn näher kennen, daß er mit seinen angenehmen Formen mehr als irgend ein Anderer geeignet ist, eine Partei zu organistren und zusam¬ menzuhalten. Von den übrigen Aristokraten ist mir nur noch der Landrath v. Kleist- Retzow aufgefallen, ein schlanker, adretter Mann, kurz angebunden in seinem Wesen wie in seinen Worten, bald geneigt, durch ein rasches Urtheil ohne viel Kopfzerbrechen eine Sache zu entscheiden, die Andere für sehr verwickelt halten. Er wird jedenfalls einer der behendesten Plänkler werden. Unter den Bureaukraten der rechten Seite hat sich bis jetzt nur der Geheime Archivrath Riedel ausgezeichnet. Er war bereits in der vorigen Constituante einer der unermüdlichsten Vorfechter der conservativen Partei. Sein Aeußeres ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/445>, abgerufen am 22.12.2024.