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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Zeit hat mich verändert, Gertrud Hiller, und sieben Jahr sind eine lange Zeit
für Mädchenfreundschaft; -- kennst Du mich jetzt?

Louise!


Gertr.
(schreiend).

Georg.

Louise Peters, jetzt nennen sie mich Fürstin Udaschkin.

Ha!


Gertr.

Du stehst erschrocken, Mund und Hand weigern mir den Gruß.--


Georg.

Du hast noch nicht lügen gelernt, Gertrud!


Gertr.

Louise! -- Was höhnst Du mich, daß ich Dich nicht begrüße, stehst

doch auch Du unbeweglich vor mir, bleich und kalt, und aus Deinem Auge starrt
der Schrecken wie aus meinem.


Georg.

So feiern wir das Wiedersehn, wir entsetzen uns vor einander,

wie zwei unselige Geister, verdammt um ein verlorenes Leben zu trauern.

So ist es nicht, Frau Fürstin, ich war erschrocken, weil Ihr Name


Gertr.

mich an Vieles erinnerte, Gutes und Böses, was an ihm hängt. Ich dachte an
unsre Jugend, -- ich dachte an Ihren Sohn. Hier neben an ist sein Lager, wir
haben ihn gehalten wie das Vermächniß einer Gestorbenen. (Bewegung die Thür
zu öffnen.)

Mein Sohn! -- (zurücktretend) Schweige von dem Knaben,


Georg,
(leidenschaftlich)

ich will ihn nickt sehen, jetzt nicht. Er kennt Dich, nicht mich, Du hast den ganzen Schatz
seiner kindlichen Liebe sür Dich genommen, ich bin ihm nichts, als eine Fremde.


Gertr.

Und wenn es so ist, Sie haben es so gewollt.


Georg.

Ich habe es so gewollt. Und doch hat es schon damals Stunden

gegeben, Mädchen, wo ich Dich gehaßt habe, tief, tödtlich, weil Du meinen
Sohn an Dein Herz drücktest, ja ich habe gebetet und geflucht, daß er lieber
scheiden möge von dieser Erde, als an dem Hals einer Fremden hängen.


Gertr.

Schweig, Unselige!


Georg.

O, ich weiß, es war Unrecht, und fußfällig habe ich Dir's wieder

abgebcten. Deal ich liebte Dich, Gertrud, und wenn ich mit den Erinnerungen
aus einer elenden und schmachvollen Vergangenheit rang, so war es Dein Bild,
das mir hell, friedlich und versöhnend durch das nächtliche Grauen glänzte; Du
allein hattest mir kein Leid angethan, nur Gutes; als mich Alle verriethen und
flohen, da saßest Tu, fast noch ein Kind, an meinem Strohlager, Du küßtest
meine Stirn, und wenn ich verzweifelnd die Hände ballte gegen mein Schicksal,
Du drücktest mir die Finger ineinander und verwandeltest den Fluch auf meiner
Zunge in eine leise Bitte.

(die Hand nach ihr ausstreckend).

Gertr.

Louise, arme Louise! --

Seit sieben Jahren der erste Ton, der mir zwei


Georg,
(sie umarmend).

Quellen öffnet, die versiegt waren in der Sandwüste meines Lebens. -- O streiche
mir die Haare, wie Du sonst thatest, schmeichle mir mit den alten Liebesnamen, laß
mich vergessen, was ich bin und was ich war, Alles, Alles vergessen außer Dir.


46*

Zeit hat mich verändert, Gertrud Hiller, und sieben Jahr sind eine lange Zeit
für Mädchenfreundschaft; — kennst Du mich jetzt?

Louise!


Gertr.
(schreiend).

Georg.

Louise Peters, jetzt nennen sie mich Fürstin Udaschkin.

Ha!


Gertr.

Du stehst erschrocken, Mund und Hand weigern mir den Gruß.—


Georg.

Du hast noch nicht lügen gelernt, Gertrud!


Gertr.

Louise! — Was höhnst Du mich, daß ich Dich nicht begrüße, stehst

doch auch Du unbeweglich vor mir, bleich und kalt, und aus Deinem Auge starrt
der Schrecken wie aus meinem.


Georg.

So feiern wir das Wiedersehn, wir entsetzen uns vor einander,

wie zwei unselige Geister, verdammt um ein verlorenes Leben zu trauern.

So ist es nicht, Frau Fürstin, ich war erschrocken, weil Ihr Name


Gertr.

mich an Vieles erinnerte, Gutes und Böses, was an ihm hängt. Ich dachte an
unsre Jugend, — ich dachte an Ihren Sohn. Hier neben an ist sein Lager, wir
haben ihn gehalten wie das Vermächniß einer Gestorbenen. (Bewegung die Thür
zu öffnen.)

Mein Sohn! — (zurücktretend) Schweige von dem Knaben,


Georg,
(leidenschaftlich)

ich will ihn nickt sehen, jetzt nicht. Er kennt Dich, nicht mich, Du hast den ganzen Schatz
seiner kindlichen Liebe sür Dich genommen, ich bin ihm nichts, als eine Fremde.


