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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Box. Wenigstens werden wir hier erfahren, wo er ist. Und da die gnä¬
dige Frau so dringend wünschten, ihn zu sehen, hier können Sie ihn finden.


Georg.

Woher wissen Sie das?


Box.

Mit Ew. Erlaucht Genehmigung liegt die Sache so: Am Morgen

nach jener Nacht, in welcher mein Herr ausgeblieben war, gibt ein Betteljunge
diesen Brief an mich ab. -- (liest) Box, du Schuft, ich habe getrunken und reise
mit einer Tänzerin 8 Tage auf's Land. -- Der Zettel ist mit zitternder Hand
geschrieben, aber er ist ächt, er ist von meinem Herrn, das schließe ich aus der
vertraulichen Anrede: Box, du Schuft, das ist ganz sein wohlwollender Ton. --
Gut, ich gehorche diesem Zettel, und die ganze Residenz glaubt, daß mein Herr
in Geschäften verreist ist. - Aber ich selbst weiß, daß es eine Schelmerei ist.
Nämlich erstens kaun er mit keiner Tänzerin verreist sein, denn das Ballet ist voll¬
zählig , es fehlt Niemand, und denn,, gnädigste Frau, ist mein Herr viel zu ge¬
bildet und rücksichtsvoll, um mit einer Tänzerin auf 8 Tage zu verreisen, auf 24
Stunden allenfalls, aber auf 8 Tage, pfui, da verleumdet er sich selbst, so lauge
hält er's gar nicht mehr aus.


Georg.

Weiter, weiter.


Box.

Die größte Unwahrheit aber ist die, daß er sich betrunken nennt,

(stolz)
Mein Herr, und berauscht? Nein, gnädige Frau, Graf Waldemar trinkt,
aber er kann sich nicht betrinken.


Georg.

Enden Sie, mein Herr.

Der Zettel soll mich täuschen, folglich ist der Herr Graf nicht ver¬


Box.

reist, sondern hat sich irgendwo versteckt. Das traue ich ihm zu. -- Ich weiß
aber, daß er für das Mädchen, welches hier wohnt, ein sehr bedenkliches Interesse
gefaßt hat.


Georg.

Ha, meine Ahnung!

Ja, gnädigste Frau, es ist eine traurige Ahnung, aber es ist leider


Box.

so. Denn hier hat ihn meine Mutter gesehen an demselben Abend, wo Ew. Er¬
laucht ihn erwartete", und seit dem Abend ist die Thür dieses Hauses fast immer
geschlossen. Und deshalb ist er ganz sicher hier. Denn da er niemals sür mehr,
als zwei Damen schwärmt, so schließe ich: (respektvoll) wenn er nicht bei der einen
ist, so muß er doch wohl bei der andern sein.

Sehen Sie zu, suchen Sie ihn auf, ich erwarte Sie hier.


Georg.
Box.

Offenbar steckt er im Hanse, ich will mich von außen um die Fen¬

(ab.)
ster schleichen.


Georg.

Wenn er mich vergessen, mich verrathen hat, hier verrathen

hat? -- Meine Kammerfrau schwört mit Thränen, daß sie ihn an jenem Abend
vergebens erwartete. Und ich selbst habe ihn hergeschickt, nach dem Kinde, ich
selbst! Mein Kopf schwindelt, wenn ich daran denke: -- Es ist unmöglich, so
rasfiinrt quält selbst die Hölle nicht.


Box. Wenigstens werden wir hier erfahren, wo er ist. Und da die gnä¬
dige Frau so dringend wünschten, ihn zu sehen, hier können Sie ihn finden.


Georg.

Woher wissen Sie das?


Box.

Mit Ew. Erlaucht Genehmigung liegt die Sache so: Am Morgen

nach jener Nacht, in welcher mein Herr ausgeblieben war, gibt ein Betteljunge
diesen Brief an mich ab. — (liest) Box, du Schuft, ich habe getrunken und reise
mit einer Tänzerin 8 Tage auf's Land. — Der Zettel ist mit zitternder Hand
geschrieben, aber er ist ächt, er ist von meinem Herrn, das schließe ich aus der
vertraulichen Anrede: Box, du Schuft, das ist ganz sein wohlwollender Ton. —
Gut, ich gehorche diesem Zettel, und die ganze Residenz glaubt, daß mein Herr
in Geschäften verreist ist. - Aber ich selbst weiß, daß es eine Schelmerei ist.
Nämlich erstens kaun er mit keiner Tänzerin verreist sein, denn das Ballet ist voll¬
zählig , es fehlt Niemand, und denn,, gnädigste Frau, ist mein Herr viel zu ge¬
bildet und rücksichtsvoll, um mit einer Tänzerin auf 8 Tage zu verreisen, auf 24
Stunden allenfalls, aber auf 8 Tage, pfui, da verleumdet er sich selbst, so lauge
hält er's gar nicht mehr aus.


Georg.

Weiter, weiter.


Box.

