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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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tntionalismus liege keineswegs in der parlamentarischen Regierung, deren sich Eng¬
land erfreut, da sieht man freilich, daß vor unsern nagelneuen Konstitutionellen
kein Ding unmöglich ist. Ein allgemeines Schütteln des Kopfes entstand indeß
unter den ehrenwerthen Männern, als selbst die Times -- trotz alles empfange¬
nen Geldes oder vielmehr eben weil es bereits empfangen war -- ihnen in
jüngster Zeit ein Schnippchen schlug und rund heraus erklärte, die Maßregeln
des Muustemuns seien mit dem wahren Constitutionalismus völlig unvereinbar. --

Von dem Treiben, das in den letzten Wochen hier herrschte, kann der Fremde
sich schwerlich eine Vorstellung machen. Müde Droschkenklcpper schleppten ohn'
Unterlaß die "Ansprachen, Warnungen, Enthüllungen" der Herren Harkvrt-Meuse-
vach und Bülow-Cummerow ballenweise aus den Druckereien in der Stadt um¬
her und nach den Eisenbahnhöfen, wo die Beamten sie den Reisenden in großen
Sivßen aufdrängen. Portofrei -- des "heilsamen Einflusses" wegen -- zogen
die Bote" einer besseren Zukunft im Laude umher und verbreiteten Schrecken und
Entsetzen vor den Demagogen , so wie Liebe und Achtung für die wahre Freiheit
bis in die entlegenste Hütte der Bauern, der bisher nur für sein Stückchen Kar-
toffclland sorgte und den Staat höchstens als einen großen Herrn in fernen Ge-
genden kannte, der entsetzlich viel Geld verbrauchte. Die erste Rolle unter
diesen Zeichen der Zeit spielten natürlich die Enthüllungen aus der Feder der
Herren von Bülow-Cnmmerow, die freilich nichts weiter enthüllten, als daß
Tante Voß eine Allerweltsdame ist, so gemein wie der Weg von Eastcheap nach
Se. Albans. Auch Harkort-Meusebach hat böse Erfahrungen gemacht und nicht
verhindern können, daß allerlei Gauner auf seinen patriotischen Eifer speculirten.
Ueberall tauchten Agenten des Centralwahlcomiti-s aus, von denen dieses nichts
wußte, die sich aber unter seiner Aegide manch ein Sümmchen zusammenscharrten,
um heilsam auf die Wahlen zu wirken, und im schlimmsten Falle wenigstens eine
Zeitlang sorgenlos mnherbummeln konnten, auf Kosten der gutmüthigen Gläubi¬
ger. So der berüchtigte Damitz, der jetzt unter dieser Firma in Altpreußen Ge¬
schäfte macht, nachdem ihn hier in Berlin bekanntlich der ehrenfeste Fleischermeister
Pieper mit einem Beilschlage von der Tribüne herab darniedergestreckt hat, -- in
derselben Weise, wie er zu Fischhansen mit seine" Ochsen zu verfahren pflegt.
Indeß hat man sich trotz dieser unangenehmen Zwischenfälle über Wahlprogramme
geeinigt. Die Rechte hat den Nachtheil, daß sie in zwei Fractionen gespalten
worden ist, da ein kleiner Theil von Ultras das Arnimsche Glaubensbekenntniß
zu dem seinigen gemacht hat und bei dem Patente vom 3. Februar anfangen will.
Nach seiner Ansicht wird allen Bedürfnissen des Volkes durch eine Umgestaltung
der Herrcncurie und durch unbedeutende Abänderungen im Wahlmodus für die
Ständekammer genügt. Das starke rechte Centrum soll neulich in geheimer Sitzung
über folgende Punkte einig geworden sein: 1) Alle Staatsgewalt geht vom Kö¬
nige aus, der einen beliebigen Theil derselben durch die Verfassung dem Volke


tntionalismus liege keineswegs in der parlamentarischen Regierung, deren sich Eng¬
land erfreut, da sieht man freilich, daß vor unsern nagelneuen Konstitutionellen
kein Ding unmöglich ist. Ein allgemeines Schütteln des Kopfes entstand indeß
unter den ehrenwerthen Männern, als selbst die Times — trotz alles empfange¬
nen Geldes oder vielmehr eben weil es bereits empfangen war — ihnen in
jüngster Zeit ein Schnippchen schlug und rund heraus erklärte, die Maßregeln
des Muustemuns seien mit dem wahren Constitutionalismus völlig unvereinbar. —