Gertr.

Und wenn es so ist, Sie haben es so gewollt.


Georg.

Ich habe es so gewollt. Und doch hat es schon damals Stunden

gegeben, Mädchen, wo ich Dich gehaßt habe, tief, tödtlich, weil Du meinen
Sohn an Dein Herz drücktest, ja ich habe gebetet und geflucht, daß er lieber
scheiden möge von dieser Erde, als an dem Hals einer Fremden hängen.


Gertr.

Schweig, Unselige!


Georg.

O, ich weiß, es war Unrecht, und fußfällig habe ich Dir's wieder

abgebcten. Deal ich liebte Dich, Gertrud, und wenn ich mit den Erinnerungen
aus einer elenden und schmachvollen Vergangenheit rang, so war es Dein Bild,
das mir hell, friedlich und versöhnend durch das nächtliche Grauen glänzte; Du
allein hattest mir kein Leid angethan, nur Gutes; als mich Alle verriethen und
flohen, da saßest Tu, fast noch ein Kind, an meinem Strohlager, Du küßtest
meine Stirn, und wenn ich verzweifelnd die Hände ballte gegen mein Schicksal,
Du drücktest mir die Finger ineinander und verwandeltest den Fluch auf meiner
Zunge in eine leise Bitte.

(die Hand nach ihr ausstreckend).

Gertr.

Louise, arme Louise! —

Seit sieben Jahren der erste Ton, der mir zwei


Georg,
(sie umarmend).

Quellen öffnet, die versiegt waren in der Sandwüste meines Lebens. — O streiche
mir die Haare, wie Du sonst thatest, schmeichle mir mit den alten Liebesnamen, laß
mich vergessen, was ich bin und was ich war, Alles, Alles vergessen außer Dir.


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[0371] Zeit hat mich verändert, Gertrud Hiller, und sieben Jahr sind eine lange Zeit für Mädchenfreundschaft; — kennst Du mich jetzt? Louise! Gertr. (schreiend). Georg. Louise Peters, jetzt nennen sie mich Fürstin Udaschkin. Ha! Gertr. Du stehst erschrocken, Mund und Hand weigern mir den Gruß.— Georg. Du hast noch nicht lügen gelernt, Gertrud! Gertr. Louise! — Was höhnst Du mich, daß ich Dich nicht begrüße, stehst doch auch Du unbeweglich vor mir, bleich und kalt, und aus Deinem Auge starrt der Schrecken wie aus meinem. Georg. So feiern wir das Wiedersehn, wir entsetzen uns vor einander, wie zwei unselige Geister, verdammt um ein verlorenes Leben zu trauern. So ist es nicht, Frau Fürstin, ich war erschrocken, weil Ihr Name Gertr. mich an Vieles erinnerte, Gutes und Böses, was an ihm hängt. Ich dachte an unsre Jugend, — ich dachte an Ihren Sohn. Hier neben an ist sein Lager, wir haben ihn gehalten wie das Vermächniß einer Gestorbenen. (Bewegung die Thür zu öffnen.) Mein Sohn! — (zurücktretend) Schweige von dem Knaben, Georg, (leidenschaftlich) ich will ihn nickt sehen, jetzt nicht. Er kennt Dich, nicht mich, Du hast den ganzen Schatz seiner kindlichen Liebe sür Dich genommen, ich bin ihm nichts, als eine Fremde. Gertr. Und wenn es so ist, Sie haben es so gewollt. Georg. Ich habe es so gewollt. Und doch hat es schon damals Stunden gegeben, Mädchen, wo ich Dich gehaßt habe, tief, tödtlich, weil Du meinen Sohn an Dein Herz drücktest, ja ich habe gebetet und geflucht, daß er lieber scheiden möge von dieser Erde, als an dem Hals einer Fremden hängen. Gertr. Schweig, Unselige! Georg. O, ich weiß, es war Unrecht, und fußfällig habe ich Dir's wieder abgebcten. Deal ich liebte Dich, Gertrud, und wenn ich mit den Erinnerungen aus einer elenden und schmachvollen Vergangenheit rang, so war es Dein Bild, das mir hell, friedlich und versöhnend durch das nächtliche Grauen glänzte; Du allein hattest mir kein Leid angethan, nur Gutes; als mich Alle verriethen und flohen, da saßest Tu, fast noch ein Kind, an meinem Strohlager, Du küßtest meine Stirn, und wenn ich verzweifelnd die Hände ballte gegen mein Schicksal, Du drücktest mir die Finger ineinander und verwandeltest den Fluch auf meiner Zunge in eine leise Bitte. (die Hand nach ihr ausstreckend). Gertr. Louise, arme Louise! — Seit sieben Jahren der erste Ton, der mir zwei Georg, (sie umarmend). Quellen öffnet, die versiegt waren in der Sandwüste meines Lebens. — O streiche mir die Haare, wie Du sonst thatest, schmeichle mir mit den alten Liebesnamen, laß mich vergessen, was ich bin und was ich war, Alles, Alles vergessen außer Dir. 46*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/371>, abgerufen am 23.07.2024.