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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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werden blutig, so oft die Rinderhirten anfangen um Geld zu spielen, ihren
Wein aus dem Schlauch fließen lassen und ihre Heerden vergessen.

Unsere Verstorbenen waren nicht schlechter als wir. Worin können sich die
Serben mit uns messen? Der Woiwod kann uns hauen, aber die Geige kann er
nicht streichen, er kann auch kein Pferd beschlagen und die Kessel kauu Niemand
in der ganzen Welt so zusammenflicken, wie wir. Von den Nuthcnen schweigen
wir, sie haben gar keinen Ruhm, keine Väter und Großväter in der Vergangen¬
heit; wir hören, Eure Gnade hat ihnen auch das erfunden und geschenkt, und
erst seit dem letzten Winter haben sie Geschichten aus der alten Zeit und einige
wenige Helden ans Euren Befehl erhalten.

Was sonst noch nöthig ist, um uns zu einer herrlichen Nation zu mache",
das können wir auch vorweisen. Vor wenig Jahren, als die Czechen, die Kroa¬
ten und Russtnen besondere Nationen geworden waren, schlugen sie in alten Bü¬
chern nach und riefen ihre Stupfers, die Schneider, zu Hilfe und klagten zu ihrem
Himmel: Herr Gott! wo finden wir unsrer Väter Röcke und Hoscnknöpfe, damit
man uns erkenne aus dem andern Pack, und merke, daß wir ganz eigenthümliche
Leute sind. Endlich nach großer Mühe fanden sie, was sie suchten, und seit der
Zeit tragen die Kroaten die rothe Mütze mit Mond und Stern, wickelten ihren
Leib in eine braune Snrka, banden die o>,imjI<i, die Bundschuhe der serbischen
Bauern unter ihre Füße und bliesen die Backen auf und nannten sich mit
neuem Namen Jllyrier. Und den Nothrussen über den Karpathen hat Eure
Gnade, wie wir hören, selbst gesagt: wenn man euch ärgert und reizt, sollt ihr
rothe Mäntel tragen, um zu beweisen, daß ihr die rothen Ruthenen seid, denn
vorher wußten die armen Bauerntröpfe von gar nichts. Wir aber find freudig,
wir haben eine Tracht, die unsre Väter auch getragen haben. Unsre Nations¬
tracht ist: keine Mütze und keine Schuhe, oder doch wenigstens zerrissene Schuhe;
auf Mantel aber und Hosen kommt es bei uns gar nicht an, weil wir immer
grade die lustigen Kleider tragen müssen, die sich von den Dorfzäunen aus unsere
Schultern werfen und dort liegen bleiben. --

Auch ein Wappen und ein Lied haben wir uns gemacht, wenn Eure Gnade
nicht dagegen spricht. Die Jllyrier haben uns ein Zeichen vor der Nase wegge¬
nommen, was nach dem Rechte uns gebührt hätte, einen Stern und darunter
einen Halbmond. Der Stern bedeutet, daß wir gern bei Nacht arbeiten und der
untergehende Mond wäre eine Erinnerung für unsere Kinder gewesen, daß sie
das Mausen lassen, so oft die blasse Labohne, der Zigeunermond, am Himmel
steht. -- Da uns das aber fehlt, so haben wir uns ein anderes Wappen gesetzt.
Unser Knees hat ein Paar rothe Sammethosen, wir wissen nicht, wo er sie gekauft
hat; aber er liebt sie sehr und trägt sie uur bei Tage und nur wenn er Stie¬
feln mit Sporen anzieht. Die Sammethosen möchten wir als Wappen annehmen,
und zu dem Loch, welches sich auf dem Sitz durchgerieben hat, soll eines Ge-


werden blutig, so oft die Rinderhirten anfangen um Geld zu spielen, ihren
Wein aus dem Schlauch fließen lassen und ihre Heerden vergessen.

Unsere Verstorbenen waren nicht schlechter als wir. Worin können sich die
Serben mit uns messen? Der Woiwod kann uns hauen, aber die Geige kann er
nicht streichen, er kann auch kein Pferd beschlagen und die Kessel kauu Niemand
in der ganzen Welt so zusammenflicken, wie wir. Von den Nuthcnen schweigen
wir, sie haben gar keinen Ruhm, keine Väter und Großväter in der Vergangen¬
heit; wir hören, Eure Gnade hat ihnen auch das erfunden und geschenkt, und
erst seit dem letzten Winter haben sie Geschichten aus der alten Zeit und einige
wenige Helden ans Euren Befehl erhalten.

Was sonst noch nöthig ist, um uns zu einer herrlichen Nation zu mache»,
das können wir auch vorweisen. Vor wenig Jahren, als die Czechen, die Kroa¬
ten und Russtnen besondere Nationen geworden waren, schlugen sie in alten Bü¬
chern nach und riefen ihre Stupfers, die Schneider, zu Hilfe und klagten zu ihrem
Himmel: Herr Gott! wo finden wir unsrer Väter Röcke und Hoscnknöpfe, damit
man uns erkenne aus dem andern Pack, und merke, daß wir ganz eigenthümliche
Leute sind. Endlich nach großer Mühe fanden sie, was sie suchten, und seit der
Zeit tragen die Kroaten die rothe Mütze mit Mond und Stern, wickelten ihren
Leib in eine braune Snrka, banden die o>,imjI<i, die Bundschuhe der serbischen
Bauern unter ihre Füße und bliesen die Backen auf und nannten sich mit
neuem Namen Jllyrier. Und den Nothrussen über den Karpathen hat Eure
Gnade, wie wir hören, selbst gesagt: wenn man euch ärgert und reizt, sollt ihr
rothe Mäntel tragen, um zu beweisen, daß ihr die rothen Ruthenen seid, denn
vorher wußten die armen Bauerntröpfe von gar nichts. Wir aber find freudig,
wir haben eine Tracht, die unsre Väter auch getragen haben. Unsre Nations¬
tracht ist: keine Mütze und keine Schuhe, oder doch wenigstens zerrissene Schuhe;
auf Mantel aber und Hosen kommt es bei uns gar nicht an, weil wir immer
grade die lustigen Kleider tragen müssen, die sich von den Dorfzäunen aus unsere
Schultern werfen und dort liegen bleiben. —

