Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.welcher das Schicksal vieler Menschenseelen, insbesondere das tragische Loos M e s- Es war am Abend des 29. Oktober. In den Vorstädten Leopoldstadt, Jä¬ In einem kleinen Zimmer des rothen Igels sehen wir eine Gruppe von männ¬ welcher das Schicksal vieler Menschenseelen, insbesondere das tragische Loos M e s- Es war am Abend des 29. Oktober. In den Vorstädten Leopoldstadt, Jä¬ In einem kleinen Zimmer des rothen Igels sehen wir eine Gruppe von männ¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278107"/> <p xml:id="ID_372" prev="#ID_371"> welcher das Schicksal vieler Menschenseelen, insbesondere das tragische Loos M e s-<lb/> scnhausers haftet.</p><lb/> <p xml:id="ID_373"> Es war am Abend des 29. Oktober. In den Vorstädten Leopoldstadt, Jä¬<lb/> gerzeile, Weißgärben, Crdbcrg, Landstraße bis zur Mieder lagen bereits die kai¬<lb/> serlichen Truppen. Eine Waffenruhe auf beiden Seiten war eingetreten, welche<lb/> uur durch einzelne Kanonenschüsse ans den entferntesten Linienposten unterbrochen<lb/> wurde. Die Ankunft der Ungarn schien endlich zur Wahrheit zu werden. Ra¬<lb/> keten und Leuchtkugeln hatten verabredeter Weise ihre Nähe angekündigt. Mes-<lb/> senhanser jedoch hatte bereits durch den Gemeinderath die Kapitulation der Stadt<lb/> abgeschlossen und ein großer Theil der Nationalgarde und Legion die Waffen<lb/> niedergelegt. Selbst im Studentencomitv waren die kräftigsten und ausdauernd¬<lb/> sten Mitglieder, welche bisher die Bewegungen geleitet, nicht mehr anwesend.<lb/> Dennoch hoffte noch der Theil der Legion, und die größere Masse der Arbei¬<lb/> ter und Freiwilligen, welche unter unmittelbarem Einflusse der „Dcmvkraten-<lb/> fnhrer" standen, ans einen Entsatz durch die Ungarn und auf einen möglichen<lb/> Sieg.</p><lb/> <p xml:id="ID_374" next="#ID_375"> In einem kleinen Zimmer des rothen Igels sehen wir eine Gruppe von männ¬<lb/> lichen und weiblichen Gestalten, welche dem Pinsel eines Malers einen würdigen<lb/> Vorwurf zu einem historischen Genregemälde bieten konnte. In einer Ecke lehnt<lb/> müde von der Aufregung und den Strapazen des Tages Julius Fröbel, das<lb/> schwärmerische Ange aus den Plafond geheftet, als suche er dort eine neue Com¬<lb/> bination für seine demokratischen Bestrebungen. Ein schwarzer Sammtrock hebt<lb/> seine dunkle Gestalt noch mehr hervor, der Stürmer mit der wallenden Feder hängt<lb/> an der Wand über seinem Kopfe. Neben ihm, unverdrossen plaudernd, sitzt eine<lb/> kleine hagere Frau, von sehr verblichnen Reizen. Es ist die Präsidentin des<lb/> „ersten Wiener demokratischen Frauenvereins", die aufopfernde Freundin des „Ra¬<lb/> dikalen." An sie schließen sich in bunter Reihenfolge: ein wilddrcinblickendcr, lant<lb/> scheidender Pole, ein Mitglied des demokratischen Vereins in Nationalgardenniform,<lb/> die imposante breitschultrige Figur Robert Blnms, das untersetzte Weibchen des<lb/> Oberkommandofeldadjntanten Fenneberg und ein flaumbärtiger Legionär mit einer<lb/> breiten weißen Orovuanzbiude über die Achsel. In einer andern Ecke bemerken<lb/> wir auch die romantische Figur eines Baron . . . ., in Nativnalgardennniform,<lb/> hohe schwarze Stulphandselmhe, langen Etoßdegen an der Seite, wie er hinter<lb/> einem graubloudeu Bocksbart eine unendliche Reihe von Flüchen und Vermale-<lb/> deiungen auf die Feigheit Mcssenhauscrs, auf den unglücklichen Ausgang des Kam¬<lb/> pfes mit tiefer Baßstimme hervorstoßt. Im Ganzen herrscht eine sehr gedrückte<lb/> Stimmung in der Gesellschaft. Plötzlich stürzt ein Offizier von der Legion in's<lb/> Zimmer und fragt, ob Fenneberg nicht hier wäre? Nein, aber er wird jeden<lb/> Augenblick erwartet, sagt die Frau des Gesuchten, was wünschen Sie von ihm?<lb/> Er muß Oberkvmmandant werden, Messcnhauser verräth uns, die Ungarn sind</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
welcher das Schicksal vieler Menschenseelen, insbesondere das tragische Loos M e s-
scnhausers haftet.
