Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.haftcsten endlich ist die Rechtfertigung des Cölibats, "die Kirche nöthige Niemand, neane
".j.* haftcsten endlich ist die Rechtfertigung des Cölibats, „die Kirche nöthige Niemand, neane
».j.* <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278350"/> <p xml:id="ID_1968" prev="#ID_1967"> haftcsten endlich ist die Rechtfertigung des Cölibats, „die Kirche nöthige Niemand,<lb/> Geistlicher zu werden. Oder ist eS etwa auch eine Beeinträchtigung der Men-<lb/> sclzenrechte, wenn der Staat verbietet, daß man nicht zugleich Professor und Schau¬<lb/> spieler sein kaun, oder Soldat und Handwerker?" Ich könnt' Ihnen dieselbe Ant¬<lb/> wort geben, wie Lessing Götzen auf die Frage, ob ein Pfarrer Komödiant sein<lb/> könne und umgekehrt. Doch will ich's lieber lassen, ich sehe, über die Menschen-<lb/> rechte würden wir doch nicht miteinander einig. So glaube ich z. B., es ist ent¬<lb/> schieden gegen die Menschenrechte, daß ein Professor seine Diäten, als Deputir-<lb/> ter verzehrt und zugleich das Honorar für nicht gehaltne Vorlesungen bezieht,<lb/> d. h. nicht gegen die Rechte desjenigen Menschen, der das Geld bekommt —<lb/> wohl aber geben die Rechte derjenigen Menschen, die es bezahlen. Sie können<lb/> erwidern, das Lesen sei eine bloße Förmlichkeit, Bezahlung und Bescheinigung<lb/> das einzig Wichtige — und ich muß schweigen vor der Macht der Wahrheit. —<lb/> Wahrhaftig, beim durchblättern des Buches ist mir zu Muth geworden, als<lb/> wär' ich wieder aus der Friedrich Wilhelm Universität zu Bonn, um dort zu stu-<lb/> diren, wie man es nannte. Ist mir's doch, als sah' ich sie wieder vor mir,<lb/> die ganze Gemeinde, über welcher der Geist des Nevolutionsverstorbenen Niebuhr<lb/> noch heute zu schweben scheint als schützender Genius — mit ihrer Bigotterie,<lb/> protestantischer und katholischer Sorte, ihrem bissigen Doctrinärtsmus. Ist mir's<lb/> doch, als hört ich den Dahlmann wieder auseinandersetzen, wie sich die franzö¬<lb/> sische Revolution so viel zweckdienlicher und weniger revolutionär hätte einrichten<lb/> lassen, wenn die Girondins nur nicht existirt hätten oder mindestens irgend etwas<lb/> andevs gewesen wären, als sie leider Gottes! nun einmal waren. Hätt' mir'S<lb/> damals nicht träumen lassen, daß der Herr Hofrath so bald Gelegenheit haben<lb/> würden, die aus der Geschichte präparirten Recepte und Elixire auf das kranke<lb/> Deutschland anzuwenden! Wenn ich wollte, so könnt' ich ihn jetzt eben so behan-<lb/> deln, wie er die Girondins; ja, ich könnt' ihm die ganze Geschichte mit dem<lb/> Ervkaiser in die Schuhe schieben. Doch nein! ich will nicht malitiös sein. Ich<lb/> glaube vielmehr, der Erbkaiser liegt in der Lust — und, wenn wir ihn kriegen,<lb/> hat der Einzelne so wenig Schuld daran, wie der erste Cholerakrak dm<lb/> <fw type="sig" place="bottom"> neane<lb/> ».j.*</fw> Aufrauchen der Epidemie! — </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
haftcsten endlich ist die Rechtfertigung des Cölibats, „die Kirche nöthige Niemand,
Geistlicher zu werden. Oder ist eS etwa auch eine Beeinträchtigung der Men-
sclzenrechte, wenn der Staat verbietet, daß man nicht zugleich Professor und Schau¬
spieler sein kaun, oder Soldat und Handwerker?" Ich könnt' Ihnen dieselbe Ant¬
wort geben, wie Lessing Götzen auf die Frage, ob ein Pfarrer Komödiant sein
könne und umgekehrt. Doch will ich's lieber lassen, ich sehe, über die Menschen-
rechte würden wir doch nicht miteinander einig. So glaube ich z. B., es ist ent¬
schieden gegen die Menschenrechte, daß ein Professor seine Diäten, als Deputir-
ter verzehrt und zugleich das Honorar für nicht gehaltne Vorlesungen bezieht,
d. h. nicht gegen die Rechte desjenigen Menschen, der das Geld bekommt —
wohl aber geben die Rechte derjenigen Menschen, die es bezahlen. Sie können
erwidern, das Lesen sei eine bloße Förmlichkeit, Bezahlung und Bescheinigung
das einzig Wichtige — und ich muß schweigen vor der Macht der Wahrheit. —
Wahrhaftig, beim durchblättern des Buches ist mir zu Muth geworden, als
wär' ich wieder aus der Friedrich Wilhelm Universität zu Bonn, um dort zu stu-
diren, wie man es nannte. Ist mir's doch, als sah' ich sie wieder vor mir,
die ganze Gemeinde, über welcher der Geist des Nevolutionsverstorbenen Niebuhr
noch heute zu schweben scheint als schützender Genius — mit ihrer Bigotterie,
protestantischer und katholischer Sorte, ihrem bissigen Doctrinärtsmus. Ist mir's
doch, als hört ich den Dahlmann wieder auseinandersetzen, wie sich die franzö¬
sische Revolution so viel zweckdienlicher und weniger revolutionär hätte einrichten
lassen, wenn die Girondins nur nicht existirt hätten oder mindestens irgend etwas
andevs gewesen wären, als sie leider Gottes! nun einmal waren. Hätt' mir'S
damals nicht träumen lassen, daß der Herr Hofrath so bald Gelegenheit haben
würden, die aus der Geschichte präparirten Recepte und Elixire auf das kranke
Deutschland anzuwenden! Wenn ich wollte, so könnt' ich ihn jetzt eben so behan-
deln, wie er die Girondins; ja, ich könnt' ihm die ganze Geschichte mit dem
Ervkaiser in die Schuhe schieben. Doch nein! ich will nicht malitiös sein. Ich
glaube vielmehr, der Erbkaiser liegt in der Lust — und, wenn wir ihn kriegen,
hat der Einzelne so wenig Schuld daran, wie der erste Cholerakrak dm
Aufrauchen der Epidemie! —
neane
».j.*
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