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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Palacky's größtes Wort.



In die Unklarheit und das Gefasel über Oestreichs Stellung zu Deutschland,
welche man überall bei uns zu erdulden hat, ist ein scharfes Licht, ein männliches
Wort gefallen. Palacky, der stille Führer der Czechen in Kremsier hat dem
Ministerium die Jnterpellation gestellt: l) Ist es wahr, daß ihr in Bezug ans
Deutschland, die Ansichten und Grundsätze welche in eurem ersten Programm
ausgesprochen sind, geändert habt? 2) Wozu und mit welchem Recht schreibt ihr
jetzt Ergänzungswahlen nach Frankfurt aus? 3) Wollt ihr uns eure Verhand¬
lungen mit der deutschen Centralgewalt vorlegen und unserer Berathung unter¬
werfe"? -- Die gründliche und klare Motivirung dieser Fragen ist es, worüber
der Vernünftige sich freuen muß, durch sie wird diese Jnterpellation das Bedeu¬
tendste, was auf dem Reichstag bis jetzt gesprochen worden; sie ist ein Ereigniß
in der kurzen parlamentarischen Geschichte Oestreichs. Vergessen Sie nicht, daß
es ein Czeche ist, welcher spricht, nicht Deutschland zu Liebe, sondern im Interesse
feiner Partei; aber in der deutschen Frage gehen die besonnenen Führer der Czechen
Hand in Hand mit der Einheitspartei in Deutschland, also auch mit der Politik
Ihres Blattes. Palacky spricht so zu den Ministern: Unser, euer großes Werk
ist: alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu
vereinigen, mit gleichen Pflichten und gleichen Rechten aller Stämme, erst wenn
das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu festen Formen gelangt
sind, wird es möglich sein, ihre künftigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. So
habt ihr einst gesprochen und weil ihr so spracht, hat der Reichstag euch ge¬
stützt. -- Jetzt aber wollt ihr uach eurer unklaren Note vom 4. Februar eine
deutsche Macht sein und auch wieder nicht sein. Das ist Halbheit, Verkehrtheit,
Verderben. Eine staatsrechtliche Verschmelzung Oestreichs mit Deutschland ist
nichts, als moralische Auflösung und Vernichtung beider Staaten, denn jeder dieser
Staaten wird die politische" Grundlagen des andern untergraben; das Streben
der Deutschen würde durch das ihnen aufgcdruugue Gegengewicht von 30 Millionen
nichtdeutschen gelähmt, und die nationale Gleichberechtigung Oestreichs würde
zur hohlen Phrase herabsinken. Der politische Einfluß Oestreichs auf Deutschland
wird in völkerrechtlicher Verbindung um so gesicherter sein, je weniger unser
Cabinet den Deutschen hindernd in den Weg tritt. Die Krone Oestreichs aber
hat den Glanz keiner andern Krone auf Erden zu fürchten oder zu beneiden. --
Sollen aber die deutschen Landestheile Frankfurt beschicken, so ist gar kein
Grund, webhalb nicht auch die Lombarden die "Constituante italiana" besenden;
kein Recht mehr, die Wünsche der Polen zu verdammen oder einen etwa beabsich-


Palacky's größtes Wort.



