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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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nungen, einige müssige Interpellationen, abweisende Beantwortungen ähnlicher
MüssigkeitSfragen mit der bekannten bleiweißsnßcn Freundlichkeit Schmerlings, einige
Erinnerungen an Sitte und Anstand von Seite Beseler'ö (des Vicepräsidenten)
und schmerzliche Zurechtweisungen in gleichem Zwecke von Seite Bassermanns an
die linke Seite des Hauses, einige wirkungslos verpuffte Böllerschüsse aus diesem
Heerlager, -- tägliche Beseitigung Moritz Mohl'scher Anträge -- das war Alles.
Wenn man übrigens die Clubs der Centren an deu Abenden vor solchen Ver¬
handlungen besucht hatte, so konnte man den Bericht über jeden Sitzungsgang,
ausgenommen den Wortlaut etwaiger Reden und Zahlenangabe der Abstimmungs¬
ergebnisse, schon im Voraus niederschreiben. Es war da Alles vollkommen abge¬
macht; denn diese Clubs hatten die entschiedene Mehrheit und beschickten einan¬
der zu übereinstimmendem Handeln. Man hatte alle Proben mit angesehen und
dabei hinter den Coulissen gestanden, war also aller Ueberraschungen und Illusionen
für die Aufführung baar und ledig.

Da kam die Vetofrage. Hier waren nur die allgemeinen Umrisse, nicht die
Einzelheiten im Voraus zu bestimmen. Alle Seiten hatten sich zu entschiedenstem
Kampfe gerüstet; die bereits alle Gemüther beschäftigende Frage wegen Schmer¬
lings Rücktritt, wegen der östreichischen und der damit eugstens verschwisterten
Kaiserfrage hatte gleichzeitig die Aufregung auf allen Seiten erhöht. Es stand
ein Schlachttag zu erwarten. Und es ward ein scharfer Schlachttag. Nicht eine
von jenen Schlachten, wo von beiden Seiten viel ins Blaue hinein getrommelt
und geschossen wird; nein, einer von jenen, wo von beiden Seiten die besten
Kämpfer mit dem Bewußtsein der Geschichte, welche sie mitmachten, auf das Feld
hinaustreten, um Mann an Mann zu kämpfen, Fußbreit an Fußbreit zu ver¬
theidigen. Weder in der Form , noch im Inhalt des Systems stehe ich zur Lin¬
ken, so auch nicht in der Einzelfrage. Aber an diesem Tage hat sie für das be¬
dingte Veto so tapfer gefochten, daß es einer staatsmännischercu oder organischeren
Idee vollkommen würdig erscheinen konnte. Selbst Vogt's Frivolität buhlte uicht
um den Beifall für kecke Witze und logische Ultracvnsequcnzcn. Ich glaube darum
gern, daß es seinen politischen Freunden bis zum körperlichen Mitgefühl schmerz¬
lich war, ihn vom eisernen Vinke zerhackt und zerstückelt zu sehen. Und deshalb
lärmten sie sehr mit wüstem Geschrei in dessen Worte hinein. Selbst Vincke
glühte an diesem Tage und wie flüssiges Metall spritzte und sprudelte der Ge¬
dankenreichthum mit allen Consequenzen "des Rechtsbodeus" aus seinem Munde.
Da spritzte er denn auch ein Paar unvorsichtige Gluthstückcn hinüber in den Zun¬
der leicht erregbarer Persönlichkeiten. Daraus ist das unvollendete Duell mit
Jung geworden, welches die Parteijournalistcn jetzt bis zur Unkenntlichkeit beschmutzt
durch die Zeitungen zerren. Vinke ist bekanntlich kein angenehmer Redner; er
spricht auch viel zu rasch, als daß man seinen Worten so recht eigentlich Schritt
für Schritt folgen könnte. Erst wenn man sie 'geschrieben vor sich sieht, erkennt


