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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Wir bitten unsere Leser diese Schlußfolgerung genau zu betrachten. Es ist
die fünfhundertjährige Politik des alten Oestreichs, das System Metternich's, die
Ansicht aller östreichischen Staatsmänner, welchen das große Auge des Genies
fehlt, die aus diese" Sätzen herausbricht. Es ist dieselbe Politik, deren Last seit
1815 wie ein Alp auf uns gelegen bat, die uns im letzten Jahr in die Revolu¬
tion getrieben hat, weil wir die Schmach und die Schaam, die ihretwegen unsere
Wangen röthete, nicht länger ertragen wollten. -- Die besonderen Interessen der
Einzelnen, die privilegirten Forderungen der Einzelnen, die kleine Freiheit der
Einzelnen soll gesichert, gehegt, erhalten werden, für das Ganze, Allgemeine
keine Liebe, für die höchsten idealen Empfindungen eines edlen Volles, für deutsche
Ehre, deutschen Stolz kein Verständniß; für die harte Wahrheit, daß die unbe¬
schränkte Freiheit der einzelnen Theile die Unfreiheit, Zersplitterung und Zerstörung
des Ganzen bei uns stets zur Folge gehabt habe, kein Gedächtniß! -- Und so
väterlich besorgt um die auseinanderlaufenden Sonderinteressen der einzelnen
Regionen in Deutschland zu sein, während man in Oestreich dieselben Particnlar-
interessen mit Kartätschen niederschießt, weil sie sich der Idee eines großen, starken
Oestreichs feindlich und bornirt entgegenstemmen! Oestreich wollt Ihr einig, groß
und stark haben, sogar die Provinzialfreiheiten gedachtet Ihr auf ein Minimum
zik beschränken, der Ungarn alte Rechte, der Polen separate Interessen habt Ihr
selbst zerschlagen und mit Blut und Schwert verfolgt, aber in Deutschland fühlt
Ihr zart und gewissenhaft. Schämt Euch, Ihr Herrn in Ollmütz und Krcmsier,
Eure Politik hat die Seele eines schleichenden Katers, nicht des Aars von Oest¬
reich. Aber Ihr wollt doch etwas Schönes sür Deutschland machen helfen, laßt
uns sehen, was Ihr bringt:

"Der kaiserlichen Negierung schwebt ein nach Außen festes und mächtiges,
im Innern starkes und freies, organisch gegliedertes und doch in sich einiges
Deutschland vor." -- "Auf der von der kaiserlichen Negierung in Aussicht zu
stellenden Grundlage finden alle deutschen Staaten und alle ihre außerordent¬
lichen Landestheile Platz."

Hat Schmerling, oder Durchlaucht Schwarzenberg oder wer sonst die Note
schrieb, in seiner Jugend Verse gemacht oder gelesen, daß ihnen noch jetzt "Deutsch¬
land vorschwebt," wie einem hungrigen Gelegenhcitsdichtcr die gebratne Gans,
oder einem verliebten Schneider sein Mädchen, oder dem Theaterhelden Makbcth der
blutige Dolch? -- Pfui, meine Herren, diese rasende Begeisterung gehört nicht in
die Politik; wenn Sie aber das Phantasiebild nicht los werden können, so bitten
wir, Oestreicher und Deutsche, Sie herzlich, lassen Sie es noch eine Weile schwe¬
ben; wir wollen unterdeß hier auf der Erde in schlechter Wirklichkeit ein selbst-
ständiges Oestreich und ein selbstständiges Dentschland zu erarbeiten suchen; trotz
Ihnen. -- Und gesetzt, Ihr Trauerbild eines Centraleuropas, welches Slavaken,
Slovenen, Schokazen und Schleswiger unter einen großen Hut brächte, wäre


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Wir bitten unsere Leser diese Schlußfolgerung genau zu betrachten. Es ist
die fünfhundertjährige Politik des alten Oestreichs, das System Metternich's, die
Ansicht aller östreichischen Staatsmänner, welchen das große Auge des Genies
fehlt, die aus diese» Sätzen herausbricht. Es ist dieselbe Politik, deren Last seit
1815 wie ein Alp auf uns gelegen bat, die uns im letzten Jahr in die Revolu¬
tion getrieben hat, weil wir die Schmach und die Schaam, die ihretwegen unsere
Wangen röthete, nicht länger ertragen wollten. — Die besonderen Interessen der
Einzelnen, die privilegirten Forderungen der Einzelnen, die kleine Freiheit der
Einzelnen soll gesichert, gehegt, erhalten werden, für das Ganze, Allgemeine
keine Liebe, für die höchsten idealen Empfindungen eines edlen Volles, für deutsche
Ehre, deutschen Stolz kein Verständniß; für die harte Wahrheit, daß die unbe¬
schränkte Freiheit der einzelnen Theile die Unfreiheit, Zersplitterung und Zerstörung
des Ganzen bei uns stets zur Folge gehabt habe, kein Gedächtniß! — Und so
väterlich besorgt um die auseinanderlaufenden Sonderinteressen der einzelnen
Regionen in Deutschland zu sein, während man in Oestreich dieselben Particnlar-
interessen mit Kartätschen niederschießt, weil sie sich der Idee eines großen, starken
Oestreichs feindlich und bornirt entgegenstemmen! Oestreich wollt Ihr einig, groß
und stark haben, sogar die Provinzialfreiheiten gedachtet Ihr auf ein Minimum
zik beschränken, der Ungarn alte Rechte, der Polen separate Interessen habt Ihr
selbst zerschlagen und mit Blut und Schwert verfolgt, aber in Deutschland fühlt
Ihr zart und gewissenhaft. Schämt Euch, Ihr Herrn in Ollmütz und Krcmsier,
Eure Politik hat die Seele eines schleichenden Katers, nicht des Aars von Oest¬
reich. Aber Ihr wollt doch etwas Schönes sür Deutschland machen helfen, laßt
uns sehen, was Ihr bringt:

„Der kaiserlichen Negierung schwebt ein nach Außen festes und mächtiges,
im Innern starkes und freies, organisch gegliedertes und doch in sich einiges
Deutschland vor." — „Auf der von der kaiserlichen Negierung in Aussicht zu
stellenden Grundlage finden alle deutschen Staaten und alle ihre außerordent¬
lichen Landestheile Platz."

Hat Schmerling, oder Durchlaucht Schwarzenberg oder wer sonst die Note
schrieb, in seiner Jugend Verse gemacht oder gelesen, daß ihnen noch jetzt „Deutsch¬
land vorschwebt," wie einem hungrigen Gelegenhcitsdichtcr die gebratne Gans,
oder einem verliebten Schneider sein Mädchen, oder dem Theaterhelden Makbcth der
blutige Dolch? — Pfui, meine Herren, diese rasende Begeisterung gehört nicht in
die Politik; wenn Sie aber das Phantasiebild nicht los werden können, so bitten
wir, Oestreicher und Deutsche, Sie herzlich, lassen Sie es noch eine Weile schwe¬
ben; wir wollen unterdeß hier auf der Erde in schlechter Wirklichkeit ein selbst-
ständiges Oestreich und ein selbstständiges Dentschland zu erarbeiten suchen; trotz
Ihnen. — Und gesetzt, Ihr Trauerbild eines Centraleuropas, welches Slavaken,
Slovenen, Schokazen und Schleswiger unter einen großen Hut brächte, wäre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/323>, abgerufen am 23.12.2024.