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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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sten, Prinzen, Grafen, Barone; ein Theil der alten legitimen Aristokratie fand
seine Ehre darin, den Kammerherrnschlüssel von dem Sohn der Revolution anzu¬
nehmen. So gemein als möglich in seinem Ursprung, hatte dieser Fendaladel doch
den chevaleresken Anstrich, der großen Wafsenthaieu nie fehlen wird. Aber der
Notnrier wollte nnn seine Schätze und seinen sauer verdienten Adel auch genießen,
er ging mit den Finauzschwiudlern der Revolution Hand in Hand. Napoleon war
nur ein halber Franzose; der Kampf, der schwindelnde Reiz der Abenteuer war
sein Leben, während seine Vasallen ihre Zeit gedient hatten, um dann zu ruhen.
In Napoleon war die Unruhe der Zeit verkörpert, er ist eine große Erscheinung,
auch abgesehen von dem Umfang seiner Thaten. Seine Kreaturen aber wurden
gemein, sobald sie aufhörten, dem ungestümen Drange ihres Fürsten zu folgen.
Napoleon siel durch seine eigenen Schöpfungen, die der Unruhe satt waren, weil
sie genießen wollten.

Es kam die Restauration. Das neue Königthum war arm; seine Getreuen,
die mit ihm aus der Verbannung zurückkehrten, hatten ihre Besitzungen ebenfalls
verloren. Aber es brachte die alte" Traditionen mit, der Umschwung der öffent¬
lichen Meinung zu seinen Gunsten war schnell,, unmittelbar, wie es bei den Fran¬
zosen immer geht, die Staude wurden realistischer als die Krone selbst, und die
an die Emigrirten ausgezahlte Entschädigung, so wie die von Napoleon nur be-
gonnene Restauration der Kirche stellte die Aristokratie wieder her. Die dritte
seit Robespierre Fall! Der dritte gewaltsame Umschwung des Besitzes! Auch die
Laroche Jacqueleiu und was zu ihnen gehörte, stützten sich auf ritterliches Wesen,
Bravour und militärische Ehre, aber es war eine andere Ehre, als die des Kaiser¬
reichs: die Ehre der Loyalität, des abstracten Dienstes. Die cxelusivsten Cirkel
des Faubourg Se. Germain wurden nicht blos nach dem Alter des Stammbaumes,
sondern nach dem Grad der Treue bestimmt. Der Katechismus der Convenienz
erhielt neue Artikel, der Franzose fand sich bald darin. Am heftigsten wütheten
die bürgerlichen Advokaten, deren Talent man für die gute Sache benutzen wollte,
für den neumodischen Glanben; sie ersetzten durch Eifer das fehlende Vink. Es
wurde nun guter Ton, fromm zu sein; man ging mit Ausdauer in die Kirche,
man schickte die Söhne in die Jesniteuschnleu, mau küßte den Beichtvätern wieder
die Hand. Die galanten Abb<!s des alten Frankreich mußten wieder wenigstens eine
heilige Miene annehmen, sie mußten ein Anathem gegen die Ketzer und Theater
schleudern -- der große Talma war Jacobiner und Buonapartist gewesen --
sie mußten wieder über die Sünde, die Gnade und die Jungfrau Marie mit An¬
stand zu sprechen wissen. Ein zierlich eingcbnndcncs Meßbuch war ein unentbehr¬
liches Meubel jedes guten Salons.

Das war die Aristokratie der revolutionären und napoleonischen Zeit. Sie
war zu sehr voltairisch gebildet, um den Jesuiten auf jede verfängliche Frage be¬
quem Bescheid geben zu können. Im Eifer für den Dienst gab sie den alten


sten, Prinzen, Grafen, Barone; ein Theil der alten legitimen Aristokratie fand
seine Ehre darin, den Kammerherrnschlüssel von dem Sohn der Revolution anzu¬
nehmen. So gemein als möglich in seinem Ursprung, hatte dieser Fendaladel doch
den chevaleresken Anstrich, der großen Wafsenthaieu nie fehlen wird. Aber der
Notnrier wollte nnn seine Schätze und seinen sauer verdienten Adel auch genießen,
er ging mit den Finauzschwiudlern der Revolution Hand in Hand. Napoleon war
nur ein halber Franzose; der Kampf, der schwindelnde Reiz der Abenteuer war
sein Leben, während seine Vasallen ihre Zeit gedient hatten, um dann zu ruhen.
In Napoleon war die Unruhe der Zeit verkörpert, er ist eine große Erscheinung,
auch abgesehen von dem Umfang seiner Thaten. Seine Kreaturen aber wurden
gemein, sobald sie aufhörten, dem ungestümen Drange ihres Fürsten zu folgen.
Napoleon siel durch seine eigenen Schöpfungen, die der Unruhe satt waren, weil
sie genießen wollten.

Es kam die Restauration. Das neue Königthum war arm; seine Getreuen,
die mit ihm aus der Verbannung zurückkehrten, hatten ihre Besitzungen ebenfalls
verloren. Aber es brachte die alte» Traditionen mit, der Umschwung der öffent¬
lichen Meinung zu seinen Gunsten war schnell,, unmittelbar, wie es bei den Fran¬
zosen immer geht, die Staude wurden realistischer als die Krone selbst, und die
an die Emigrirten ausgezahlte Entschädigung, so wie die von Napoleon nur be-
gonnene Restauration der Kirche stellte die Aristokratie wieder her. Die dritte
seit Robespierre Fall! Der dritte gewaltsame Umschwung des Besitzes! Auch die
Laroche Jacqueleiu und was zu ihnen gehörte, stützten sich auf ritterliches Wesen,
Bravour und militärische Ehre, aber es war eine andere Ehre, als die des Kaiser¬
reichs: die Ehre der Loyalität, des abstracten Dienstes. Die cxelusivsten Cirkel
des Faubourg Se. Germain wurden nicht blos nach dem Alter des Stammbaumes,
sondern nach dem Grad der Treue bestimmt. Der Katechismus der Convenienz
erhielt neue Artikel, der Franzose fand sich bald darin. Am heftigsten wütheten
die bürgerlichen Advokaten, deren Talent man für die gute Sache benutzen wollte,
für den neumodischen Glanben; sie ersetzten durch Eifer das fehlende Vink. Es
wurde nun guter Ton, fromm zu sein; man ging mit Ausdauer in die Kirche,
man schickte die Söhne in die Jesniteuschnleu, mau küßte den Beichtvätern wieder
die Hand. Die galanten Abb<!s des alten Frankreich mußten wieder wenigstens eine
heilige Miene annehmen, sie mußten ein Anathem gegen die Ketzer und Theater
schleudern — der große Talma war Jacobiner und Buonapartist gewesen —
sie mußten wieder über die Sünde, die Gnade und die Jungfrau Marie mit An¬
stand zu sprechen wissen. Ein zierlich eingcbnndcncs Meßbuch war ein unentbehr¬
liches Meubel jedes guten Salons.

Das war die Aristokratie der revolutionären und napoleonischen Zeit. Sie
war zu sehr voltairisch gebildet, um den Jesuiten auf jede verfängliche Frage be¬
quem Bescheid geben zu können. Im Eifer für den Dienst gab sie den alten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/16>, abgerufen am 23.07.2024.