Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Professor, und nicht über den Verlust eines schweinsledernen Folianten! Aber In der Stellung der ultramontanen Partei unsrer Constituante konnte man, Professor, und nicht über den Verlust eines schweinsledernen Folianten! Aber In der Stellung der ultramontanen Partei unsrer Constituante konnte man, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278347"/> <p xml:id="ID_1962" prev="#ID_1961"> Professor, und nicht über den Verlust eines schweinsledernen Folianten! Aber<lb/> auch mit diesem Mitgefühl hatte er Unglück. Da es von keiner politischen Ein¬<lb/> sicht und namentlich von keinen praktischen Kenntnissen unterstützt war, so verführte<lb/> es ihn wohl zu Anträgen, die hinausgingen über die Vorschläge der äußersten<lb/> Linken und einen fürchterlichen Sturm Hervorriesen nnter seinen Kollegen von der<lb/> äußersten Rechten. So brachte er bei der Debatte über die Habeascorpusacte ein<lb/> Amendement ein: Jeder Verwandte und Freund des Inquisiten hat freien Zutritt<lb/> zu ihm. Die Radicalen begrüßten den Antrag mit Jubel, den sie selbst zu stellen<lb/> nicht gewagt — aber Reichensperger stürzte wie ein Rasender auf die Tribüne,<lb/> dann könne kein Richter mehr eine Untersuchung sichren. — Bei der Berathung<lb/> des bäuerlichen Lastengesetzes schlug er vor, das Obereigenthum der Erbverpächter<lb/> sogleich nach der Ablösung aufzuheben und die Erbpacht als Kanon in die Hypo-<lb/> thckenbücher einzutragen. Bornemann war anßer sich, das Vaterland sei mit den<lb/> Hypothekenbüchern in Gefahr, die dann kein Mensch führen könne. Dennoch ging<lb/> der Paragraph durch und ward mit Noth und Mühe bei der zweiten Abstimmung<lb/> verworfen. Die Rechte war bitterböse auf den menschenfreundlichen Gelehrten.<lb/> Und doch, Professor des römischen Rechts! was wußtest Du von Hypothekenbü¬<lb/> chern und Jnqnisitorien? Dein Herz war warm, Dein Auge feucht geworden bei<lb/> den Schauergemälden, die die Ultras entwarfen von den Leiden der unglücklichen<lb/> Gefangenen, von der Dürftigkeit der nahrungslosen Crbpächtcr; trotz dem empfingst<lb/> Du denselben Lohn wie Don Q-uixote, wenn er irgend eine neue Plage des sterb¬<lb/> lichen Menschengeschlechtes ausgerottet zu haben glaubte. Armer Professor! tröste<lb/> Dich mit Dicrschke, der Dir gegenüber saß! —-</p><lb/> <p xml:id="ID_1963" next="#ID_1964"> In der Stellung der ultramontanen Partei unsrer Constituante konnte man,<lb/> wie gesagt, zur Zeit der Novcmbcrkrisis noch nicht deutlich sehen. Lassen wir die<lb/> nicht erwiesenen Gerüchte über bestimmte Verträge zwischen dem katholischen Klerus<lb/> und der Regierung auf sich beruhen, so bleibt nnr die Thatsache, daß alle die¬<lb/> jenigen Deputirten zur äußersten Rechten gehörten, denen es Ernst war mit den<lb/> Interessen der alleinseligmachenden Kirche. Berg bildet keine Ausnahme, denn der<lb/> Führer des linken Centrums war ein arges Weltkind und nur er sich selber Zweck<lb/> und Ziel seiner Bestrebungen. Diese Anhänglichkeit an das Gouvernement galt<lb/> sie dem alten Systeme, das mit seinen bureaukratischen Centralisativnstcndenzen<lb/> den Katholicismus so vielfach verletzt? Schwerlich! Die Ultramontanen, mit der<lb/> vielgerühmten Voraussicht des Jesuitismus, merkten zuerst, daß das Staatsschiff<lb/> bei Weitem so leck nicht sei, als man gewöhnlich glaubte, sie vertrauten ihm ihr<lb/> Heil noch ferner an — ja, sie erspähten den richtigen Augenblick, um von dem<lb/> wankenden Gouvernement Concessionen zu erzwingen, indem sie ihm die Hydra<lb/> der Demokratie bändigen halfen. Jedenfalls konnten sie von dem christlich-germa¬<lb/> nischen Principe mehr erwarten, als von dem siegenden Radicalismus. In jener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
