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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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tertias sein. Unter der Dictatur des General Wrangel sind diese ehrlichen Schutz¬
männer eine Anomalie; vielleicht gewinnen sie in ruhigeren Zeiten durch ihre ver¬
änderte Stellung auch eine bessere Haltung.

Nachdem man den passiven Widerstand der Schutzmänner an der Thür über¬
wunden hat, schwindelt man sich kreutz und quer, bergauf, bergab, in laugen,
wunderbaren Wendungen, von Zeit zu Zeit durch zerstreute Cvustablerpvsten schüch¬
tern beobachtet, zwischen zwei engen Breterwänden hindurch, bis mau endlich
auf den Hof kommt und von da vermittelst einer Treppe auf die Tribune, welche
die Einlaßkarte bezeichnet. Der Sitzungssaal macht einen wohlthuenden Eindruck;
er ist hell, wohnlich, bequem und zugleich elegant. Das Licht fällt theils durch
Glasfenster im Plafond, theils zur Seite hinein. Der Boden und die Wände
sind auf das zierlichste tapezirt, rothe Sessel und Decorationen, auf den Tribunen
am Boden befestigte Rohrstühle. Die Mitte der Hauptwand nimmt das Katheder
des Präsidenten ein, es ist hoch genug die Versammlung zu beherrsche". Zu
beiden Seite" die Sitze der vier Schriftführer. Unmittelbar davor die Redner-
bühne; sie ist weit genug, daß einmal Vincke und ein Radicaler ans derselben
lebhaft gegen einander gesticuliren könnten. Dem Präsideutenstnhl gegenüber ist
der grüne Ministertisch. Dazwischen freier Raum, bis auf einen Tisch in der
Mitte, der für die Stenographen bestimmt ist. Uuter denselben bemerken Sie mit
Vergnügen Freund Ottensosser, ein junges niedliches Gesichtchen, gar nicht
radical verwildert, wie man es von dem Cicero der Berliner Gassen erwar¬
ten sollte.

Durch diese Mitte des Saals scharf von einander geschieden ist die rechte
und linke Seite. Sie sehen einander ins Gesicht, ein Centrum gibt es
nicht; wie ich höre, gedenkt man diesem tiefgefühlten Bedürfniß durch ein ander¬
weitiges Arrangement des Saales abzuhelfen. Die Zahl der Sitze ist auf beiden
Seiten gleich und so verhält es sich ungefähr auch mit den Parteien. Durch beide
Abtheilungen führt in der Mitte ein geräumiger Gaug; er scheint zu einer vor¬
läufigen Eintheilung der gemäßigten und extremen Rechten und Linken zu diene",
obgleich man "och "icht genau die Nuancen übersehen kann. Dort neben dem
Katheder deS Präsidenten, links, sitzt Waldeck, neben ihm Jacoby und die
Helden der äußersten Linken: Berends, Borchardt, d'Ester, Gladbach
A. s. w. An der Spitze der zunächst folgenden Gruppe sitzen die Polen. Dann
durch de" erwähnten Gang von ihnen getrennt, das ehemalige linke Centrum:
Rodbertus, Philipps -- neben ihm zu meinem Erstaunen Rupp, den ich
auf der äußersten Linken suchte -- v. Unruh, ganz zur Seite v. Berg. Aus
der rechte" Seite sitzt zunächst am Präsidentcnstuhl Schwerin, hinten Bismark-
Schönhausen; in den Bänken rechts vom Gange an der Spitze der ersten Bank
Vincke; neben ihm Graf Renard und der Oberbürgermeister Peltzer aus
Aachen, an der Spitze der dritten Bank Arnim-Boitzenburg, der vierten


tertias sein. Unter der Dictatur des General Wrangel sind diese ehrlichen Schutz¬
männer eine Anomalie; vielleicht gewinnen sie in ruhigeren Zeiten durch ihre ver¬
änderte Stellung auch eine bessere Haltung.

Nachdem man den passiven Widerstand der Schutzmänner an der Thür über¬
wunden hat, schwindelt man sich kreutz und quer, bergauf, bergab, in laugen,
wunderbaren Wendungen, von Zeit zu Zeit durch zerstreute Cvustablerpvsten schüch¬
tern beobachtet, zwischen zwei engen Breterwänden hindurch, bis mau endlich
auf den Hof kommt und von da vermittelst einer Treppe auf die Tribune, welche
die Einlaßkarte bezeichnet. Der Sitzungssaal macht einen wohlthuenden Eindruck;
er ist hell, wohnlich, bequem und zugleich elegant. Das Licht fällt theils durch
Glasfenster im Plafond, theils zur Seite hinein. Der Boden und die Wände
sind auf das zierlichste tapezirt, rothe Sessel und Decorationen, auf den Tribunen
am Boden befestigte Rohrstühle. Die Mitte der Hauptwand nimmt das Katheder
des Präsidenten ein, es ist hoch genug die Versammlung zu beherrsche». Zu
beiden Seite» die Sitze der vier Schriftführer. Unmittelbar davor die Redner-
bühne; sie ist weit genug, daß einmal Vincke und ein Radicaler ans derselben
lebhaft gegen einander gesticuliren könnten. Dem Präsideutenstnhl gegenüber ist
der grüne Ministertisch. Dazwischen freier Raum, bis auf einen Tisch in der
Mitte, der für die Stenographen bestimmt ist. Uuter denselben bemerken Sie mit
Vergnügen Freund Ottensosser, ein junges niedliches Gesichtchen, gar nicht
radical verwildert, wie man es von dem Cicero der Berliner Gassen erwar¬
ten sollte.

Durch diese Mitte des Saals scharf von einander geschieden ist die rechte
und linke Seite. Sie sehen einander ins Gesicht, ein Centrum gibt es
nicht; wie ich höre, gedenkt man diesem tiefgefühlten Bedürfniß durch ein ander¬
weitiges Arrangement des Saales abzuhelfen. Die Zahl der Sitze ist auf beiden
Seiten gleich und so verhält es sich ungefähr auch mit den Parteien. Durch beide
Abtheilungen führt in der Mitte ein geräumiger Gaug; er scheint zu einer vor¬
läufigen Eintheilung der gemäßigten und extremen Rechten und Linken zu diene»,
obgleich man »och »icht genau die Nuancen übersehen kann. Dort neben dem
Katheder deS Präsidenten, links, sitzt Waldeck, neben ihm Jacoby und die
Helden der äußersten Linken: Berends, Borchardt, d'Ester, Gladbach
A. s. w. An der Spitze der zunächst folgenden Gruppe sitzen die Polen. Dann
durch de» erwähnten Gang von ihnen getrennt, das ehemalige linke Centrum:
Rodbertus, Philipps — neben ihm zu meinem Erstaunen Rupp, den ich
auf der äußersten Linken suchte -- v. Unruh, ganz zur Seite v. Berg. Aus
der rechte» Seite sitzt zunächst am Präsidentcnstuhl Schwerin, hinten Bismark-
Schönhausen; in den Bänken rechts vom Gange an der Spitze der ersten Bank
Vincke; neben ihm Graf Renard und der Oberbürgermeister Peltzer aus
Aachen, an der Spitze der dritten Bank Arnim-Boitzenburg, der vierten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/440>, abgerufen am 23.07.2024.