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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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monotone Vierstimme, die armen Kinder fanden sich schrecklich betrogen! -- Der
Politiker folgte nunmehr genau denselben Grundsätzen, denen der Lichtfreund ge¬
huldigt, anerkennen nach allen Seiten hin, Niemandem etwas Böses zutrauen
und, wo möglich, keinen Menschen kränken -- das war die leitende Maxime in
seinem parlamentarischen Auftrete". Das Gebot seines Herrn und Meisters, "seid
klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben" erfüllte er nur zur Hälfte,
so weit es das Gemüth betraf. - Die weltliche Klugheit überließ er andern
und die Männer des linken Centrums haben sich seiner, wie so manches Kollegen
in diesem Pnnkte liebreich angenommen. "Wo die Freiheit waltet" -- so lautet
sein politisches Glaubensbekenntniß in "den Novembertagen" -- "da kann aller¬
dings manches Verkehrte geredet, gethan und beschlossen.werden; denn im Men¬
schen wohnt Gutes und Böses, Weisheit und Thorheit neben einander, und
das Schlimme säumt nicht, zum Vorschein zu kommen." -- Ganz schön, Herr
Pastor! und was Gott vereint hat, das soll der Mensch nicht trennen, auch nicht,
wenn er Parlamentsmitglied ist -- oder, wie es in Ihren "Bemerkungen" heißt:
"wer bist Du, daß Du einen fremden Knecht richtest? Er stehe oder falle seinem
Herrn" nicht wahr, Ehrwürden? Aus solchen und ähnlichen Gründen stellten Sie
nach dem 10. Juni den berühmten Antrag, durch den die Versammlung den
Schutz der Bürgerwehr zurückwies und uur den des gutgesinnten Volkes in An¬
spruch nahm. Sie sehen, ich thue Ihnen nicht Unrecht, verwechsle Sie nicht mit
der äußersten Linken, dem moralischen Haupte der tobenden Banden. Bewahre!
Sie meinten nur, eine solche tumultuarische Auffassung des Lebens sei manchem
Herzen Bedürfniß, Sie freuten sich an dem bunten Getreide unserer Bummler,
Sie glaubten, auch die Versammlung habe sich manches vorzuwerfen und da sei
vergeben und vergessen der beste Weg, um mit einander quitt zu werden" --
kurz und gut, Sie träumten gerade von Pömmelte und dachten, die ganze Sache
habe eben so wenig auf sich, als wenn Ihre Dorfjugend Sonntag Abends bis¬
weilen in der Schenke den Tanz suspendirte, um zur Abwechslung nach dem
Knüttel zu greifen. Diese Auffassung war Ihnen Bedürfniß und Sie blieben bei
ihr bis zum letzten Augenblicke, es seien schlechte Volkswitze und nichts weiter,
es habe nichts zu bedeuten; ja, noch in Ihrer Novemberbrochüre behaupten Sie,
es sei zu keinerlei Thätlichkeiten gekommen, obwohl doch die Würde des wackern
Pieper schwer verletzt war an jenem unnennbaren Orte. Nun, Herr Pfarrer, Je¬
dermann hat so seine Ansicht und die Ihre ist ohne Zweifel ganz gut für Pöm¬
melte und Ihre christliche Heerde -- aber, unsern trotzigen Gestalten
gegenüber und bei einer Nationalversammlung, ist es ein mißlich Ding um den
Schutz der gutgesinnten Bürger und heißt den Fuchs zum Gärtner machen. --

Diese gemüthliche, liebevolle Auffassung nach allen Seiten bethätigten Sie
fortwährend durch ihre ganze parlamentarische Carriere. Sie lieben die Lehrer herz-


Brmzbotcn. l. 35

monotone Vierstimme, die armen Kinder fanden sich schrecklich betrogen! — Der
Politiker folgte nunmehr genau denselben Grundsätzen, denen der Lichtfreund ge¬
huldigt, anerkennen nach allen Seiten hin, Niemandem etwas Böses zutrauen
und, wo möglich, keinen Menschen kränken — das war die leitende Maxime in
seinem parlamentarischen Auftrete«. Das Gebot seines Herrn und Meisters, „seid
klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben" erfüllte er nur zur Hälfte,
so weit es das Gemüth betraf. - Die weltliche Klugheit überließ er andern
und die Männer des linken Centrums haben sich seiner, wie so manches Kollegen
in diesem Pnnkte liebreich angenommen. „Wo die Freiheit waltet" — so lautet
sein politisches Glaubensbekenntniß in „den Novembertagen" — „da kann aller¬
dings manches Verkehrte geredet, gethan und beschlossen.werden; denn im Men¬
schen wohnt Gutes und Böses, Weisheit und Thorheit neben einander, und
das Schlimme säumt nicht, zum Vorschein zu kommen." — Ganz schön, Herr
Pastor! und was Gott vereint hat, das soll der Mensch nicht trennen, auch nicht,
wenn er Parlamentsmitglied ist — oder, wie es in Ihren „Bemerkungen" heißt:
„wer bist Du, daß Du einen fremden Knecht richtest? Er stehe oder falle seinem
Herrn" nicht wahr, Ehrwürden? Aus solchen und ähnlichen Gründen stellten Sie
nach dem 10. Juni den berühmten Antrag, durch den die Versammlung den
Schutz der Bürgerwehr zurückwies und uur den des gutgesinnten Volkes in An¬
spruch nahm. Sie sehen, ich thue Ihnen nicht Unrecht, verwechsle Sie nicht mit
der äußersten Linken, dem moralischen Haupte der tobenden Banden. Bewahre!
Sie meinten nur, eine solche tumultuarische Auffassung des Lebens sei manchem
Herzen Bedürfniß, Sie freuten sich an dem bunten Getreide unserer Bummler,
Sie glaubten, auch die Versammlung habe sich manches vorzuwerfen und da sei
vergeben und vergessen der beste Weg, um mit einander quitt zu werden" —
kurz und gut, Sie träumten gerade von Pömmelte und dachten, die ganze Sache
habe eben so wenig auf sich, als wenn Ihre Dorfjugend Sonntag Abends bis¬
weilen in der Schenke den Tanz suspendirte, um zur Abwechslung nach dem
Knüttel zu greifen. Diese Auffassung war Ihnen Bedürfniß und Sie blieben bei
ihr bis zum letzten Augenblicke, es seien schlechte Volkswitze und nichts weiter,
es habe nichts zu bedeuten; ja, noch in Ihrer Novemberbrochüre behaupten Sie,
es sei zu keinerlei Thätlichkeiten gekommen, obwohl doch die Würde des wackern
Pieper schwer verletzt war an jenem unnennbaren Orte. Nun, Herr Pfarrer, Je¬
dermann hat so seine Ansicht und die Ihre ist ohne Zweifel ganz gut für Pöm¬
melte und Ihre christliche Heerde — aber, unsern trotzigen Gestalten
gegenüber und bei einer Nationalversammlung, ist es ein mißlich Ding um den
Schutz der gutgesinnten Bürger und heißt den Fuchs zum Gärtner machen. —