Professor, und nicht über den Verlust eines schweinsledernen Folianten! Aber
auch mit diesem Mitgefühl hatte er Unglück. Da es von keiner politischen Ein¬
sicht und namentlich von keinen praktischen Kenntnissen unterstützt war, so verführte
es ihn wohl zu Anträgen, die hinausgingen über die Vorschläge der äußersten
Linken und einen fürchterlichen Sturm Hervorriesen nnter seinen Kollegen von der
äußersten Rechten. So brachte er bei der Debatte über die Habeascorpusacte ein
Amendement ein: Jeder Verwandte und Freund des Inquisiten hat freien Zutritt
zu ihm. Die Radicalen begrüßten den Antrag mit Jubel, den sie selbst zu stellen
nicht gewagt — aber Reichensperger stürzte wie ein Rasender auf die Tribüne,
dann könne kein Richter mehr eine Untersuchung sichren. — Bei der Berathung
des bäuerlichen Lastengesetzes schlug er vor, das Obereigenthum der Erbverpächter
sogleich nach der Ablösung aufzuheben und die Erbpacht als Kanon in die Hypo-
thckenbücher einzutragen. Bornemann war anßer sich, das Vaterland sei mit den
Hypothekenbüchern in Gefahr, die dann kein Mensch führen könne. Dennoch ging
der Paragraph durch und ward mit Noth und Mühe bei der zweiten Abstimmung
verworfen. Die Rechte war bitterböse auf den menschenfreundlichen Gelehrten.
Und doch, Professor des römischen Rechts! was wußtest Du von Hypothekenbü¬
chern und Jnqnisitorien? Dein Herz war warm, Dein Auge feucht geworden bei
den Schauergemälden, die die Ultras entwarfen von den Leiden der unglücklichen
Gefangenen, von der Dürftigkeit der nahrungslosen Crbpächtcr; trotz dem empfingst
Du denselben Lohn wie Don Q-uixote, wenn er irgend eine neue Plage des sterb¬
lichen Menschengeschlechtes ausgerottet zu haben glaubte. Armer Professor! tröste
Dich mit Dicrschke, der Dir gegenüber saß! —-
In der Stellung der ultramontanen Partei unsrer Constituante konnte man,
wie gesagt, zur Zeit der Novcmbcrkrisis noch nicht deutlich sehen. Lassen wir die
nicht erwiesenen Gerüchte über bestimmte Verträge zwischen dem katholischen Klerus
und der Regierung auf sich beruhen, so bleibt nnr die Thatsache, daß alle die¬
jenigen Deputirten zur äußersten Rechten gehörten, denen es Ernst war mit den
Interessen der alleinseligmachenden Kirche. Berg bildet keine Ausnahme, denn der
Führer des linken Centrums war ein arges Weltkind und nur er sich selber Zweck
und Ziel seiner Bestrebungen. Diese Anhänglichkeit an das Gouvernement galt
sie dem alten Systeme, das mit seinen bureaukratischen Centralisativnstcndenzen
den Katholicismus so vielfach verletzt? Schwerlich! Die Ultramontanen, mit der
vielgerühmten Voraussicht des Jesuitismus, merkten zuerst, daß das Staatsschiff
bei Weitem so leck nicht sei, als man gewöhnlich glaubte, sie vertrauten ihm ihr
Heil noch ferner an — ja, sie erspähten den richtigen Augenblick, um von dem
wankenden Gouvernement Concessionen zu erzwingen, indem sie ihm die Hydra
der Demokratie bändigen halfen. Jedenfalls konnten sie von dem christlich-germa¬
nischen Principe mehr erwarten, als von dem siegenden Radicalismus. In jener
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