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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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sich dort draußen das Volksleben äußern wird in einem Staat von demokratischer
Arbeit, sie müssen für die deutschen Oestreicher eine ewige Quelle der Sehnsucht, der
Unzufriedenheit, der Demagogie werden; die starke Nachbarschaft wird so lange
anziehen, bis sie unsern Staat aus den Fugen gerissen hat; denn wir dürfen uns
nicht verbergen, daß wir auf dem vou Euch betretenen Wege durch die Militärherrschaft,
die Ablösung von Deutschland und die Majorität roher Völkerstämme zu einer
aufgeklärten Despotie getrieben würden, welche den Staat nur dadurch erhalten
kann, daß sie den Idealismus der Dcutschöstreicher unterdrückt. Deshalb darf
Deutschland ohne uns kein großer Staat werden, den eine glückliche Revolution
geboren hat.

Und deshalb ist es eine zwingende Nothwendigkeit für Oestreich, entweder die
deutsche Vereinigung nach seinen Bedürfnissen modificiren zu'lassen und ein Theil da¬
von zu werden, oder, falls dies nicht möglich, sie durch alle Mittel zu verhindern.

So ungefähr calculirt das Ministerium Schwarzenberg seit dem December.
Seine Rechnung scheint ganz richtig und wenn sie auch perfid ist, gescheut kann
man sie doch nennen. -- Aber sie hat den Fehler, daß ihre Schlauheit eine Tochter
der Schwäche ist, daß der Bankerott an eigner Kraft und die Verzweiflung, die großeJdee
und Aufgabe Oestreichs selbstkräftig zu gestalten, sie eingegeben hat, und deshalb ist
auch ein Fehler in der Rechnung. Wir aber rufen Euch zu: Deutschland kann ohne
feste Concentration, ohne eine starke Exccutivgewalt uicht mehr
bestehen. Selbst wenn die Sitzungen der Paulskirche kein augenblickliches Re-
sultat haben, wenn Oestreich die bairische und sächsische Nationaleitelkeit für sich
arbeiten läßt, um durch sie zu zerstören; es wird uicht aus lange sein. Die kleinen
Fürsten konnten sich nicht gegen ihre Demagogen behaupten, Revolten und Krämpfe
würden durch das ganze deutsche Land zucken, alle Besseren des deutschen Volkes werden
das Völkerparlament von 1848 tief im Herzen tragen, dann erst recht, wenn es
untergegangen sein wird gegen die Diplomaten; und die unabweisbare Folge von
dem Gelingen der östreichischen Cabinctspläne wird eine neue deutsche Revolution
sein. -- Ob das, was ans ihr hervorgehen wird, "Preußen" oder "deutsche Re¬
publik" heißen mag, ist hier gleichgiltig; sicher ist nur das eine, daß man den
Kaiserstaat Oestreich vergebens suchen wird, wenn die Völker ans dieser zweiten
Krisis heraustreten.

Und ein andrer Fehler der Rechnung ist der: daß sie einen dauernden Einfluß der
Habsburger auf das loue Deutschland hofft. FürDeutschland ist ein Principal
Oestreichs fortan unmöglich. Wir Deutsche Alle lieben die Oestreicher mehr, als
sonst irgend ein deutscher Stamm den andern liebt, es ist etwas von Zärtlichkeit in
dieser Empfindung, aber eben deshalb können wir ein Präsidium Oestreichs nicht
brauchen. Es ist unnöthig, das zu erklären. Nur das sei bemerkt, die Preußen
sind am wenigsten beliebt im übrigen Deutschland, und doch wünscht der größte
Theil unserer klugen Leute Friedrich Wilhelm IV. auf den Präsidentenstuhl.


sich dort draußen das Volksleben äußern wird in einem Staat von demokratischer
Arbeit, sie müssen für die deutschen Oestreicher eine ewige Quelle der Sehnsucht, der
Unzufriedenheit, der Demagogie werden; die starke Nachbarschaft wird so lange
anziehen, bis sie unsern Staat aus den Fugen gerissen hat; denn wir dürfen uns
nicht verbergen, daß wir auf dem vou Euch betretenen Wege durch die Militärherrschaft,
die Ablösung von Deutschland und die Majorität roher Völkerstämme zu einer
aufgeklärten Despotie getrieben würden, welche den Staat nur dadurch erhalten
kann, daß sie den Idealismus der Dcutschöstreicher unterdrückt. Deshalb darf
Deutschland ohne uns kein großer Staat werden, den eine glückliche Revolution
geboren hat.

Und deshalb ist es eine zwingende Nothwendigkeit für Oestreich, entweder die
deutsche Vereinigung nach seinen Bedürfnissen modificiren zu'lassen und ein Theil da¬
von zu werden, oder, falls dies nicht möglich, sie durch alle Mittel zu verhindern.

