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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Benehmens", durch Kellucrhäude gezwungen, den "rothen Igel" verlassen mußten.
Nun, die ernstern und bittern Erfahrungen der nachkommenden Tage haben Viel
an dieser Romantik der Juugczecheu abgeschlcist und die tüchtige SlovitnsKil un-i,
sowie einige mit deutscher Wissenschaft und Cultur befreundete Landsleute wissen
dem kühnen Emporstreben des frisch erwachten Nationalbewußtseins eine solidere
und anständigere Richtung zu geben.

Als den Wortführer jener eben geschilderten Ultranationalen können wir Herrn
Hawliczek, den Redakteur der "Narvdni nowini" und Neichstagsdepntirteu bezeich¬
nen; hier im rothen Igel erkennen wir ihn sogleich an seinem hechtgrauen, roth
und weiß ausgelegten Schnürrock, an dem ausgeprägten Kalmuckengcsicht mit der
schicfabgedachtcn Stirne, den tiefliegenden dunklen Augen, den vortretende" Backen¬
knochen und dem trotzigen Schnmrbarte, so wie an den häufigen Schimpfworten,
an den uncivilisirten Geberden, mit welchen er seine heftigen Reden begleitet.
Freund Hawliczek ist ein Mann von Charakter, er mag nämlich unter gleichgc"
stimmten Landsleuten, in den Spalten seiner Zeitung, in größerer eleganter Ge¬
sellschaft oder in den rothen Bänken des Rcichstagssaaleö auftreten, überall und
immer wird er seine Naturwüchsigst, seine tiefen Nationalempfindungen, seine
Sympathien für die Kosaken am Ural, für die slavisch sprechenden Mongolen,
für die sich gegenseitig verzehrenden Wallachen, Serben, Bosnier u. s. f. an den
Tag legen. "Piff, pass, puff, mordet sie, brennet sie, gebt keinen Pardon!"
dies ist das Feldgeschrei, mit welchem Herr Hawliczek seine Jünger und Gläubi¬
gen in den "Na^enlrieg" sührt gegen die "Frankfurtaki", Magyaren, Italiener,
Skandinavier, Franzosen und gegen jede Nation, welche ihre Abkunft vom Stamme
der slavische" Linde zu legitimiren nicht im Stande ist. Uebrigens ist Herr Haw¬
liczek ein guter Junge und verzehrt nur einmal des Tages einen dentschen Bruder.

Ueberlassen wir ihn seinem patriotische" Eifer, mit welchem er böhmisch
Bier hinabschlürft und einige" jungen Fanatikern seiner Farbe Aufschlüsse über die
"Politik der Slaven" ertheilt; wenden wir uns an den andern Tisch gegenüber.
Hier haben wir die Matadoren der czcchischen Partei: die Herrn Palacky, Stro-
bach, Rieger nud Brauner. Der Erstere, berühmt durch seine historischen
Arbeiten und den bekannten Brief an den Fünfzigerausschuß, ist die eigentliche Trieb¬
feder der slavisch-östreichischen Politik, während die Herrn Rieger und Brau¬
ner die Zeiger an der Ncichötagsnhr bilden und Herr Trojan, ein Schlepp¬
träger der Palacky'schen Weisheit, oft zum großen Aerger seiner Partisanen die
große Glocke läutet, nud der Welt verkündet, wie weit das geheime Triebwerk
vorgerückt ist. Herrn Palacky's hagere Gestalt mit der blonden Perrücke, der per-
gamentartigen Gesichtsfarbe, der schwarzeiugefaßteu Brille läßt den gelehrten
Forscher nicht verkeimen, der zwischen den vergilbten Blättern der Archive und
von den Stammwurzeln der slavischen Sprachen sein geistiges Leben während der
Herrschaft des Absolutismus gefristet hat. Einen wohlthuenden Gegensatz zur etwas


Benehmens", durch Kellucrhäude gezwungen, den „rothen Igel" verlassen mußten.
Nun, die ernstern und bittern Erfahrungen der nachkommenden Tage haben Viel
an dieser Romantik der Juugczecheu abgeschlcist und die tüchtige SlovitnsKil un-i,
sowie einige mit deutscher Wissenschaft und Cultur befreundete Landsleute wissen
dem kühnen Emporstreben des frisch erwachten Nationalbewußtseins eine solidere
und anständigere Richtung zu geben.

Als den Wortführer jener eben geschilderten Ultranationalen können wir Herrn
Hawliczek, den Redakteur der „Narvdni nowini" und Neichstagsdepntirteu bezeich¬
nen; hier im rothen Igel erkennen wir ihn sogleich an seinem hechtgrauen, roth
und weiß ausgelegten Schnürrock, an dem ausgeprägten Kalmuckengcsicht mit der
schicfabgedachtcn Stirne, den tiefliegenden dunklen Augen, den vortretende» Backen¬
knochen und dem trotzigen Schnmrbarte, so wie an den häufigen Schimpfworten,
an den uncivilisirten Geberden, mit welchen er seine heftigen Reden begleitet.
Freund Hawliczek ist ein Mann von Charakter, er mag nämlich unter gleichgc«
stimmten Landsleuten, in den Spalten seiner Zeitung, in größerer eleganter Ge¬
sellschaft oder in den rothen Bänken des Rcichstagssaaleö auftreten, überall und
immer wird er seine Naturwüchsigst, seine tiefen Nationalempfindungen, seine
Sympathien für die Kosaken am Ural, für die slavisch sprechenden Mongolen,
für die sich gegenseitig verzehrenden Wallachen, Serben, Bosnier u. s. f. an den
Tag legen. „Piff, pass, puff, mordet sie, brennet sie, gebt keinen Pardon!"
dies ist das Feldgeschrei, mit welchem Herr Hawliczek seine Jünger und Gläubi¬
gen in den „Na^enlrieg" sührt gegen die „Frankfurtaki", Magyaren, Italiener,
Skandinavier, Franzosen und gegen jede Nation, welche ihre Abkunft vom Stamme
der slavische» Linde zu legitimiren nicht im Stande ist. Uebrigens ist Herr Haw¬
liczek ein guter Junge und verzehrt nur einmal des Tages einen dentschen Bruder.

Ueberlassen wir ihn seinem patriotische» Eifer, mit welchem er böhmisch
Bier hinabschlürft und einige» jungen Fanatikern seiner Farbe Aufschlüsse über die
„Politik der Slaven" ertheilt; wenden wir uns an den andern Tisch gegenüber.
Hier haben wir die Matadoren der czcchischen Partei: die Herrn Palacky, Stro-
bach, Rieger nud Brauner. Der Erstere, berühmt durch seine historischen
Arbeiten und den bekannten Brief an den Fünfzigerausschuß, ist die eigentliche Trieb¬
feder der slavisch-östreichischen Politik, während die Herrn Rieger und Brau¬
ner die Zeiger an der Ncichötagsnhr bilden und Herr Trojan, ein Schlepp¬
träger der Palacky'schen Weisheit, oft zum großen Aerger seiner Partisanen die
große Glocke läutet, nud der Welt verkündet, wie weit das geheime Triebwerk
vorgerückt ist. Herrn Palacky's hagere Gestalt mit der blonden Perrücke, der per-
gamentartigen Gesichtsfarbe, der schwarzeiugefaßteu Brille läßt den gelehrten
Forscher nicht verkeimen, der zwischen den vergilbten Blättern der Archive und
von den Stammwurzeln der slavischen Sprachen sein geistiges Leben während der
Herrschaft des Absolutismus gefristet hat. Einen wohlthuenden Gegensatz zur etwas


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/109>, abgerufen am 23.12.2024.