Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Baulichkeiten ein, so gut oder schlecht es anging, es wurden Boten in die Nach¬ Zehn Tage blieben wir in Aroesund. Immer über den andern Tag kam ein Baulichkeiten ein, so gut oder schlecht es anging, es wurden Boten in die Nach¬ Zehn Tage blieben wir in Aroesund. Immer über den andern Tag kam ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278424"/> <p xml:id="ID_2554" prev="#ID_2553"> Baulichkeiten ein, so gut oder schlecht es anging, es wurden Boten in die Nach¬<lb/> barschaft gesendet, um den nöthigen Proviant durch Requisition zu beschaffen und<lb/> zugleich ward eine regulirte Wache und Strandpatrouille in's Leben gerufen. Un¬<lb/> sere Schiffsleute unter ihrem „Captain" arbeiteten unverdrossen in einer Scheune,<lb/> in welche kein Andrer dringen durfte, und wer gar nichts zu thun hatte, schlief<lb/> auf einem Bund Stroh oder suchte ein Paar Kameraden, um daS edle Spiel<lb/> „Landsknecht" mit ihnen zu spielen. Am Nachmittag meldete die Wache ein von<lb/> Norden kommendes Schiff. Es war eine Brigg, welche augenscheinlich den Kanal<lb/> bei Aaroe passtren wollte. Da man nicht wissen konnte, was dieselbe im Schilde<lb/> führe, so wurde die Scharfschützencompagnie des Corps auf deu Hafendamm beor¬<lb/> dert. Dieser von mächtigen Steinen wallartig gebaut, erstreckt sich, in rechtem<lb/> Winkel die zwei Seiten eines Vierecks bildend, etwa 100 Schritte weit in das<lb/> Meer; der Kutter lag in ganz gerader Linie ihm gegenüber. Kaum sah der letz¬<lb/> tere die Besetzung des Damens, als er augenblicklich eine Kanonade gegen sie er¬<lb/> öffnete. Seine leichten Paßkugeln fuhren mit ungemeiner Präciston des Zielens<lb/> vor uns in die Steinmauer, prallten in die Höhe, sprangen auf der Oberfläche<lb/> des Wassers in Prellsätzen dahin, zerschmetterten ein abgetakeltes Boot, das im<lb/> Hafen geborgen war, aber keine einzige traf uns, die wir ziemlich sicher hinter<lb/> dem Damm lagen, und zuweilen, nur zum Hohn, unsere Büchsen abschossen, Hur¬<lb/> rah riefen, und mit furchtbarer Anstrengung unser „Schleswig Holstein meerum¬<lb/> schlungen" brüllten. Endlich ward uns der Spaß doch langweilig, aber das Um¬<lb/> kehren war nunmehr schwer, weil der Feind deu ganzen Seitendamm, den wir<lb/> passiren mußten, bestrick). Nachdem er uns aber zwei Stunden lang unausgesetzt<lb/> beschossen, wagten wir ungeduldig einzeln, Einer nach dem Andern, den Rückzug<lb/> und gelangten auch sämmtlich unverletzt ans Terra firma. Hier war aber unser<lb/> Erstes, eine schwarz-roth-goldene Fahne zu verfertigen und sie allsogleich an<lb/> einem Flaggenstocke an der Spitze des zweiten Hafendammes zu erheben, dem<lb/> rothen Orlog des Kutters zum Trotz. Sie flatterte gar lustig in der Seebrise<lb/> und obgleich der Feind unzählige Mal sie zur Zielscheibe wählte, hat er sie doch<lb/> niemals getroffen. Aufgezogen wurde sie am 20. Mai 1848 — es war jedenfalls<lb/> die erste deutsche Flagge, die herausfordernd einem fremden Kriegsschiff entgegen<lb/> wehte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2555" next="#ID_2556"> Zehn Tage blieben wir in Aroesund. Immer über den andern Tag kam ein<lb/> Kriegsdampfboot, einmal der Hekla, das nächste Mal der Stirner, und warf uns<lb/> im Vorüberfahren ein Paar Ladungen Kartätschen und Bomben zu. Der Stirner<lb/> brachte zugleich im Schlepptau ein tüchtiges Kanonenboot, das sich seitwärts vom<lb/> Kreter unter Anker legte. Ersterer, Neptun, beschoß uns, sobald wir uns in<lb/> einiger Zahl am Strande blicken ließen. Einem unserer Kameraden nahm eine<lb/> Kugel das Bein weg, mehre Andere wurden mehr oder minder erheblich verwundet.<lb/> Das Alles störte aber unsere Freude in der reizenden Umgebung und das traulich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
