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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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nicht vor der Zeit ein Spuk gemacht wird. -- "Ja," sagte Jonas, "und der
Schlimmste ist der Waldbcläufer, er ist uns schon lange auf der Spur, des Wil¬
helms wegen." -- "Lügeuhuud," schrie Wilhelm empört und schlug nach ihm mit
einem Holzstock. Jonas aber verschwand mit den Uebrigen hinter den Zweigen.

"Was hast Du mit dem Wilhelm, daß er Dir so auf dem Halse ist?" frug
der Niese, als er auf der Chaussve an Jonas vorüberging. -- "Weil er es mit
des Waldbeläufers Rose hält, aber die wird ihn auszahlen, sie nimmt sich den
einäugigen Müller. Weißt Du uoch Franze," setzte er hinzu, "heut ist's grade
ein Jahr, daß wir miteinander den Lährbaum unsicher. Der Waldbcläufer zeigte
uns an, wir mußten sechs Wochen sitzen. Ich vergeh ihm das nicht und dem
Wilhelm auch nicht."


IV.

Von den Thürmen der Stadt schlug es neun Uhr und dichte Nacht lag auf
den Bergen. Ermüdet hatten wir uns aus unsere Stube zurückgezogen und ich
sah vom Sopha aus aus den einzigen Stern am großen Nachthimmel, der sich
durch die dichten Wolken durcharbeiten wollte. War es doch, als stünde er auf
den Bergen, als nähme sein starkes Licht an Rundung zu; noch einige Augen¬
blicke, und der helle Schein flackerte hell auf und setzte seinen irdischen Ursprung
außer Zweifel. "Das sind die Schurken, die das Zeichen zum Aufbruch nach
Breslau geben," fuhr Alfred ans; "ich mache in der Stadt Anzeige, das Mili¬
tär soll dieses wahnsinnige Treiben hindern." Er eilte hinab, einen Wagen zu
bestellen. Unten im Hans war es schon lebendig, auch aus den benachbarten
Höfen strömten Menschen herbei, und der Fußsteig längs dem Schlosse war mit
Neugierigen bedeckt, die gruppenweise zusammenstanden und ihre Meinung über
das Feuer aussprachen. Ueberall schmückte man den abenteuerlichen Zug nach der
Hauptstadt, der wie eine dunkle Mähr seit lange das Landvolk beschäftigt hatte,
mit Vermuthungen heraus. -- Während wir nach neuen Zeichen längs der
Bergkette suchten, gewann das Feuer an Ausdehnung und röthete weithin den
schwarzen Nachthimmel. Plötzlich stieg eine Feuersäule herauf und erleuchtete ein
Haus so transparent, das man die Sparren hätte zählen können. Das ist kein Signal,
schrieen die Menschen unten ; "es ist das Haus des Waldbeläufers," riefen wir uns
zu, "die Feuersäule ist die trockene Birke, die dahinter steht"; und wir warfen uns
in den vorfahrenden Wagen. Als wir auf die Chansfle einlenkten, sahen
wir das brennende Dachstroh des Hauses umherfliegen. "Aber das Mädchen,"
meinten wir, "muß Zeit gehabt haben sich zu retten, noch ist es nicht spät in der
Nacht." -- Der Junge aus dem Bock peitschte aus unserm Zuruf die Pferde zum
Galopp. Als wir in den Schatten der Berge kamen, verbargen der Wald und
die vorliegenden Anhöhen das brennende Gebäude, nur der geröthete Himmel
und die aufsteigende Lohe verriethen, daß das Feuer noch immer im Zunehmen


nicht vor der Zeit ein Spuk gemacht wird. — „Ja," sagte Jonas, „und der
Schlimmste ist der Waldbcläufer, er ist uns schon lange auf der Spur, des Wil¬
helms wegen." — „Lügeuhuud," schrie Wilhelm empört und schlug nach ihm mit
einem Holzstock. Jonas aber verschwand mit den Uebrigen hinter den Zweigen.

„Was hast Du mit dem Wilhelm, daß er Dir so auf dem Halse ist?" frug
der Niese, als er auf der Chaussve an Jonas vorüberging. — „Weil er es mit
des Waldbeläufers Rose hält, aber die wird ihn auszahlen, sie nimmt sich den
einäugigen Müller. Weißt Du uoch Franze," setzte er hinzu, „heut ist's grade
ein Jahr, daß wir miteinander den Lährbaum unsicher. Der Waldbcläufer zeigte
uns an, wir mußten sechs Wochen sitzen. Ich vergeh ihm das nicht und dem
Wilhelm auch nicht."


IV.

Von den Thürmen der Stadt schlug es neun Uhr und dichte Nacht lag auf
den Bergen. Ermüdet hatten wir uns aus unsere Stube zurückgezogen und ich
sah vom Sopha aus aus den einzigen Stern am großen Nachthimmel, der sich
durch die dichten Wolken durcharbeiten wollte. War es doch, als stünde er auf
den Bergen, als nähme sein starkes Licht an Rundung zu; noch einige Augen¬
blicke, und der helle Schein flackerte hell auf und setzte seinen irdischen Ursprung
außer Zweifel. „Das sind die Schurken, die das Zeichen zum Aufbruch nach
Breslau geben," fuhr Alfred ans; „ich mache in der Stadt Anzeige, das Mili¬
tär soll dieses wahnsinnige Treiben hindern." Er eilte hinab, einen Wagen zu
bestellen. Unten im Hans war es schon lebendig, auch aus den benachbarten
Höfen strömten Menschen herbei, und der Fußsteig längs dem Schlosse war mit
Neugierigen bedeckt, die gruppenweise zusammenstanden und ihre Meinung über
das Feuer aussprachen. Ueberall schmückte man den abenteuerlichen Zug nach der
Hauptstadt, der wie eine dunkle Mähr seit lange das Landvolk beschäftigt hatte,
mit Vermuthungen heraus. — Während wir nach neuen Zeichen längs der
Bergkette suchten, gewann das Feuer an Ausdehnung und röthete weithin den
schwarzen Nachthimmel. Plötzlich stieg eine Feuersäule herauf und erleuchtete ein
Haus so transparent, das man die Sparren hätte zählen können. Das ist kein Signal,
schrieen die Menschen unten ; „es ist das Haus des Waldbeläufers," riefen wir uns
zu, „die Feuersäule ist die trockene Birke, die dahinter steht"; und wir warfen uns
in den vorfahrenden Wagen. Als wir auf die Chansfle einlenkten, sahen
wir das brennende Dachstroh des Hauses umherfliegen. „Aber das Mädchen,"
meinten wir, „muß Zeit gehabt haben sich zu retten, noch ist es nicht spät in der
Nacht." — Der Junge aus dem Bock peitschte aus unserm Zuruf die Pferde zum
Galopp. Als wir in den Schatten der Berge kamen, verbargen der Wald und
die vorliegenden Anhöhen das brennende Gebäude, nur der geröthete Himmel
und die aufsteigende Lohe verriethen, daß das Feuer noch immer im Zunehmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/240>, abgerufen am 23.07.2024.