So ungefähr calculirt das Ministerium Schwarzenberg seit dem December.
Seine Rechnung scheint ganz richtig und wenn sie auch perfid ist, gescheut kann
man sie doch nennen. — Aber sie hat den Fehler, daß ihre Schlauheit eine Tochter
der Schwäche ist, daß der Bankerott an eigner Kraft und die Verzweiflung, die großeJdee
und Aufgabe Oestreichs selbstkräftig zu gestalten, sie eingegeben hat, und deshalb ist
auch ein Fehler in der Rechnung. Wir aber rufen Euch zu: Deutschland kann ohne
feste Concentration, ohne eine starke Exccutivgewalt uicht mehr
bestehen. Selbst wenn die Sitzungen der Paulskirche kein augenblickliches Re-
sultat haben, wenn Oestreich die bairische und sächsische Nationaleitelkeit für sich
arbeiten läßt, um durch sie zu zerstören; es wird uicht aus lange sein. Die kleinen
Fürsten konnten sich nicht gegen ihre Demagogen behaupten, Revolten und Krämpfe
würden durch das ganze deutsche Land zucken, alle Besseren des deutschen Volkes werden
das Völkerparlament von 1848 tief im Herzen tragen, dann erst recht, wenn es
untergegangen sein wird gegen die Diplomaten; und die unabweisbare Folge von
dem Gelingen der östreichischen Cabinctspläne wird eine neue deutsche Revolution
sein. — Ob das, was ans ihr hervorgehen wird, „Preußen" oder „deutsche Re¬
publik" heißen mag, ist hier gleichgiltig; sicher ist nur das eine, daß man den
Kaiserstaat Oestreich vergebens suchen wird, wenn die Völker ans dieser zweiten
Krisis heraustreten.

Und ein andrer Fehler der Rechnung ist der: daß sie einen dauernden Einfluß der
Habsburger auf das loue Deutschland hofft. FürDeutschland ist ein Principal
Oestreichs fortan unmöglich. Wir Deutsche Alle lieben die Oestreicher mehr, als
sonst irgend ein deutscher Stamm den andern liebt, es ist etwas von Zärtlichkeit in
dieser Empfindung, aber eben deshalb können wir ein Präsidium Oestreichs nicht
brauchen. Es ist unnöthig, das zu erklären. Nur das sei bemerkt, die Preußen
sind am wenigsten beliebt im übrigen Deutschland, und doch wünscht der größte
Theil unserer klugen Leute Friedrich Wilhelm IV. auf den Präsidentenstuhl.


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[0327] sich dort draußen das Volksleben äußern wird in einem Staat von demokratischer Arbeit, sie müssen für die deutschen Oestreicher eine ewige Quelle der Sehnsucht, der Unzufriedenheit, der Demagogie werden; die starke Nachbarschaft wird so lange anziehen, bis sie unsern Staat aus den Fugen gerissen hat; denn wir dürfen uns nicht verbergen, daß wir auf dem vou Euch betretenen Wege durch die Militärherrschaft, die Ablösung von Deutschland und die Majorität roher Völkerstämme zu einer aufgeklärten Despotie getrieben würden, welche den Staat nur dadurch erhalten kann, daß sie den Idealismus der Dcutschöstreicher unterdrückt. Deshalb darf Deutschland ohne uns kein großer Staat werden, den eine glückliche Revolution geboren hat. Und deshalb ist es eine zwingende Nothwendigkeit für Oestreich, entweder die deutsche Vereinigung nach seinen Bedürfnissen modificiren zu'lassen und ein Theil da¬ von zu werden, oder, falls dies nicht möglich, sie durch alle Mittel zu verhindern. So ungefähr calculirt das Ministerium Schwarzenberg seit dem December. Seine Rechnung scheint ganz richtig und wenn sie auch perfid ist, gescheut kann man sie doch nennen. — Aber sie hat den Fehler, daß ihre Schlauheit eine Tochter der Schwäche ist, daß der Bankerott an eigner Kraft und die Verzweiflung, die großeJdee und Aufgabe Oestreichs selbstkräftig zu gestalten, sie eingegeben hat, und deshalb ist auch ein Fehler in der Rechnung. Wir aber rufen Euch zu: Deutschland kann ohne feste Concentration, ohne eine starke Exccutivgewalt uicht mehr bestehen. Selbst wenn die Sitzungen der Paulskirche kein augenblickliches Re- sultat haben, wenn Oestreich die bairische und sächsische Nationaleitelkeit für sich arbeiten läßt, um durch sie zu zerstören; es wird uicht aus lange sein. Die kleinen Fürsten konnten sich nicht gegen ihre Demagogen behaupten, Revolten und Krämpfe würden durch das ganze deutsche Land zucken, alle Besseren des deutschen Volkes werden das Völkerparlament von 1848 tief im Herzen tragen, dann erst recht, wenn es untergegangen sein wird gegen die Diplomaten; und die unabweisbare Folge von dem Gelingen der östreichischen Cabinctspläne wird eine neue deutsche Revolution sein. — Ob das, was ans ihr hervorgehen wird, „Preußen" oder „deutsche Re¬ publik" heißen mag, ist hier gleichgiltig; sicher ist nur das eine, daß man den Kaiserstaat Oestreich vergebens suchen wird, wenn die Völker ans dieser zweiten Krisis heraustreten. Und ein andrer Fehler der Rechnung ist der: daß sie einen dauernden Einfluß der Habsburger auf das loue Deutschland hofft. FürDeutschland ist ein Principal Oestreichs fortan unmöglich. Wir Deutsche Alle lieben die Oestreicher mehr, als sonst irgend ein deutscher Stamm den andern liebt, es ist etwas von Zärtlichkeit in dieser Empfindung, aber eben deshalb können wir ein Präsidium Oestreichs nicht brauchen. Es ist unnöthig, das zu erklären. Nur das sei bemerkt, die Preußen sind am wenigsten beliebt im übrigen Deutschland, und doch wünscht der größte Theil unserer klugen Leute Friedrich Wilhelm IV. auf den Präsidentenstuhl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/327>, abgerufen am 22.12.2024.