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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Wald.

Ich bin sehr krank, Gertrud.

(weich).

Ich habe gehört, lieber Bruder.


Gertr.
Wald.

Und was soll ich thun?


Gertr.

Sie sind wohl jetzt bitter und feindlich gegen Welt und Menschen,

aber Sie müssen bereuen, was Sie Unrecht gethan haben, und still und gefaßt
tragen, was aus alter, wilder Zeit auf Sie sällt von Pflichten und Schmerzen.
Sie müssen dafür leben, das gut zu machen, was Sie versehen haben.

Nein Mädchen, was Du sagst, das kann ich nicht, ich

(lebhaft).

Wald,

kann nicht den Kopf hängen und seufzen: zehn Menschen habe ich unglücklich ge¬
macht, zwanziger muß ich jetzt helfen; solches Barfüßerleben kann ich nicht
führen, ich kann nicht leben, wenn die Gegenwart mir nichts ist, als
ein umgewendeter Magen der Vergangenheit, solch schwindsüchtige Resig¬
nation ist nichts für mich. Soll ich leben, so muß ich tüchtig leben ans meine
Faust; zu jedem Unrecht, das ich je gethan, muß ich sagen können: ich habe
Dich gethan, ich thu's nicht wieder, und damit abgemacht; keck und freudig
muß ich leben können auf frische Rechnung, nur dazu hier sein, um alte Schul¬
den zu bezahlen, das kann ich nicht.


Gertr.

Weil Sie das nicht wollen, deshalb quält Sie jetzt die alte Schuld.


Wald.

Ja, beim Teufel, das thut sie, aber das muß ich ändern. -- He

vorführend, rasch) Gertrud, könntest Du Dir denken, an meiner Seite zu leben?

Gertr. (erschrickt).

Wald.

-- Alles mit mir zu theilen, was ich mein nenne, Namen, Stand,

Reichthum, Alles will ich Dir geben.

(liebevoll).

Gertr.

Können Sie mir etwas Größeres geben, als was ich

Ihnen dafür wiedergebe, meine Liebe. Es gibt ja nichts auf der Welt, was mir
mehr werth ist. -- Was Sie mir sagen, sehr hold klingt es in mein Ohr --
aber es kann nicht sein, es ist unmöglich. Zu ungleich sind wir im Herzen, Sie
wollen mich nehmen, wie der Kranke eine Medicin nimmt, um gesund zu werden,
und ich würde das wohl fühlen, und das könnte ich nicht ertragen. Und dann,
als die Fremde bei mir war, da sah ich, daß Etwas zwischen uns steht, wie ein
Schatten, ich weiß nicht, was es ist, aber es hält mich fern von Ihnen. -- Und
so kann's nicht sein, daß wir Zwei zusammen kommen auf dieser Erde.


Wald.

So geh dahin, und lebe, wie Du kannst. Weißt Du ein

Mittel, die Wunden zu heilen, die ich Dir geschlagen?


Gertr.

Ich werde arbeiten, und immer werde ich an Sie denken.


Wald.

Gehe, Gertrud.

(ihn küssend).

O, lebe wohl, der erste und der letzte Kuß, lebe wohl!


Gertr.
Wald, (klingelt.)
Box.

Wald.

Welche Zeit ist?


Wald.

Ich bin sehr krank, Gertrud.

(weich).

Ich habe gehört, lieber Bruder.


Gertr.
Wald.

Und was soll ich thun?


Gertr.

Sie sind wohl jetzt bitter und feindlich gegen Welt und Menschen,

aber Sie müssen bereuen, was Sie Unrecht gethan haben, und still und gefaßt
tragen, was aus alter, wilder Zeit auf Sie sällt von Pflichten und Schmerzen.
Sie müssen dafür leben, das gut zu machen, was Sie versehen haben.

Nein Mädchen, was Du sagst, das kann ich nicht, ich

(lebhaft).

Wald,

kann nicht den Kopf hängen und seufzen: zehn Menschen habe ich unglücklich ge¬
macht, zwanziger muß ich jetzt helfen; solches Barfüßerleben kann ich nicht
führen, ich kann nicht leben, wenn die Gegenwart mir nichts ist, als
ein umgewendeter Magen der Vergangenheit, solch schwindsüchtige Resig¬
nation ist nichts für mich. Soll ich leben, so muß ich tüchtig leben ans meine
Faust; zu jedem Unrecht, das ich je gethan, muß ich sagen können: ich habe
Dich gethan, ich thu's nicht wieder, und damit abgemacht; keck und freudig
muß ich leben können auf frische Rechnung, nur dazu hier sein, um alte Schul¬
den zu bezahlen, das kann ich nicht.


Gertr.

Weil Sie das nicht wollen, deshalb quält Sie jetzt die alte Schuld.


Wald.