Baulichkeiten ein, so gut oder schlecht es anging, es wurden Boten in die Nach¬
barschaft gesendet, um den nöthigen Proviant durch Requisition zu beschaffen und
zugleich ward eine regulirte Wache und Strandpatrouille in's Leben gerufen. Un¬
sere Schiffsleute unter ihrem „Captain" arbeiteten unverdrossen in einer Scheune,
in welche kein Andrer dringen durfte, und wer gar nichts zu thun hatte, schlief
auf einem Bund Stroh oder suchte ein Paar Kameraden, um daS edle Spiel
„Landsknecht" mit ihnen zu spielen. Am Nachmittag meldete die Wache ein von
Norden kommendes Schiff. Es war eine Brigg, welche augenscheinlich den Kanal
bei Aaroe passtren wollte. Da man nicht wissen konnte, was dieselbe im Schilde
führe, so wurde die Scharfschützencompagnie des Corps auf deu Hafendamm beor¬
dert. Dieser von mächtigen Steinen wallartig gebaut, erstreckt sich, in rechtem
Winkel die zwei Seiten eines Vierecks bildend, etwa 100 Schritte weit in das
Meer; der Kutter lag in ganz gerader Linie ihm gegenüber. Kaum sah der letz¬
tere die Besetzung des Damens, als er augenblicklich eine Kanonade gegen sie er¬
öffnete. Seine leichten Paßkugeln fuhren mit ungemeiner Präciston des Zielens
vor uns in die Steinmauer, prallten in die Höhe, sprangen auf der Oberfläche
des Wassers in Prellsätzen dahin, zerschmetterten ein abgetakeltes Boot, das im
Hafen geborgen war, aber keine einzige traf uns, die wir ziemlich sicher hinter
dem Damm lagen, und zuweilen, nur zum Hohn, unsere Büchsen abschossen, Hur¬
rah riefen, und mit furchtbarer Anstrengung unser „Schleswig Holstein meerum¬
schlungen" brüllten. Endlich ward uns der Spaß doch langweilig, aber das Um¬
kehren war nunmehr schwer, weil der Feind deu ganzen Seitendamm, den wir
passiren mußten, bestrick). Nachdem er uns aber zwei Stunden lang unausgesetzt
beschossen, wagten wir ungeduldig einzeln, Einer nach dem Andern, den Rückzug
und gelangten auch sämmtlich unverletzt ans Terra firma. Hier war aber unser
Erstes, eine schwarz-roth-goldene Fahne zu verfertigen und sie allsogleich an
einem Flaggenstocke an der Spitze des zweiten Hafendammes zu erheben, dem
rothen Orlog des Kutters zum Trotz. Sie flatterte gar lustig in der Seebrise
und obgleich der Feind unzählige Mal sie zur Zielscheibe wählte, hat er sie doch
niemals getroffen. Aufgezogen wurde sie am 20. Mai 1848 — es war jedenfalls
die erste deutsche Flagge, die herausfordernd einem fremden Kriegsschiff entgegen
wehte.
Zehn Tage blieben wir in Aroesund. Immer über den andern Tag kam ein
Kriegsdampfboot, einmal der Hekla, das nächste Mal der Stirner, und warf uns
im Vorüberfahren ein Paar Ladungen Kartätschen und Bomben zu. Der Stirner
brachte zugleich im Schlepptau ein tüchtiges Kanonenboot, das sich seitwärts vom
Kreter unter Anker legte. Ersterer, Neptun, beschoß uns, sobald wir uns in
einiger Zahl am Strande blicken ließen. Einem unserer Kameraden nahm eine
Kugel das Bein weg, mehre Andere wurden mehr oder minder erheblich verwundet.
Das Alles störte aber unsere Freude in der reizenden Umgebung und das traulich
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