In die Unklarheit und das Gefasel über Oestreichs Stellung zu Deutschland,
welche man überall bei uns zu erdulden hat, ist ein scharfes Licht, ein männliches
Wort gefallen. Palacky, der stille Führer der Czechen in Kremsier hat dem
Ministerium die Jnterpellation gestellt: l) Ist es wahr, daß ihr in Bezug ans
Deutschland, die Ansichten und Grundsätze welche in eurem ersten Programm
ausgesprochen sind, geändert habt? 2) Wozu und mit welchem Recht schreibt ihr
jetzt Ergänzungswahlen nach Frankfurt aus? 3) Wollt ihr uns eure Verhand¬
lungen mit der deutschen Centralgewalt vorlegen und unserer Berathung unter¬
werfe»? — Die gründliche und klare Motivirung dieser Fragen ist es, worüber
der Vernünftige sich freuen muß, durch sie wird diese Jnterpellation das Bedeu¬
tendste, was auf dem Reichstag bis jetzt gesprochen worden; sie ist ein Ereigniß
in der kurzen parlamentarischen Geschichte Oestreichs. Vergessen Sie nicht, daß
es ein Czeche ist, welcher spricht, nicht Deutschland zu Liebe, sondern im Interesse
feiner Partei; aber in der deutschen Frage gehen die besonnenen Führer der Czechen
Hand in Hand mit der Einheitspartei in Deutschland, also auch mit der Politik
Ihres Blattes. Palacky spricht so zu den Ministern: Unser, euer großes Werk
ist: alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu
vereinigen, mit gleichen Pflichten und gleichen Rechten aller Stämme, erst wenn
das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu festen Formen gelangt
sind, wird es möglich sein, ihre künftigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. So
habt ihr einst gesprochen und weil ihr so spracht, hat der Reichstag euch ge¬
stützt. — Jetzt aber wollt ihr uach eurer unklaren Note vom 4. Februar eine
deutsche Macht sein und auch wieder nicht sein. Das ist Halbheit, Verkehrtheit,
Verderben. Eine staatsrechtliche Verschmelzung Oestreichs mit Deutschland ist
nichts, als moralische Auflösung und Vernichtung beider Staaten, denn jeder dieser
Staaten wird die politische» Grundlagen des andern untergraben; das Streben
der Deutschen würde durch das ihnen aufgcdruugue Gegengewicht von 30 Millionen
nichtdeutschen gelähmt, und die nationale Gleichberechtigung Oestreichs würde
zur hohlen Phrase herabsinken. Der politische Einfluß Oestreichs auf Deutschland
wird in völkerrechtlicher Verbindung um so gesicherter sein, je weniger unser
Cabinet den Deutschen hindernd in den Weg tritt. Die Krone Oestreichs aber
hat den Glanz keiner andern Krone auf Erden zu fürchten oder zu beneiden. —
Sollen aber die deutschen Landestheile Frankfurt beschicken, so ist gar kein
Grund, webhalb nicht auch die Lombarden die „Constituante italiana" besenden;
kein Recht mehr, die Wünsche der Polen zu verdammen oder einen etwa beabsich-


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[0402] Palacky's größtes Wort. In die Unklarheit und das Gefasel über Oestreichs Stellung zu Deutschland, welche man überall bei uns zu erdulden hat, ist ein scharfes Licht, ein männliches Wort gefallen. Palacky, der stille Führer der Czechen in Kremsier hat dem Ministerium die Jnterpellation gestellt: l) Ist es wahr, daß ihr in Bezug ans Deutschland, die Ansichten und Grundsätze welche in eurem ersten Programm ausgesprochen sind, geändert habt? 2) Wozu und mit welchem Recht schreibt ihr jetzt Ergänzungswahlen nach Frankfurt aus? 3) Wollt ihr uns eure Verhand¬ lungen mit der deutschen Centralgewalt vorlegen und unserer Berathung unter¬ werfe»? — Die gründliche und klare Motivirung dieser Fragen ist es, worüber der Vernünftige sich freuen muß, durch sie wird diese Jnterpellation das Bedeu¬ tendste, was auf dem Reichstag bis jetzt gesprochen worden; sie ist ein Ereigniß in der kurzen parlamentarischen Geschichte Oestreichs. Vergessen Sie nicht, daß es ein Czeche ist, welcher spricht, nicht Deutschland zu Liebe, sondern im Interesse feiner Partei; aber in der deutschen Frage gehen die besonnenen Führer der Czechen Hand in Hand mit der Einheitspartei in Deutschland, also auch mit der Politik Ihres Blattes. Palacky spricht so zu den Ministern: Unser, euer großes Werk ist: alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinigen, mit gleichen Pflichten und gleichen Rechten aller Stämme, erst wenn das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu festen Formen gelangt sind, wird es möglich sein, ihre künftigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. So habt ihr einst gesprochen und weil ihr so spracht, hat der Reichstag euch ge¬ stützt. — Jetzt aber wollt ihr uach eurer unklaren Note vom 4. Februar eine deutsche Macht sein und auch wieder nicht sein. Das ist Halbheit, Verkehrtheit, Verderben. Eine staatsrechtliche Verschmelzung Oestreichs mit Deutschland ist nichts, als moralische Auflösung und Vernichtung beider Staaten, denn jeder dieser Staaten wird die politische» Grundlagen des andern untergraben; das Streben der Deutschen würde durch das ihnen aufgcdruugue Gegengewicht von 30 Millionen nichtdeutschen gelähmt, und die nationale Gleichberechtigung Oestreichs würde zur hohlen Phrase herabsinken. Der politische Einfluß Oestreichs auf Deutschland wird in völkerrechtlicher Verbindung um so gesicherter sein, je weniger unser Cabinet den Deutschen hindernd in den Weg tritt. Die Krone Oestreichs aber hat den Glanz keiner andern Krone auf Erden zu fürchten oder zu beneiden. — Sollen aber die deutschen Landestheile Frankfurt beschicken, so ist gar kein Grund, webhalb nicht auch die Lombarden die „Constituante italiana" besenden; kein Recht mehr, die Wünsche der Polen zu verdammen oder einen etwa beabsich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/402>, abgerufen am 23.07.2024.