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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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suchen. Er war furchtbar aufgeregt und empfing den Staatsmann mit großer Bit¬
terkeit. Thiers war ruhig und ergeben. "Nun Herr Thiers, was ist zu thun?"
fragte der König. Thiers antwortete: "Sire, ich kann nnr unter der Bedingung ein
Ministerium bilden, daß die Mitglieder der Opposition in das Cabinet treten." --
Welche?" -- "Herr Odillon Barrot." -- "Es ist weit gekommen!" -- Nach einer
ziemlich laugen Debatte gab der König endlich seine Zustimmung, Barrot ein Porte¬
feuille zu ertheilen. Da verlangte Thiers zum zweiten die Auflösung derKammer
und die Reform. Der Streit begann von Neuem, der König verlor eine kost¬
bare Zeit und konnte sich nicht entschließen. Seine alten Minister befanden sich
in einem Nebenzimmer, bei jedem neuen Vorschlage erholte er sich ihren Nath,
und dieser war den Zustimmungen ungünstig. "Sire," sagte Thiers, "wenn die
Bewegung vorüber ist und Eure Majestät meiner nicht mehr bedarf, bin ich bereit
mich wieder zurückzuziehen." "So meine ich's anch" antwortete der König. Thiers
fühlte eine Art von Mitleiden, und schrieb folgende trockene Anzeige nieder, die
denselben Tag noch im Moniteur erscheinen sollte:

"Den 24. Februar, Z Uhr Morgens. Der König hat Herrn Thiers rufen
lassen und ihn mit der Bildung eines neuen Cabtnet's beauftragt. Herr Thiers
hat den König um die Erlaubniß ersucht, sich Herrn Odillon Barrot beigesellen
zu dürfen. Der König hat diesen Vorschlag angenommen." Nachdem dies geschrie¬
ben war, sagte der König: "oll Insn ."Jto?. cliereller vos culllZAnes!" und legte
auf das letzte Wort einen wegwerfenden Ton, der schneidend hervortrat.

Durch diese Anzeige ohne Ordonnanz des Königs war Thiers noch keineswegs
Minister, ja diese Anzeige in einem solchen Momente bewies grade, daß der Kö¬
nig sich nicht eilte ihn öffentlich zum Minister zu ernennen, und er nicht, sich öf¬
fentlich dazu ernennen zu lassen. Dies Zaudern von beiden Seiten in einer Zeit,
wo jeder Augenblick Zeitverlust zum Verderben führt, ist ein wesentlicher Grund,
daß die Emeute sich zur Revolution ausbildete.

Thiers begab sich von den Gemächern des Königs nach dem Generalstabs--
Quartiere, das sich in dem unvollendeten Pavillon befand, der eine Seite der
Rue Rivoli bildete. Der Marschall Bugeaud befand sich in einem mittelmäßig
großen, einfenstrigcn Saale, wo er die Generale um einen runden Tisch versam¬
melt hatte. "Es freut mich Sie zu sehen, Herr Thiers," sagte er, "wir sind in
einer schwierigen Lage, begeben Sie sich .in ihre Wohnung, wo ihre College" sich
versammeln, sagen Sie ihnen, sie sollten uns möglichst viel Freunde verschaffen,
wir bedürfen deren." Man rieth nun Thiers eine Proklamation aufzusetzen, in
welcher er seinen Eintritt in das Ministerium anzeige. Die Officiere erboten sich
Copiecn anzufertigen, so daß alle Behörden in Zeit von einer Stunde Abschriften
von dieser Proklamation mit seiner Unterschrift in Händen hätten. Dies, sagte
man, würde, da ihm auch Odillon Barrot noch beigesellt sei, die Emeute augen¬
blicklich entwaffnen. "Nein! Nein! Nein!" antwortete Thiers, "ich kann noch


suchen. Er war furchtbar aufgeregt und empfing den Staatsmann mit großer Bit¬
terkeit. Thiers war ruhig und ergeben. „Nun Herr Thiers, was ist zu thun?"
fragte der König. Thiers antwortete: „Sire, ich kann nnr unter der Bedingung ein
Ministerium bilden, daß die Mitglieder der Opposition in das Cabinet treten." —
Welche?" — „Herr Odillon Barrot." — „Es ist weit gekommen!" — Nach einer
ziemlich laugen Debatte gab der König endlich seine Zustimmung, Barrot ein Porte¬
feuille zu ertheilen. Da verlangte Thiers zum zweiten die Auflösung derKammer
und die Reform. Der Streit begann von Neuem, der König verlor eine kost¬
bare Zeit und konnte sich nicht entschließen. Seine alten Minister befanden sich
in einem Nebenzimmer, bei jedem neuen Vorschlage erholte er sich ihren Nath,
und dieser war den Zustimmungen ungünstig. „Sire," sagte Thiers, „wenn die
Bewegung vorüber ist und Eure Majestät meiner nicht mehr bedarf, bin ich bereit
mich wieder zurückzuziehen." „So meine ich's anch" antwortete der König. Thiers
fühlte eine Art von Mitleiden, und schrieb folgende trockene Anzeige nieder, die
denselben Tag noch im Moniteur erscheinen sollte:

„Den 24. Februar, Z Uhr Morgens. Der König hat Herrn Thiers rufen
lassen und ihn mit der Bildung eines neuen Cabtnet's beauftragt. Herr Thiers
hat den König um die Erlaubniß ersucht, sich Herrn Odillon Barrot beigesellen
zu dürfen. Der König hat diesen Vorschlag angenommen." Nachdem dies geschrie¬
ben war, sagte der König: „oll Insn .»Jto?. cliereller vos culllZAnes!" und legte
auf das letzte Wort einen wegwerfenden Ton, der schneidend hervortrat.

Durch diese Anzeige ohne Ordonnanz des Königs war Thiers noch keineswegs
Minister, ja diese Anzeige in einem solchen Momente bewies grade, daß der Kö¬
nig sich nicht eilte ihn öffentlich zum Minister zu ernennen, und er nicht, sich öf¬
fentlich dazu ernennen zu lassen. Dies Zaudern von beiden Seiten in einer Zeit,
wo jeder Augenblick Zeitverlust zum Verderben führt, ist ein wesentlicher Grund,
daß die Emeute sich zur Revolution ausbildete.

Thiers begab sich von den Gemächern des Königs nach dem Generalstabs--
Quartiere, das sich in dem unvollendeten Pavillon befand, der eine Seite der
Rue Rivoli bildete. Der Marschall Bugeaud befand sich in einem mittelmäßig
großen, einfenstrigcn Saale, wo er die Generale um einen runden Tisch versam¬
melt hatte. „Es freut mich Sie zu sehen, Herr Thiers," sagte er, „wir sind in
einer schwierigen Lage, begeben Sie sich .in ihre Wohnung, wo ihre College» sich
versammeln, sagen Sie ihnen, sie sollten uns möglichst viel Freunde verschaffen,
wir bedürfen deren." Man rieth nun Thiers eine Proklamation aufzusetzen, in
welcher er seinen Eintritt in das Ministerium anzeige. Die Officiere erboten sich
Copiecn anzufertigen, so daß alle Behörden in Zeit von einer Stunde Abschriften
von dieser Proklamation mit seiner Unterschrift in Händen hätten. Dies, sagte
man, würde, da ihm auch Odillon Barrot noch beigesellt sei, die Emeute augen¬
blicklich entwaffnen. „Nein! Nein! Nein!" antwortete Thiers, „ich kann noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/343>, abgerufen am 23.12.2024.