19*

nungen, einige müssige Interpellationen, abweisende Beantwortungen ähnlicher
MüssigkeitSfragen mit der bekannten bleiweißsnßcn Freundlichkeit Schmerlings, einige
Erinnerungen an Sitte und Anstand von Seite Beseler'ö (des Vicepräsidenten)
und schmerzliche Zurechtweisungen in gleichem Zwecke von Seite Bassermanns an
die linke Seite des Hauses, einige wirkungslos verpuffte Böllerschüsse aus diesem
Heerlager, — tägliche Beseitigung Moritz Mohl'scher Anträge — das war Alles.
Wenn man übrigens die Clubs der Centren an deu Abenden vor solchen Ver¬
handlungen besucht hatte, so konnte man den Bericht über jeden Sitzungsgang,
ausgenommen den Wortlaut etwaiger Reden und Zahlenangabe der Abstimmungs¬
ergebnisse, schon im Voraus niederschreiben. Es war da Alles vollkommen abge¬
macht; denn diese Clubs hatten die entschiedene Mehrheit und beschickten einan¬
der zu übereinstimmendem Handeln. Man hatte alle Proben mit angesehen und
dabei hinter den Coulissen gestanden, war also aller Ueberraschungen und Illusionen
für die Aufführung baar und ledig.

Da kam die Vetofrage. Hier waren nur die allgemeinen Umrisse, nicht die
Einzelheiten im Voraus zu bestimmen. Alle Seiten hatten sich zu entschiedenstem
Kampfe gerüstet; die bereits alle Gemüther beschäftigende Frage wegen Schmer¬
lings Rücktritt, wegen der östreichischen und der damit eugstens verschwisterten
Kaiserfrage hatte gleichzeitig die Aufregung auf allen Seiten erhöht. Es stand
ein Schlachttag zu erwarten. Und es ward ein scharfer Schlachttag. Nicht eine
von jenen Schlachten, wo von beiden Seiten viel ins Blaue hinein getrommelt
und geschossen wird; nein, einer von jenen, wo von beiden Seiten die besten
Kämpfer mit dem Bewußtsein der Geschichte, welche sie mitmachten, auf das Feld
hinaustreten, um Mann an Mann zu kämpfen, Fußbreit an Fußbreit zu ver¬
theidigen. Weder in der Form , noch im Inhalt des Systems stehe ich zur Lin¬
ken, so auch nicht in der Einzelfrage. Aber an diesem Tage hat sie für das be¬
dingte Veto so tapfer gefochten, daß es einer staatsmännischercu oder organischeren
Idee vollkommen würdig erscheinen konnte. Selbst Vogt's Frivolität buhlte uicht
um den Beifall für kecke Witze und logische Ultracvnsequcnzcn. Ich glaube darum
gern, daß es seinen politischen Freunden bis zum körperlichen Mitgefühl schmerz¬
lich war, ihn vom eisernen Vinke zerhackt und zerstückelt zu sehen. Und deshalb
lärmten sie sehr mit wüstem Geschrei in dessen Worte hinein. Selbst Vincke
glühte an diesem Tage und wie flüssiges Metall spritzte und sprudelte der Ge¬
dankenreichthum mit allen Consequenzen „des Rechtsbodeus" aus seinem Munde.
Da spritzte er denn auch ein Paar unvorsichtige Gluthstückcn hinüber in den Zun¬
der leicht erregbarer Persönlichkeiten. Daraus ist das unvollendete Duell mit
Jung geworden, welches die Parteijournalistcn jetzt bis zur Unkenntlichkeit beschmutzt
durch die Zeitungen zerren. Vinke ist bekanntlich kein angenehmer Redner; er
spricht auch viel zu rasch, als daß man seinen Worten so recht eigentlich Schritt
für Schritt folgen könnte. Erst wenn man sie 'geschrieben vor sich sieht, erkennt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/155>, abgerufen am 23.12.2024.