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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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insbesondere wenn sie ein Loblied auf den guten Geist und die musterhafte Dis¬
ciplin der Armee anstimmte. Es dauerte dann meist keine drei Tage, so setzte es
in irgend einer Stadt, vielleicht gar in München selbst, einen Krawall, wobei die
Bürgcrwehr die Soldaten arretiren mußte, nachdem diese vorher etlichen Kindern
und Frauen die Schädel gespalten hatten. Zum Troste konnte sie höchstens sich
und ihren Lesern versichern, daß dabei durchaus keine politischen Motive im Spiel
gewesen, sondern nur die klassische "fromme Sehnsucht" aller ächten Söhne Baierns
nach 5^ Kreuzer das Maaß. --

Was den gerühmten guten Geist betrifft, so ist der leider beim Heere nicht
wegzuleugnen. Gut ist er, nämlich vom specifisch-bairischen Standpunkt aus an¬
gesehen. -- So lange es ein bairisches Heer gibt, und das gibt es wieder seit
dem Jahre 1805, denn von der Schlacht zu Hochstädt bis dahin war es uicht
der Rede werth, hat es uur einmal und da nur aus kurze Zeit und nicht beson¬
ders glücklich, wenn auch mit außerordentlicher Tapferkeit für eine deutsche Sache
gefochten. Aber die Veteranen von Hanau und Bar sur Aube machen kein Hehl
daraus, daß sie nur mit blutendem Herzen und blos aus blindem Soldatengehorsam
gegen ihren König die Adler Napoleons bekämpft haben, und noch jetzt datiren
alle ihre erquicklichen und erhebenden Erinnerungen vor dem Nieder Vertrag. --
Mau höre uur so einen alten blauweißen Haudegen in München, Bamberg, Bai-
reuth oder Passau, wie er noch jetzt allabendlich bei seinem ersten und zweiten
Seidel einige Dutzend Oestreicher fricassirt, beim dritten und vierten in Schlesien
fouragirt und beim fünften und sechsten die verfluchten Tiroler-Rebellen herzählt,
die er Anno Neun massacrirt hat.

In unsern andern kleinen Armeen, z. B. der sächsischen, würtembergischen,
großherzogl. hessischen, steckt auch noch ein gut Theil napoleonischer Traditionen,
und es wird noch lauge dauern, bis sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet sind.
An und für sich wirken sie dort uicht sehr schädlich und man mag es als eine ziem¬
lich unschuldige Romantik, namentlich der älteren Generation ohne Bedenken nach¬
sehen. Anders aber bei den Baiern. Hier tritt nicht sowohl die Gestalt des
kleinen Korporals in den Vordergrund, als das Gefühl, daß, so lange Ruhm und
Glück den bairischen Fahnen folgte, das stets ans Kosten des übrigen Deutsch¬
lands der Fall war, und die Ueberzeugung mußte von selbst entstehen und stand
anch wirklich bis vor kurzem bei den meisten felsenfest, daß hierin eine Art von
Naturnothwendigkeit walte. So ist der Geist der Armee genau auf dem Niveau
der Politik des bairischen Systems, wie ich es vorhin charakterisirte, und wie
dort wird seine den deutschen Interessen an und für sich feindselige Richtung durch
allerhand Menschlichkeiten noch feindseliger gemacht. Bis in die zwanziger Jahre hegte
die Armee gegen alles, was östreichisch war, eine Art von fanatischer Aversion, wofür
jetzt ein eben so gründlicher und grundloser Haß gegen das Preußenthum sich breit
macht , der mitunter aus die lächerlichste Weise zum Vorschein kommt. So z. B.


insbesondere wenn sie ein Loblied auf den guten Geist und die musterhafte Dis¬
ciplin der Armee anstimmte. Es dauerte dann meist keine drei Tage, so setzte es
in irgend einer Stadt, vielleicht gar in München selbst, einen Krawall, wobei die
Bürgcrwehr die Soldaten arretiren mußte, nachdem diese vorher etlichen Kindern
und Frauen die Schädel gespalten hatten. Zum Troste konnte sie höchstens sich
und ihren Lesern versichern, daß dabei durchaus keine politischen Motive im Spiel
gewesen, sondern nur die klassische „fromme Sehnsucht" aller ächten Söhne Baierns
nach 5^ Kreuzer das Maaß. —

Was den gerühmten guten Geist betrifft, so ist der leider beim Heere nicht
wegzuleugnen. Gut ist er, nämlich vom specifisch-bairischen Standpunkt aus an¬
gesehen. — So lange es ein bairisches Heer gibt, und das gibt es wieder seit
dem Jahre 1805, denn von der Schlacht zu Hochstädt bis dahin war es uicht
der Rede werth, hat es uur einmal und da nur aus kurze Zeit und nicht beson¬
ders glücklich, wenn auch mit außerordentlicher Tapferkeit für eine deutsche Sache
gefochten. Aber die Veteranen von Hanau und Bar sur Aube machen kein Hehl
daraus, daß sie nur mit blutendem Herzen und blos aus blindem Soldatengehorsam
gegen ihren König die Adler Napoleons bekämpft haben, und noch jetzt datiren
alle ihre erquicklichen und erhebenden Erinnerungen vor dem Nieder Vertrag. —
Mau höre uur so einen alten blauweißen Haudegen in München, Bamberg, Bai-
reuth oder Passau, wie er noch jetzt allabendlich bei seinem ersten und zweiten
Seidel einige Dutzend Oestreicher fricassirt, beim dritten und vierten in Schlesien
fouragirt und beim fünften und sechsten die verfluchten Tiroler-Rebellen herzählt,
die er Anno Neun massacrirt hat.