Es war am Abend des 29. Oktober. In den Vorstädten Leopoldstadt, Jä¬
gerzeile, Weißgärben, Crdbcrg, Landstraße bis zur Mieder lagen bereits die kai¬
serlichen Truppen. Eine Waffenruhe auf beiden Seiten war eingetreten, welche
uur durch einzelne Kanonenschüsse ans den entferntesten Linienposten unterbrochen
wurde. Die Ankunft der Ungarn schien endlich zur Wahrheit zu werden. Ra¬
keten und Leuchtkugeln hatten verabredeter Weise ihre Nähe angekündigt. Mes-
senhanser jedoch hatte bereits durch den Gemeinderath die Kapitulation der Stadt
abgeschlossen und ein großer Theil der Nationalgarde und Legion die Waffen
niedergelegt. Selbst im Studentencomitv waren die kräftigsten und ausdauernd¬
sten Mitglieder, welche bisher die Bewegungen geleitet, nicht mehr anwesend.
Dennoch hoffte noch der Theil der Legion, und die größere Masse der Arbei¬
ter und Freiwilligen, welche unter unmittelbarem Einflusse der „Dcmvkraten-
fnhrer" standen, ans einen Entsatz durch die Ungarn und auf einen möglichen
Sieg.
In einem kleinen Zimmer des rothen Igels sehen wir eine Gruppe von männ¬
lichen und weiblichen Gestalten, welche dem Pinsel eines Malers einen würdigen
Vorwurf zu einem historischen Genregemälde bieten konnte. In einer Ecke lehnt
müde von der Aufregung und den Strapazen des Tages Julius Fröbel, das
schwärmerische Ange aus den Plafond geheftet, als suche er dort eine neue Com¬
bination für seine demokratischen Bestrebungen. Ein schwarzer Sammtrock hebt
seine dunkle Gestalt noch mehr hervor, der Stürmer mit der wallenden Feder hängt
an der Wand über seinem Kopfe. Neben ihm, unverdrossen plaudernd, sitzt eine
kleine hagere Frau, von sehr verblichnen Reizen. Es ist die Präsidentin des
„ersten Wiener demokratischen Frauenvereins", die aufopfernde Freundin des „Ra¬
dikalen." An sie schließen sich in bunter Reihenfolge: ein wilddrcinblickendcr, lant
scheidender Pole, ein Mitglied des demokratischen Vereins in Nationalgardenniform,
die imposante breitschultrige Figur Robert Blnms, das untersetzte Weibchen des
Oberkommandofeldadjntanten Fenneberg und ein flaumbärtiger Legionär mit einer
breiten weißen Orovuanzbiude über die Achsel. In einer andern Ecke bemerken
wir auch die romantische Figur eines Baron . . . ., in Nativnalgardennniform,
hohe schwarze Stulphandselmhe, langen Etoßdegen an der Seite, wie er hinter
einem graubloudeu Bocksbart eine unendliche Reihe von Flüchen und Vermale-
deiungen auf die Feigheit Mcssenhauscrs, auf den unglücklichen Ausgang des Kam¬
pfes mit tiefer Baßstimme hervorstoßt. Im Ganzen herrscht eine sehr gedrückte
Stimmung in der Gesellschaft. Plötzlich stürzt ein Offizier von der Legion in's
Zimmer und fragt, ob Fenneberg nicht hier wäre? Nein, aber er wird jeden
Augenblick erwartet, sagt die Frau des Gesuchten, was wünschen Sie von ihm?
Er muß Oberkvmmandant werden, Messcnhauser verräth uns, die Ungarn sind
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