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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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ein sicherer Absatz für alle Producte des fruchtbaren Festlandes gewesen, und die
großen Rheder wollen unter keiner andern Flagge fahren, als unter der dänischen,
denn diese befreit sie vom Sundzoll. Die wenigen Leute, welche wir daher am
ersten Tage außer den Bewohnern in Aroesund erblickten, schauten uns nur mit
mißgünstigen Augen an, ja nicht selten sahen wir kleine drohende Gruppen bei¬
sammen stehen, und wer weiß, was unserem Häuflein begegnet wäre, wenn der
Bauer nicht in der ganzen Welt eine unüberwindliche Abneigung gegen feindliches
Feuergewehr besäße! Der Kutter ward inzwischen jetzt immer nur von einem
Manne beobachtet, die Uebrigen schweiften da und dort umher, anscheinend ab¬
sichtslos, aber dennoch suchend. Allein schön Stine (fast alle Mädchen in Schleswig
und Jütland heißen Stine) und ihr Schwesterchen Else waren nicht wieder zu
finden. Dagegen bot der herrliche Park, der sich hinter dem Herrenhaus, der
Besitzung des dänischen Agenten Brunn, in den geschmackvollsten Anlagen weit
hin längs der See erstreckte, so wunderschöne Ruheplätzchen oder überraschende
Aussichten, daß uns der schöne Maitag halb wie ein Traum verstrich und nur
selten uns noch einfiel, weshalb wir hier waren. Abends wurde jedoch die Wache
vertheilt -- der Posten, welcher gerade uuter dem Fenster der Mädchen zu stehen
kam, hatte viel zu leiden von allerlei kleinem Geschütz, das die bösen, muthwilligen
Kinder nach dem guten Jenenser schleuderten, bis sie einschliefen. --

In der Nacht rückte Succurs ein. Unser Hauptmann kam mit der Hälfte
seiner Schaar, während die andre Abtheilung in einem benachbarten Dorf ein-
quartirt war. Da gab es viele Störung und Unruhe, bis die gesammte Mann¬
schaft in Scheunen und Ställen untergebracht war. Von Betten ist natürlich im
ganzen Feldzug niemals die Rede gewesen und man schläft in der That auf dem
bloßen Erdboden, in den Mantel gewickelt und den Tornister zum Kopfkissen,
ganz vortrefflich, sobald man nur einmal daran gewöhnt ist. Und so lagen denn
die Bevorzugten des Corps in dem Observationszimmer, Mann an Mann, in
buntester Mischung und der Hauptmann mitten unter ihnen, im tiefsten Schlafe
bis zum Morgen. Eine einzige, wohlgezielte Kugel vom Kutter hätte uns alle
uuter den Mauern des leichtgebauten Hauses begraben können, aber wir dachten
nicht einmal an die Gefahr. Es war aber dies, wenn auch zum guten Theil, doch
nicht ganz und gar ein lieber Leichtsinn, sondern wir hatten die Bürgschaft deS
Wortes unseres Obergenerals Wrangel. Der hatte an den dänischen Admiral ge¬
schrieben: "Für jedes Hans, das Ihr an der Schleswig'schen Küste schädigt,
brennt ein Dorf in Jütland -- und ein Wrangel hält sein Wort!" Was hätten
wir da zu fürchten gehabt?

Wir früher Angekommenen hatten viel zu thun, um den Kameraden unsere
Lage zu erklären, die Begebenheiten des vorigen Tages zu erzählen und in eifer¬
süchtiger Aufsicht die Priorität der Bekanntschaft mit den beiden liebenswürdigen
Dänenmädchen, welche heute bei vermehrter Arbeit in der Küche helfen mußten,


ein sicherer Absatz für alle Producte des fruchtbaren Festlandes gewesen, und die
großen Rheder wollen unter keiner andern Flagge fahren, als unter der dänischen,
denn diese befreit sie vom Sundzoll. Die wenigen Leute, welche wir daher am
ersten Tage außer den Bewohnern in Aroesund erblickten, schauten uns nur mit
mißgünstigen Augen an, ja nicht selten sahen wir kleine drohende Gruppen bei¬
sammen stehen, und wer weiß, was unserem Häuflein begegnet wäre, wenn der
Bauer nicht in der ganzen Welt eine unüberwindliche Abneigung gegen feindliches
Feuergewehr besäße! Der Kutter ward inzwischen jetzt immer nur von einem
Manne beobachtet, die Uebrigen schweiften da und dort umher, anscheinend ab¬
sichtslos, aber dennoch suchend. Allein schön Stine (fast alle Mädchen in Schleswig
und Jütland heißen Stine) und ihr Schwesterchen Else waren nicht wieder zu
finden. Dagegen bot der herrliche Park, der sich hinter dem Herrenhaus, der
Besitzung des dänischen Agenten Brunn, in den geschmackvollsten Anlagen weit
hin längs der See erstreckte, so wunderschöne Ruheplätzchen oder überraschende
Aussichten, daß uns der schöne Maitag halb wie ein Traum verstrich und nur
selten uns noch einfiel, weshalb wir hier waren. Abends wurde jedoch die Wache
vertheilt — der Posten, welcher gerade uuter dem Fenster der Mädchen zu stehen
kam, hatte viel zu leiden von allerlei kleinem Geschütz, das die bösen, muthwilligen
Kinder nach dem guten Jenenser schleuderten, bis sie einschliefen. —

