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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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kannte ihn kaum wieder. Es sind jetzt fast neun Jahre, daß ich in London lebte.
In einem Cegar Divan machte ich die Bekanntschaft eines Franzosen, den ich Uner¬
fahrner anfangs für einen Marquis hielt, der aber nicht mehr und nicht weniger war
als Mr. Duflos, N-nerv t-üllvnr, une I^-to-lit. Derselbe besuchte mich häufig,
erzählte mir stets in wunderbarer Wichtigthuerei von seinen hohen Counaissancen
und schenkte mir eines Tages ein Buch, die I'iees Nitpcilvmn""""?"." Als ich
dieselben durchgelesen hatte, fragte er mich, ob ich Lust hätte, eine angenehme
Stellung in Frankreich zu erhalten. Ich erklärte mich dazu gar nicht abgeneigt;
und er versicherte mir sodann, ich wurde dieselbe unfehlbar bekommen, wenn ich
sei". Freund bleiben wolle. Fast gerührt über diese Zuvorkommenheit folgte ich
ihm sodann in ein großes Nestaurationslocal in Picadilly; hier fand ich 30-- 40
Personen um einen schlanken, jungen Mann von mittlerer Statur versammelt, der
sich dieselben der Reihe nach einzeln vorstellen ließ. Dieser junge Mann, dessen
Aeußeres nichts auszeichnete, als ein großer, melancholischer Blick und ein star¬
ker Bart, einfach in einen militärisch zugeknöpften Rock gekleidet, eine Reitpeitsche
in der Hand, war der Prinz Napoleon Louis und wir, die wir ihm vorgestellt
winden, waren die Männer der Expedition von Boulogne. Nachdem anch mir
ein huldvolles Wort des Kaisers in "po zugefallen war, machte ich, daß ich fort¬
kam, ich hatte damals nicht Lust, einem meiner Heimall) erbfeindlichen Namen
zur Gewinnung eines Thrones zu helfen. Ich vermied Herrn Duflos, was mir
sehr wohl gelang, denn Gott ist gerecht und London ist groß, und mit ihm daS
Schicksal, französischer Staatsgefangener zu werden. Der Präsident der Republik
Frankreich war demnach ein alter Bekannter von mir -- welch' ein Unterschied
zwischen damals in London und heut' in Paris! Prächtige Lakaien standen auf
der Treppe mit Windlichtern in den Händen, die Wachen präsentirten, greise Ge¬
nerale beugten tief das Haupt vor dem Ritter des Glücks, der in der Schweiz
Bürgermeister, in England Kronprätendent gewesen, und jetzt in Frankreich das
Oberhaupt einer Republik ist. Wenn er nur eine Ader seines großen Oheims
besäße! Aber nein, er ist flach, nicht genügend gebildet, geistesarm, trotz Hut
und Rock nimmermehr der Kaiser. Eine üble Gewohnheit hat er außerdem, die
den guten Parisern wahrhaft ein Greuel ist. Er betrinkt sich täglich regelmäßig
nach der Tafel, und dann, zu der Zeit, wo in Paris gerade das Leben beginnt
und die Diplomatie der Salons ihre Fahnen auszieht, ist gar nichts mehr mit
ihm anzufangen. Wie sich die Minister darüber ärgern! Der Bourgeois, der
in der That der mäßigste Genießling der Welt ist, sagt aber: O n'ost i"as ur"
I?rain:in" -- ii alone -- luido les eoclilin8 iMKlais! Die laute volee ist gar
nicht damit zufrieden, daß des Prinzen Nichte, die russische Fürstin Demidoff
die Honneurs im Salon der Präsidentschaft macht. Man liebt nicht die Russen --
und dann weiß die Lliromyuo scainlaleusv so viel zu erzählen. Genug davon,
aber es ist wahrhaft hier im Innern wie im Aeußeren eine heillose, entsetzliche


kannte ihn kaum wieder. Es sind jetzt fast neun Jahre, daß ich in London lebte.
In einem Cegar Divan machte ich die Bekanntschaft eines Franzosen, den ich Uner¬
fahrner anfangs für einen Marquis hielt, der aber nicht mehr und nicht weniger war
als Mr. Duflos, N-nerv t-üllvnr, une I^-to-lit. Derselbe besuchte mich häufig,
erzählte mir stets in wunderbarer Wichtigthuerei von seinen hohen Counaissancen
und schenkte mir eines Tages ein Buch, die I'iees Nitpcilvmn»»««?»." Als ich
dieselben durchgelesen hatte, fragte er mich, ob ich Lust hätte, eine angenehme
Stellung in Frankreich zu erhalten. Ich erklärte mich dazu gar nicht abgeneigt;
und er versicherte mir sodann, ich wurde dieselbe unfehlbar bekommen, wenn ich
sei». Freund bleiben wolle. Fast gerührt über diese Zuvorkommenheit folgte ich
ihm sodann in ein großes Nestaurationslocal in Picadilly; hier fand ich 30— 40
Personen um einen schlanken, jungen Mann von mittlerer Statur versammelt, der
sich dieselben der Reihe nach einzeln vorstellen ließ. Dieser junge Mann, dessen
Aeußeres nichts auszeichnete, als ein großer, melancholischer Blick und ein star¬
ker Bart, einfach in einen militärisch zugeknöpften Rock gekleidet, eine Reitpeitsche
in der Hand, war der Prinz Napoleon Louis und wir, die wir ihm vorgestellt
winden, waren die Männer der Expedition von Boulogne. Nachdem anch mir
ein huldvolles Wort des Kaisers in «po zugefallen war, machte ich, daß ich fort¬
kam, ich hatte damals nicht Lust, einem meiner Heimall) erbfeindlichen Namen
zur Gewinnung eines Thrones zu helfen. Ich vermied Herrn Duflos, was mir
sehr wohl gelang, denn Gott ist gerecht und London ist groß, und mit ihm daS
Schicksal, französischer Staatsgefangener zu werden. Der Präsident der Republik
Frankreich war demnach ein alter Bekannter von mir — welch' ein Unterschied
zwischen damals in London und heut' in Paris! Prächtige Lakaien standen auf
der Treppe mit Windlichtern in den Händen, die Wachen präsentirten, greise Ge¬
nerale beugten tief das Haupt vor dem Ritter des Glücks, der in der Schweiz
Bürgermeister, in England Kronprätendent gewesen, und jetzt in Frankreich das
Oberhaupt einer Republik ist. Wenn er nur eine Ader seines großen Oheims
besäße! Aber nein, er ist flach, nicht genügend gebildet, geistesarm, trotz Hut
und Rock nimmermehr der Kaiser. Eine üble Gewohnheit hat er außerdem, die
den guten Parisern wahrhaft ein Greuel ist. Er betrinkt sich täglich regelmäßig
nach der Tafel, und dann, zu der Zeit, wo in Paris gerade das Leben beginnt
und die Diplomatie der Salons ihre Fahnen auszieht, ist gar nichts mehr mit
ihm anzufangen. Wie sich die Minister darüber ärgern! Der Bourgeois, der
in der That der mäßigste Genießling der Welt ist, sagt aber: O n'ost i»as ur»
I?rain:in« — ii alone — luido les eoclilin8 iMKlais! Die laute volee ist gar
nicht damit zufrieden, daß des Prinzen Nichte, die russische Fürstin Demidoff
die Honneurs im Salon der Präsidentschaft macht. Man liebt nicht die Russen —
und dann weiß die Lliromyuo scainlaleusv so viel zu erzählen. Genug davon,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/186>, abgerufen am 22.12.2024.