Auch ein Wappen und ein Lied haben wir uns gemacht, wenn Eure Gnade
nicht dagegen spricht. Die Jllyrier haben uns ein Zeichen vor der Nase wegge¬
nommen, was nach dem Rechte uns gebührt hätte, einen Stern und darunter
einen Halbmond. Der Stern bedeutet, daß wir gern bei Nacht arbeiten und der
untergehende Mond wäre eine Erinnerung für unsere Kinder gewesen, daß sie
das Mausen lassen, so oft die blasse Labohne, der Zigeunermond, am Himmel
steht. — Da uns das aber fehlt, so haben wir uns ein anderes Wappen gesetzt.
Unser Knees hat ein Paar rothe Sammethosen, wir wissen nicht, wo er sie gekauft
hat; aber er liebt sie sehr und trägt sie uur bei Tage und nur wenn er Stie¬
feln mit Sporen anzieht. Die Sammethosen möchten wir als Wappen annehmen,
und zu dem Loch, welches sich auf dem Sitz durchgerieben hat, soll eines Ge-


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[0412] werden blutig, so oft die Rinderhirten anfangen um Geld zu spielen, ihren Wein aus dem Schlauch fließen lassen und ihre Heerden vergessen. Unsere Verstorbenen waren nicht schlechter als wir. Worin können sich die Serben mit uns messen? Der Woiwod kann uns hauen, aber die Geige kann er nicht streichen, er kann auch kein Pferd beschlagen und die Kessel kauu Niemand in der ganzen Welt so zusammenflicken, wie wir. Von den Nuthcnen schweigen wir, sie haben gar keinen Ruhm, keine Väter und Großväter in der Vergangen¬ heit; wir hören, Eure Gnade hat ihnen auch das erfunden und geschenkt, und erst seit dem letzten Winter haben sie Geschichten aus der alten Zeit und einige wenige Helden ans Euren Befehl erhalten. Was sonst noch nöthig ist, um uns zu einer herrlichen Nation zu mache», das können wir auch vorweisen. Vor wenig Jahren, als die Czechen, die Kroa¬ ten und Russtnen besondere Nationen geworden waren, schlugen sie in alten Bü¬ chern nach und riefen ihre Stupfers, die Schneider, zu Hilfe und klagten zu ihrem Himmel: Herr Gott! wo finden wir unsrer Väter Röcke und Hoscnknöpfe, damit man uns erkenne aus dem andern Pack, und merke, daß wir ganz eigenthümliche Leute sind. Endlich nach großer Mühe fanden sie, was sie suchten, und seit der Zeit tragen die Kroaten die rothe Mütze mit Mond und Stern, wickelten ihren Leib in eine braune Snrka, banden die o>,imjI<i, die Bundschuhe der serbischen Bauern unter ihre Füße und bliesen die Backen auf und nannten sich mit neuem Namen Jllyrier. Und den Nothrussen über den Karpathen hat Eure Gnade, wie wir hören, selbst gesagt: wenn man euch ärgert und reizt, sollt ihr rothe Mäntel tragen, um zu beweisen, daß ihr die rothen Ruthenen seid, denn vorher wußten die armen Bauerntröpfe von gar nichts. Wir aber find freudig, wir haben eine Tracht, die unsre Väter auch getragen haben. Unsre Nations¬ tracht ist: keine Mütze und keine Schuhe, oder doch wenigstens zerrissene Schuhe; auf Mantel aber und Hosen kommt es bei uns gar nicht an, weil wir immer grade die lustigen Kleider tragen müssen, die sich von den Dorfzäunen aus unsere Schultern werfen und dort liegen bleiben. — Auch ein Wappen und ein Lied haben wir uns gemacht, wenn Eure Gnade nicht dagegen spricht. Die Jllyrier haben uns ein Zeichen vor der Nase wegge¬ nommen, was nach dem Rechte uns gebührt hätte, einen Stern und darunter einen Halbmond. Der Stern bedeutet, daß wir gern bei Nacht arbeiten und der untergehende Mond wäre eine Erinnerung für unsere Kinder gewesen, daß sie das Mausen lassen, so oft die blasse Labohne, der Zigeunermond, am Himmel steht. — Da uns das aber fehlt, so haben wir uns ein anderes Wappen gesetzt. Unser Knees hat ein Paar rothe Sammethosen, wir wissen nicht, wo er sie gekauft hat; aber er liebt sie sehr und trägt sie uur bei Tage und nur wenn er Stie¬ feln mit Sporen anzieht. Die Sammethosen möchten wir als Wappen annehmen, und zu dem Loch, welches sich auf dem Sitz durchgerieben hat, soll eines Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/412>, abgerufen am 23.07.2024.