In der Nacht rückte Succurs ein. Unser Hauptmann kam mit der Hälfte
seiner Schaar, während die andre Abtheilung in einem benachbarten Dorf ein-
quartirt war. Da gab es viele Störung und Unruhe, bis die gesammte Mann¬
schaft in Scheunen und Ställen untergebracht war. Von Betten ist natürlich im
ganzen Feldzug niemals die Rede gewesen und man schläft in der That auf dem
bloßen Erdboden, in den Mantel gewickelt und den Tornister zum Kopfkissen,
ganz vortrefflich, sobald man nur einmal daran gewöhnt ist. Und so lagen denn
die Bevorzugten des Corps in dem Observationszimmer, Mann an Mann, in
buntester Mischung und der Hauptmann mitten unter ihnen, im tiefsten Schlafe
bis zum Morgen. Eine einzige, wohlgezielte Kugel vom Kutter hätte uns alle
uuter den Mauern des leichtgebauten Hauses begraben können, aber wir dachten
nicht einmal an die Gefahr. Es war aber dies, wenn auch zum guten Theil, doch
nicht ganz und gar ein lieber Leichtsinn, sondern wir hatten die Bürgschaft deS
Wortes unseres Obergenerals Wrangel. Der hatte an den dänischen Admiral ge¬
schrieben: „Für jedes Hans, das Ihr an der Schleswig'schen Küste schädigt,
brennt ein Dorf in Jütland — und ein Wrangel hält sein Wort!" Was hätten
wir da zu fürchten gehabt?

Wir früher Angekommenen hatten viel zu thun, um den Kameraden unsere
Lage zu erklären, die Begebenheiten des vorigen Tages zu erzählen und in eifer¬
süchtiger Aufsicht die Priorität der Bekanntschaft mit den beiden liebenswürdigen
Dänenmädchen, welche heute bei vermehrter Arbeit in der Küche helfen mußten,


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[0434] ein sicherer Absatz für alle Producte des fruchtbaren Festlandes gewesen, und die großen Rheder wollen unter keiner andern Flagge fahren, als unter der dänischen, denn diese befreit sie vom Sundzoll. Die wenigen Leute, welche wir daher am ersten Tage außer den Bewohnern in Aroesund erblickten, schauten uns nur mit mißgünstigen Augen an, ja nicht selten sahen wir kleine drohende Gruppen bei¬ sammen stehen, und wer weiß, was unserem Häuflein begegnet wäre, wenn der Bauer nicht in der ganzen Welt eine unüberwindliche Abneigung gegen feindliches Feuergewehr besäße! Der Kutter ward inzwischen jetzt immer nur von einem Manne beobachtet, die Uebrigen schweiften da und dort umher, anscheinend ab¬ sichtslos, aber dennoch suchend. Allein schön Stine (fast alle Mädchen in Schleswig und Jütland heißen Stine) und ihr Schwesterchen Else waren nicht wieder zu finden. Dagegen bot der herrliche Park, der sich hinter dem Herrenhaus, der Besitzung des dänischen Agenten Brunn, in den geschmackvollsten Anlagen weit hin längs der See erstreckte, so wunderschöne Ruheplätzchen oder überraschende Aussichten, daß uns der schöne Maitag halb wie ein Traum verstrich und nur selten uns noch einfiel, weshalb wir hier waren. Abends wurde jedoch die Wache vertheilt — der Posten, welcher gerade uuter dem Fenster der Mädchen zu stehen kam, hatte viel zu leiden von allerlei kleinem Geschütz, das die bösen, muthwilligen Kinder nach dem guten Jenenser schleuderten, bis sie einschliefen. — In der Nacht rückte Succurs ein. Unser Hauptmann kam mit der Hälfte seiner Schaar, während die andre Abtheilung in einem benachbarten Dorf ein- quartirt war. Da gab es viele Störung und Unruhe, bis die gesammte Mann¬ schaft in Scheunen und Ställen untergebracht war. Von Betten ist natürlich im ganzen Feldzug niemals die Rede gewesen und man schläft in der That auf dem bloßen Erdboden, in den Mantel gewickelt und den Tornister zum Kopfkissen, ganz vortrefflich, sobald man nur einmal daran gewöhnt ist. Und so lagen denn die Bevorzugten des Corps in dem Observationszimmer, Mann an Mann, in buntester Mischung und der Hauptmann mitten unter ihnen, im tiefsten Schlafe bis zum Morgen. Eine einzige, wohlgezielte Kugel vom Kutter hätte uns alle uuter den Mauern des leichtgebauten Hauses begraben können, aber wir dachten nicht einmal an die Gefahr. Es war aber dies, wenn auch zum guten Theil, doch nicht ganz und gar ein lieber Leichtsinn, sondern wir hatten die Bürgschaft deS Wortes unseres Obergenerals Wrangel. Der hatte an den dänischen Admiral ge¬ schrieben: „Für jedes Hans, das Ihr an der Schleswig'schen Küste schädigt, brennt ein Dorf in Jütland — und ein Wrangel hält sein Wort!" Was hätten wir da zu fürchten gehabt? Wir früher Angekommenen hatten viel zu thun, um den Kameraden unsere Lage zu erklären, die Begebenheiten des vorigen Tages zu erzählen und in eifer¬ süchtiger Aufsicht die Priorität der Bekanntschaft mit den beiden liebenswürdigen Dänenmädchen, welche heute bei vermehrter Arbeit in der Küche helfen mußten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/434>, abgerufen am 23.07.2024.