Die größte Unwahrheit aber ist die, daß er sich betrunken nennt,

(stolz)
Mein Herr, und berauscht? Nein, gnädige Frau, Graf Waldemar trinkt,
aber er kann sich nicht betrinken.


Georg.

Enden Sie, mein Herr.

Der Zettel soll mich täuschen, folglich ist der Herr Graf nicht ver¬


Box.

reist, sondern hat sich irgendwo versteckt. Das traue ich ihm zu. — Ich weiß
aber, daß er für das Mädchen, welches hier wohnt, ein sehr bedenkliches Interesse
gefaßt hat.


Georg.

Ha, meine Ahnung!

Ja, gnädigste Frau, es ist eine traurige Ahnung, aber es ist leider


Box.

so. Denn hier hat ihn meine Mutter gesehen an demselben Abend, wo Ew. Er¬
laucht ihn erwartete», und seit dem Abend ist die Thür dieses Hauses fast immer
geschlossen. Und deshalb ist er ganz sicher hier. Denn da er niemals sür mehr,
als zwei Damen schwärmt, so schließe ich: (respektvoll) wenn er nicht bei der einen
ist, so muß er doch wohl bei der andern sein.

Sehen Sie zu, suchen Sie ihn auf, ich erwarte Sie hier.


Georg.
Box.

Offenbar steckt er im Hanse, ich will mich von außen um die Fen¬

(ab.)
ster schleichen.


Georg.

Wenn er mich vergessen, mich verrathen hat, hier verrathen

hat? — Meine Kammerfrau schwört mit Thränen, daß sie ihn an jenem Abend
vergebens erwartete. Und ich selbst habe ihn hergeschickt, nach dem Kinde, ich
selbst! Mein Kopf schwindelt, wenn ich daran denke: — Es ist unmöglich, so
rasfiinrt quält selbst die Hölle nicht.


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[0334] Box. Wenigstens werden wir hier erfahren, wo er ist. Und da die gnä¬ dige Frau so dringend wünschten, ihn zu sehen, hier können Sie ihn finden. Georg. Woher wissen Sie das? Box. Mit Ew. Erlaucht Genehmigung liegt die Sache so: Am Morgen nach jener Nacht, in welcher mein Herr ausgeblieben war, gibt ein Betteljunge diesen Brief an mich ab. — (liest) Box, du Schuft, ich habe getrunken und reise mit einer Tänzerin 8 Tage auf's Land. — Der Zettel ist mit zitternder Hand geschrieben, aber er ist ächt, er ist von meinem Herrn, das schließe ich aus der vertraulichen Anrede: Box, du Schuft, das ist ganz sein wohlwollender Ton. — Gut, ich gehorche diesem Zettel, und die ganze Residenz glaubt, daß mein Herr in Geschäften verreist ist. - Aber ich selbst weiß, daß es eine Schelmerei ist. Nämlich erstens kaun er mit keiner Tänzerin verreist sein, denn das Ballet ist voll¬ zählig , es fehlt Niemand, und denn,, gnädigste Frau, ist mein Herr viel zu ge¬ bildet und rücksichtsvoll, um mit einer Tänzerin auf 8 Tage zu verreisen, auf 24 Stunden allenfalls, aber auf 8 Tage, pfui, da verleumdet er sich selbst, so lauge hält er's gar nicht mehr aus. Georg. Weiter, weiter. Box. Die größte Unwahrheit aber ist die, daß er sich betrunken nennt, (stolz) Mein Herr, und berauscht? Nein, gnädige Frau, Graf Waldemar trinkt, aber er kann sich nicht betrinken. Georg. Enden Sie, mein Herr. Der Zettel soll mich täuschen, folglich ist der Herr Graf nicht ver¬ Box. reist, sondern hat sich irgendwo versteckt. Das traue ich ihm zu. — Ich weiß aber, daß er für das Mädchen, welches hier wohnt, ein sehr bedenkliches Interesse gefaßt hat. Georg. Ha, meine Ahnung! Ja, gnädigste Frau, es ist eine traurige Ahnung, aber es ist leider Box. so. Denn hier hat ihn meine Mutter gesehen an demselben Abend, wo Ew. Er¬ laucht ihn erwartete», und seit dem Abend ist die Thür dieses Hauses fast immer geschlossen. Und deshalb ist er ganz sicher hier. Denn da er niemals sür mehr, als zwei Damen schwärmt, so schließe ich: (respektvoll) wenn er nicht bei der einen ist, so muß er doch wohl bei der andern sein. Sehen Sie zu, suchen Sie ihn auf, ich erwarte Sie hier. Georg. Box. Offenbar steckt er im Hanse, ich will mich von außen um die Fen¬ (ab.) ster schleichen. Georg. Wenn er mich vergessen, mich verrathen hat, hier verrathen hat? — Meine Kammerfrau schwört mit Thränen, daß sie ihn an jenem Abend vergebens erwartete. Und ich selbst habe ihn hergeschickt, nach dem Kinde, ich selbst! Mein Kopf schwindelt, wenn ich daran denke: — Es ist unmöglich, so rasfiinrt quält selbst die Hölle nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/334>, abgerufen am 23.07.2024.