Diese gemüthliche, liebevolle Auffassung nach allen Seiten bethätigten Sie
fortwährend durch ihre ganze parlamentarische Carriere. Sie lieben die Lehrer herz-


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[0281] monotone Vierstimme, die armen Kinder fanden sich schrecklich betrogen! — Der Politiker folgte nunmehr genau denselben Grundsätzen, denen der Lichtfreund ge¬ huldigt, anerkennen nach allen Seiten hin, Niemandem etwas Böses zutrauen und, wo möglich, keinen Menschen kränken — das war die leitende Maxime in seinem parlamentarischen Auftrete«. Das Gebot seines Herrn und Meisters, „seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben" erfüllte er nur zur Hälfte, so weit es das Gemüth betraf. - Die weltliche Klugheit überließ er andern und die Männer des linken Centrums haben sich seiner, wie so manches Kollegen in diesem Pnnkte liebreich angenommen. „Wo die Freiheit waltet" — so lautet sein politisches Glaubensbekenntniß in „den Novembertagen" — „da kann aller¬ dings manches Verkehrte geredet, gethan und beschlossen.werden; denn im Men¬ schen wohnt Gutes und Böses, Weisheit und Thorheit neben einander, und das Schlimme säumt nicht, zum Vorschein zu kommen." — Ganz schön, Herr Pastor! und was Gott vereint hat, das soll der Mensch nicht trennen, auch nicht, wenn er Parlamentsmitglied ist — oder, wie es in Ihren „Bemerkungen" heißt: „wer bist Du, daß Du einen fremden Knecht richtest? Er stehe oder falle seinem Herrn" nicht wahr, Ehrwürden? Aus solchen und ähnlichen Gründen stellten Sie nach dem 10. Juni den berühmten Antrag, durch den die Versammlung den Schutz der Bürgerwehr zurückwies und uur den des gutgesinnten Volkes in An¬ spruch nahm. Sie sehen, ich thue Ihnen nicht Unrecht, verwechsle Sie nicht mit der äußersten Linken, dem moralischen Haupte der tobenden Banden. Bewahre! Sie meinten nur, eine solche tumultuarische Auffassung des Lebens sei manchem Herzen Bedürfniß, Sie freuten sich an dem bunten Getreide unserer Bummler, Sie glaubten, auch die Versammlung habe sich manches vorzuwerfen und da sei vergeben und vergessen der beste Weg, um mit einander quitt zu werden" — kurz und gut, Sie träumten gerade von Pömmelte und dachten, die ganze Sache habe eben so wenig auf sich, als wenn Ihre Dorfjugend Sonntag Abends bis¬ weilen in der Schenke den Tanz suspendirte, um zur Abwechslung nach dem Knüttel zu greifen. Diese Auffassung war Ihnen Bedürfniß und Sie blieben bei ihr bis zum letzten Augenblicke, es seien schlechte Volkswitze und nichts weiter, es habe nichts zu bedeuten; ja, noch in Ihrer Novemberbrochüre behaupten Sie, es sei zu keinerlei Thätlichkeiten gekommen, obwohl doch die Würde des wackern Pieper schwer verletzt war an jenem unnennbaren Orte. Nun, Herr Pfarrer, Je¬ dermann hat so seine Ansicht und die Ihre ist ohne Zweifel ganz gut für Pöm¬ melte und Ihre christliche Heerde — aber, unsern trotzigen Gestalten gegenüber und bei einer Nationalversammlung, ist es ein mißlich Ding um den Schutz der gutgesinnten Bürger und heißt den Fuchs zum Gärtner machen. — Diese gemüthliche, liebevolle Auffassung nach allen Seiten bethätigten Sie fortwährend durch ihre ganze parlamentarische Carriere. Sie lieben die Lehrer herz- Brmzbotcn. l. 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/281>, abgerufen am 23.07.2024.