In unsern andern kleinen Armeen, z. B. der sächsischen, würtembergischen,
großherzogl. hessischen, steckt auch noch ein gut Theil napoleonischer Traditionen,
und es wird noch lauge dauern, bis sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet sind.
An und für sich wirken sie dort uicht sehr schädlich und man mag es als eine ziem¬
lich unschuldige Romantik, namentlich der älteren Generation ohne Bedenken nach¬
sehen. Anders aber bei den Baiern. Hier tritt nicht sowohl die Gestalt des
kleinen Korporals in den Vordergrund, als das Gefühl, daß, so lange Ruhm und
Glück den bairischen Fahnen folgte, das stets ans Kosten des übrigen Deutsch¬
lands der Fall war, und die Ueberzeugung mußte von selbst entstehen und stand
anch wirklich bis vor kurzem bei den meisten felsenfest, daß hierin eine Art von
Naturnothwendigkeit walte. So ist der Geist der Armee genau auf dem Niveau
der Politik des bairischen Systems, wie ich es vorhin charakterisirte, und wie
dort wird seine den deutschen Interessen an und für sich feindselige Richtung durch
allerhand Menschlichkeiten noch feindseliger gemacht. Bis in die zwanziger Jahre hegte
die Armee gegen alles, was östreichisch war, eine Art von fanatischer Aversion, wofür
jetzt ein eben so gründlicher und grundloser Haß gegen das Preußenthum sich breit
macht , der mitunter aus die lächerlichste Weise zum Vorschein kommt. So z. B.


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[0266] insbesondere wenn sie ein Loblied auf den guten Geist und die musterhafte Dis¬ ciplin der Armee anstimmte. Es dauerte dann meist keine drei Tage, so setzte es in irgend einer Stadt, vielleicht gar in München selbst, einen Krawall, wobei die Bürgcrwehr die Soldaten arretiren mußte, nachdem diese vorher etlichen Kindern und Frauen die Schädel gespalten hatten. Zum Troste konnte sie höchstens sich und ihren Lesern versichern, daß dabei durchaus keine politischen Motive im Spiel gewesen, sondern nur die klassische „fromme Sehnsucht" aller ächten Söhne Baierns nach 5^ Kreuzer das Maaß. — Was den gerühmten guten Geist betrifft, so ist der leider beim Heere nicht wegzuleugnen. Gut ist er, nämlich vom specifisch-bairischen Standpunkt aus an¬ gesehen. — So lange es ein bairisches Heer gibt, und das gibt es wieder seit dem Jahre 1805, denn von der Schlacht zu Hochstädt bis dahin war es uicht der Rede werth, hat es uur einmal und da nur aus kurze Zeit und nicht beson¬ ders glücklich, wenn auch mit außerordentlicher Tapferkeit für eine deutsche Sache gefochten. Aber die Veteranen von Hanau und Bar sur Aube machen kein Hehl daraus, daß sie nur mit blutendem Herzen und blos aus blindem Soldatengehorsam gegen ihren König die Adler Napoleons bekämpft haben, und noch jetzt datiren alle ihre erquicklichen und erhebenden Erinnerungen vor dem Nieder Vertrag. — Mau höre uur so einen alten blauweißen Haudegen in München, Bamberg, Bai- reuth oder Passau, wie er noch jetzt allabendlich bei seinem ersten und zweiten Seidel einige Dutzend Oestreicher fricassirt, beim dritten und vierten in Schlesien fouragirt und beim fünften und sechsten die verfluchten Tiroler-Rebellen herzählt, die er Anno Neun massacrirt hat. In unsern andern kleinen Armeen, z. B. der sächsischen, würtembergischen, großherzogl. hessischen, steckt auch noch ein gut Theil napoleonischer Traditionen, und es wird noch lauge dauern, bis sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet sind. An und für sich wirken sie dort uicht sehr schädlich und man mag es als eine ziem¬ lich unschuldige Romantik, namentlich der älteren Generation ohne Bedenken nach¬ sehen. Anders aber bei den Baiern. Hier tritt nicht sowohl die Gestalt des kleinen Korporals in den Vordergrund, als das Gefühl, daß, so lange Ruhm und Glück den bairischen Fahnen folgte, das stets ans Kosten des übrigen Deutsch¬ lands der Fall war, und die Ueberzeugung mußte von selbst entstehen und stand anch wirklich bis vor kurzem bei den meisten felsenfest, daß hierin eine Art von Naturnothwendigkeit walte. So ist der Geist der Armee genau auf dem Niveau der Politik des bairischen Systems, wie ich es vorhin charakterisirte, und wie dort wird seine den deutschen Interessen an und für sich feindselige Richtung durch allerhand Menschlichkeiten noch feindseliger gemacht. Bis in die zwanziger Jahre hegte die Armee gegen alles, was östreichisch war, eine Art von fanatischer Aversion, wofür jetzt ein eben so gründlicher und grundloser Haß gegen das Preußenthum sich breit macht , der mitunter aus die lächerlichste Weise zum Vorschein kommt. So z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/266>, abgerufen am 23.07.2024.