Ja, beim Teufel, das thut sie, aber das muß ich ändern. — He

vorführend, rasch) Gertrud, könntest Du Dir denken, an meiner Seite zu leben?

Gertr. (erschrickt).

Wald.

— Alles mit mir zu theilen, was ich mein nenne, Namen, Stand,

Reichthum, Alles will ich Dir geben.

(liebevoll).

Gertr.

Können Sie mir etwas Größeres geben, als was ich

Ihnen dafür wiedergebe, meine Liebe. Es gibt ja nichts auf der Welt, was mir
mehr werth ist. — Was Sie mir sagen, sehr hold klingt es in mein Ohr —
aber es kann nicht sein, es ist unmöglich. Zu ungleich sind wir im Herzen, Sie
wollen mich nehmen, wie der Kranke eine Medicin nimmt, um gesund zu werden,
und ich würde das wohl fühlen, und das könnte ich nicht ertragen. Und dann,
als die Fremde bei mir war, da sah ich, daß Etwas zwischen uns steht, wie ein
Schatten, ich weiß nicht, was es ist, aber es hält mich fern von Ihnen. — Und
so kann's nicht sein, daß wir Zwei zusammen kommen auf dieser Erde.


Wald.

So geh dahin, und lebe, wie Du kannst. Weißt Du ein

Mittel, die Wunden zu heilen, die ich Dir geschlagen?


Gertr.

Ich werde arbeiten, und immer werde ich an Sie denken.


Wald.

Gehe, Gertrud.

(ihn küssend).

O, lebe wohl, der erste und der letzte Kuß, lebe wohl!


Gertr.
Wald, (klingelt.)
Box.

Wald.

Welche Zeit ist?


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[0383] Wald. Ich bin sehr krank, Gertrud. (weich). Ich habe gehört, lieber Bruder. Gertr. Wald. Und was soll ich thun? Gertr. Sie sind wohl jetzt bitter und feindlich gegen Welt und Menschen, aber Sie müssen bereuen, was Sie Unrecht gethan haben, und still und gefaßt tragen, was aus alter, wilder Zeit auf Sie sällt von Pflichten und Schmerzen. Sie müssen dafür leben, das gut zu machen, was Sie versehen haben. Nein Mädchen, was Du sagst, das kann ich nicht, ich (lebhaft). Wald, kann nicht den Kopf hängen und seufzen: zehn Menschen habe ich unglücklich ge¬ macht, zwanziger muß ich jetzt helfen; solches Barfüßerleben kann ich nicht führen, ich kann nicht leben, wenn die Gegenwart mir nichts ist, als ein umgewendeter Magen der Vergangenheit, solch schwindsüchtige Resig¬ nation ist nichts für mich. Soll ich leben, so muß ich tüchtig leben ans meine Faust; zu jedem Unrecht, das ich je gethan, muß ich sagen können: ich habe Dich gethan, ich thu's nicht wieder, und damit abgemacht; keck und freudig muß ich leben können auf frische Rechnung, nur dazu hier sein, um alte Schul¬ den zu bezahlen, das kann ich nicht. Gertr. Weil Sie das nicht wollen, deshalb quält Sie jetzt die alte Schuld. Wald. Ja, beim Teufel, das thut sie, aber das muß ich ändern. — He vorführend, rasch) Gertrud, könntest Du Dir denken, an meiner Seite zu leben? Gertr. (erschrickt). Wald. — Alles mit mir zu theilen, was ich mein nenne, Namen, Stand, Reichthum, Alles will ich Dir geben. (liebevoll). Gertr. Können Sie mir etwas Größeres geben, als was ich Ihnen dafür wiedergebe, meine Liebe. Es gibt ja nichts auf der Welt, was mir mehr werth ist. — Was Sie mir sagen, sehr hold klingt es in mein Ohr — aber es kann nicht sein, es ist unmöglich. Zu ungleich sind wir im Herzen, Sie wollen mich nehmen, wie der Kranke eine Medicin nimmt, um gesund zu werden, und ich würde das wohl fühlen, und das könnte ich nicht ertragen. Und dann, als die Fremde bei mir war, da sah ich, daß Etwas zwischen uns steht, wie ein Schatten, ich weiß nicht, was es ist, aber es hält mich fern von Ihnen. — Und so kann's nicht sein, daß wir Zwei zusammen kommen auf dieser Erde. Wald. So geh dahin, und lebe, wie Du kannst. Weißt Du ein Mittel, die Wunden zu heilen, die ich Dir geschlagen? Gertr. Ich werde arbeiten, und immer werde ich an Sie denken. Wald. Gehe, Gertrud. (ihn küssend). O, lebe wohl, der erste und der letzte Kuß, lebe wohl! Gertr. Wald, (klingelt.) Box. Wald. Welche Zeit ist?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/383>, abgerufen am 22.12.2024.