Von dem Treiben, das in den letzten Wochen hier herrschte, kann der Fremde
sich schwerlich eine Vorstellung machen. Müde Droschkenklcpper schleppten ohn'
Unterlaß die „Ansprachen, Warnungen, Enthüllungen" der Herren Harkvrt-Meuse-
vach und Bülow-Cummerow ballenweise aus den Druckereien in der Stadt um¬
her und nach den Eisenbahnhöfen, wo die Beamten sie den Reisenden in großen
Sivßen aufdrängen. Portofrei — des „heilsamen Einflusses" wegen — zogen
die Bote» einer besseren Zukunft im Laude umher und verbreiteten Schrecken und
Entsetzen vor den Demagogen , so wie Liebe und Achtung für die wahre Freiheit
bis in die entlegenste Hütte der Bauern, der bisher nur für sein Stückchen Kar-
toffclland sorgte und den Staat höchstens als einen großen Herrn in fernen Ge-
genden kannte, der entsetzlich viel Geld verbrauchte. Die erste Rolle unter
diesen Zeichen der Zeit spielten natürlich die Enthüllungen aus der Feder der
Herren von Bülow-Cnmmerow, die freilich nichts weiter enthüllten, als daß
Tante Voß eine Allerweltsdame ist, so gemein wie der Weg von Eastcheap nach
Se. Albans. Auch Harkort-Meusebach hat böse Erfahrungen gemacht und nicht
verhindern können, daß allerlei Gauner auf seinen patriotischen Eifer speculirten.
Ueberall tauchten Agenten des Centralwahlcomiti-s aus, von denen dieses nichts
wußte, die sich aber unter seiner Aegide manch ein Sümmchen zusammenscharrten,
um heilsam auf die Wahlen zu wirken, und im schlimmsten Falle wenigstens eine
Zeitlang sorgenlos mnherbummeln konnten, auf Kosten der gutmüthigen Gläubi¬
ger. So der berüchtigte Damitz, der jetzt unter dieser Firma in Altpreußen Ge¬
schäfte macht, nachdem ihn hier in Berlin bekanntlich der ehrenfeste Fleischermeister
Pieper mit einem Beilschlage von der Tribüne herab darniedergestreckt hat, — in
derselben Weise, wie er zu Fischhansen mit seine» Ochsen zu verfahren pflegt.
Indeß hat man sich trotz dieser unangenehmen Zwischenfälle über Wahlprogramme
geeinigt. Die Rechte hat den Nachtheil, daß sie in zwei Fractionen gespalten
worden ist, da ein kleiner Theil von Ultras das Arnimsche Glaubensbekenntniß
zu dem seinigen gemacht hat und bei dem Patente vom 3. Februar anfangen will.
Nach seiner Ansicht wird allen Bedürfnissen des Volkes durch eine Umgestaltung
der Herrcncurie und durch unbedeutende Abänderungen im Wahlmodus für die
Ständekammer genügt. Das starke rechte Centrum soll neulich in geheimer Sitzung
über folgende Punkte einig geworden sein: 1) Alle Staatsgewalt geht vom Kö¬
nige aus, der einen beliebigen Theil derselben durch die Verfassung dem Volke


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[0194] tntionalismus liege keineswegs in der parlamentarischen Regierung, deren sich Eng¬ land erfreut, da sieht man freilich, daß vor unsern nagelneuen Konstitutionellen kein Ding unmöglich ist. Ein allgemeines Schütteln des Kopfes entstand indeß unter den ehrenwerthen Männern, als selbst die Times — trotz alles empfange¬ nen Geldes oder vielmehr eben weil es bereits empfangen war — ihnen in jüngster Zeit ein Schnippchen schlug und rund heraus erklärte, die Maßregeln des Muustemuns seien mit dem wahren Constitutionalismus völlig unvereinbar. — Von dem Treiben, das in den letzten Wochen hier herrschte, kann der Fremde sich schwerlich eine Vorstellung machen. Müde Droschkenklcpper schleppten ohn' Unterlaß die „Ansprachen, Warnungen, Enthüllungen" der Herren Harkvrt-Meuse- vach und Bülow-Cummerow ballenweise aus den Druckereien in der Stadt um¬ her und nach den Eisenbahnhöfen, wo die Beamten sie den Reisenden in großen Sivßen aufdrängen. Portofrei — des „heilsamen Einflusses" wegen — zogen die Bote» einer besseren Zukunft im Laude umher und verbreiteten Schrecken und Entsetzen vor den Demagogen , so wie Liebe und Achtung für die wahre Freiheit bis in die entlegenste Hütte der Bauern, der bisher nur für sein Stückchen Kar- toffclland sorgte und den Staat höchstens als einen großen Herrn in fernen Ge- genden kannte, der entsetzlich viel Geld verbrauchte. Die erste Rolle unter diesen Zeichen der Zeit spielten natürlich die Enthüllungen aus der Feder der Herren von Bülow-Cnmmerow, die freilich nichts weiter enthüllten, als daß Tante Voß eine Allerweltsdame ist, so gemein wie der Weg von Eastcheap nach Se. Albans. Auch Harkort-Meusebach hat böse Erfahrungen gemacht und nicht verhindern können, daß allerlei Gauner auf seinen patriotischen Eifer speculirten. Ueberall tauchten Agenten des Centralwahlcomiti-s aus, von denen dieses nichts wußte, die sich aber unter seiner Aegide manch ein Sümmchen zusammenscharrten, um heilsam auf die Wahlen zu wirken, und im schlimmsten Falle wenigstens eine Zeitlang sorgenlos mnherbummeln konnten, auf Kosten der gutmüthigen Gläubi¬ ger. So der berüchtigte Damitz, der jetzt unter dieser Firma in Altpreußen Ge¬ schäfte macht, nachdem ihn hier in Berlin bekanntlich der ehrenfeste Fleischermeister Pieper mit einem Beilschlage von der Tribüne herab darniedergestreckt hat, — in derselben Weise, wie er zu Fischhansen mit seine» Ochsen zu verfahren pflegt. Indeß hat man sich trotz dieser unangenehmen Zwischenfälle über Wahlprogramme geeinigt. Die Rechte hat den Nachtheil, daß sie in zwei Fractionen gespalten worden ist, da ein kleiner Theil von Ultras das Arnimsche Glaubensbekenntniß zu dem seinigen gemacht hat und bei dem Patente vom 3. Februar anfangen will. Nach seiner Ansicht wird allen Bedürfnissen des Volkes durch eine Umgestaltung der Herrcncurie und durch unbedeutende Abänderungen im Wahlmodus für die Ständekammer genügt. Das starke rechte Centrum soll neulich in geheimer Sitzung über folgende Punkte einig geworden sein: 1) Alle Staatsgewalt geht vom Kö¬ nige aus, der einen beliebigen Theil derselben durch die Verfassung dem Volke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/194>, abgerufen am 22.12.2024.