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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Kochemer, ein weiser Mann, Sumsum, die Baßgeige, Schwarzreutöry, der Floh
und Kinn das Lauserl; Kafler der Henker und Nelke der Galgen. Es ist eine
gute Sprache, und wir wisse" sicher, sie wird von großen Herren studirt zu Olmütz
und im Wien, wo man die grauen Banknoten macht. Man kann Jedes darin sagen,
man kann darin fluchen und bitten, seine Steuern zahlen und alle Pflichten einer
Nation verrichten, so gut wie in einer andern, und für manchen Mund in Eurer
Nähe würde sie grade so passend sein, als für unsern Mund. Auch leicht zu
lernen ist sie, mau macht die Finger krumm und thut die Lippen von einander,
so murmelt sie hervor. -- Terminzel, der Topf und Sterz, der Prügel, Putz, der
Büttel, Blcmkert, der Wein und Knechen der Comitatsarrest. Es ist Alles klar
darin, nur Eins fehlt ihr, sie ist nicht gelehrt genug. Und deshalb bitten wir
zu Euch, daß Ihr uns Schulen gebt, wie Ihr den Russinen geschenkt habt,
wo in unserer Sprache gelehrt wird; wir bitten um ein Gymnas zu Lemberg,
und vielleicht noch mehrere irgendwo; unsere Kinder können zwar nicht hineinge¬
hen zu lernen, denn sie haben auf der Landstraße sehr viel zu thun, wenn die
Fremden vorbeifahren, anch lehren wir sie selber unsere Sprache und unsere Künste;
aber fremde Kinderlein könnt Ihr hineinschicken, damit uns die Gelehrsamkeit zur
Ehre gereicht, wie den Nutheueu.

Feruer haben wir auch Vorfahren und wahrscheinlich sind viele berühmte
darunter. Wir sind zusammengekommen beim Neumond auf den Pusten der
Theiß und haben nach unsern Vorfahren und dem alten Ruhm unseres Geschlech¬
tes gesucht, sowohl in den Sternen, als im Gedächtniß der Aeltesten. Wir haben
viel Ruhm gefunden. Wer ist groß? wer wird gerühmt in den Liedern der Ser¬
ben? Warum war Marko ein Held? weil er viel geprügelt hat, viel getödtet und
viel geraubt; wenn er das gethan hatte und sich dann den Schnurrbart strich und
mit dem Säbel klirrte, so schrie das Volk: Zivio, er lebe, er ist groß! Und un¬
ser Aeltester sprach: zum Ruhm gehört dreierlei: Blutvergießen, Prügel und
Raub. Unsere Vorfahren haben nicht viele Menschen getödtet, aber desto mehr
Lämmer und Ferkel aus den Baueruhcerden, also haben sie jedenfalls das nöthige
Blut vergossen; ob sie viele Prügel ausgetheilt haben, wissen wir nicht, aber wir
hoffen wenigstens, sie haben viele und starke bekomme", geprügelt ist also auch
worden, so viel als nöthig ist, um berühmt zu machen. Und was endlich das
Stehlen betrifft, so wird kein Erdensohn zweifeln, daß unsere Väter darin ebenso
gehandelt haben, als wir. Als uns der Alte das gesagt, da wurden wir Alle
froh, wir merkten, daß wir viel Ruhm haben und in den Schuhen unserer Gro߬
väter gehen. Welche Nation kann sich mit uns vergleichen? Worauf sind die
Serben stolz? auf höchstens ein halbes Dutzend Verstorbener, diese nennen sie
ihre Helden. Wir aber sind alle große Helden. Wir sind alle große Diebe,
jeder von uns hat schon viel mit Prügeln zu thun gehabt und unsere Messer


Si*

Kochemer, ein weiser Mann, Sumsum, die Baßgeige, Schwarzreutöry, der Floh
und Kinn das Lauserl; Kafler der Henker und Nelke der Galgen. Es ist eine
gute Sprache, und wir wisse» sicher, sie wird von großen Herren studirt zu Olmütz
und im Wien, wo man die grauen Banknoten macht. Man kann Jedes darin sagen,
man kann darin fluchen und bitten, seine Steuern zahlen und alle Pflichten einer
Nation verrichten, so gut wie in einer andern, und für manchen Mund in Eurer
Nähe würde sie grade so passend sein, als für unsern Mund. Auch leicht zu
lernen ist sie, mau macht die Finger krumm und thut die Lippen von einander,
so murmelt sie hervor. — Terminzel, der Topf und Sterz, der Prügel, Putz, der
Büttel, Blcmkert, der Wein und Knechen der Comitatsarrest. Es ist Alles klar
darin, nur Eins fehlt ihr, sie ist nicht gelehrt genug. Und deshalb bitten wir
zu Euch, daß Ihr uns Schulen gebt, wie Ihr den Russinen geschenkt habt,
wo in unserer Sprache gelehrt wird; wir bitten um ein Gymnas zu Lemberg,
und vielleicht noch mehrere irgendwo; unsere Kinder können zwar nicht hineinge¬
hen zu lernen, denn sie haben auf der Landstraße sehr viel zu thun, wenn die
Fremden vorbeifahren, anch lehren wir sie selber unsere Sprache und unsere Künste;
aber fremde Kinderlein könnt Ihr hineinschicken, damit uns die Gelehrsamkeit zur
Ehre gereicht, wie den Nutheueu.

Feruer haben wir auch Vorfahren und wahrscheinlich sind viele berühmte
darunter. Wir sind zusammengekommen beim Neumond auf den Pusten der
Theiß und haben nach unsern Vorfahren und dem alten Ruhm unseres Geschlech¬
tes gesucht, sowohl in den Sternen, als im Gedächtniß der Aeltesten. Wir haben
viel Ruhm gefunden. Wer ist groß? wer wird gerühmt in den Liedern der Ser¬
ben? Warum war Marko ein Held? weil er viel geprügelt hat, viel getödtet und
viel geraubt; wenn er das gethan hatte und sich dann den Schnurrbart strich und
mit dem Säbel klirrte, so schrie das Volk: Zivio, er lebe, er ist groß! Und un¬
ser Aeltester sprach: zum Ruhm gehört dreierlei: Blutvergießen, Prügel und
Raub. Unsere Vorfahren haben nicht viele Menschen getödtet, aber desto mehr
Lämmer und Ferkel aus den Baueruhcerden, also haben sie jedenfalls das nöthige
Blut vergossen; ob sie viele Prügel ausgetheilt haben, wissen wir nicht, aber wir
hoffen wenigstens, sie haben viele und starke bekomme», geprügelt ist also auch
worden, so viel als nöthig ist, um berühmt zu machen. Und was endlich das
Stehlen betrifft, so wird kein Erdensohn zweifeln, daß unsere Väter darin ebenso
gehandelt haben, als wir. Als uns der Alte das gesagt, da wurden wir Alle
froh, wir merkten, daß wir viel Ruhm haben und in den Schuhen unserer Gro߬
väter gehen. Welche Nation kann sich mit uns vergleichen? Worauf sind die
Serben stolz? auf höchstens ein halbes Dutzend Verstorbener, diese nennen sie
ihre Helden. Wir aber sind alle große Helden. Wir sind alle große Diebe,
jeder von uns hat schon viel mit Prügeln zu thun gehabt und unsere Messer


Si*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/411>, abgerufen am 23.07.2024.