Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen staatsmännischen Kenntnisse zugetraut, um an einem Reichstage Theil zu neh¬
men, welchem die Ausarbeitung und Feststellung einer Verfassung für Oestreich
anheimgegeben ist. Später einmal, in einem gesetzgebenden Reichstage werde ich
vielleicht meine Kenntnisse im Handels- und Fabrikwesen gerne meinen Mitbür¬
gern als Deputirter zu Gebote stellen." Und diesem redlichen Manne wollte der
Reichstag im October gemeinschaftlich mit einem schlauen Bureaukraten die Exe¬
kutivgewalt ausschließlich übertragen. Hornbostl hat sich damals in offner Sitzung
den Reichstag gegenüber eben so offen und selbstbewußt über seine Fähigkeiten
ausgesprochen, wie er es beim Glase Wein seinem Freunde gegenüber gethan. --
Die Bülletins über die Annahme und Zurückweisung der Portefeuilles von Seite
der damit betrauten Notabilitäten, wurden in jenen Tagen beim rothen Igel am
sichersten mitgetheilt. Diese Restauration war also die "beste oder zuverlässigste
Quelle", aus welcher die Herren von der Feder ihre Mittheilungen für die Leser
im Jnn- und Auslande schöpften. Da die Burg der Ahnen damals vom Hofe,
der in Insbruck weilte, verlassen war, so zog sich das ganze geheime Getriebe
des "Negieruugmacheuö" auf den offnen Tummelplatz eines von den Vertretern
der Volkssouveränität besuchten Speisehauses. Der "Weltgeist", in dessen Namen
das Ministerium Doblhoff zu regieren gedachte, that sich, unter uns gesagt, sehr
viel im rothen Igel bei einem guten Glase Wein oder böhmisch Bier zu gut.
Kein Wunder, daß eine Regierung nach solchen Inspirationen etwas aus dem
Gleise kam.

Betrachten wir einmal die Helden "vom rothen Igel," auf welche sich nach
einander das demokratische Ministerium zu stützen suchte.

Die Vorfechter der radikalen Presse, welche sich bereits seit dem Mai in diesen
Salons heimisch gemacht hatten, können wir in der Zeit ihrer Thatenlust, im
October, näher kennen lernen. Lassen wir sie einstweilen an ihren kleinen Tisch¬
chen ruhig über den Anschluß an Deutschland, über die Verhandlungen des Reichs¬
tags, über das Programm des neuen Ministeriums und über die Hoffnungen der
Demokratie debattiren. Oder sollten einige Leser die Lust verspüren, alle Phrasen,
welche in den Volksversammlungen und ans den Barrikaden, in den demokratischen
Manifesten und Flugblättern in wiederholten Auflagen ausgekramt worden sind,
nochmals zu höre", so gönnen wir ihnen gerne ein Plätzchen an diesen runden
Tischchen. Uns scheint es interessanter, einige polnische Deputirte näher zu be¬
trachten, welche in einem entferntem Zimmer zu Tafel sitzen. Dieser riesiggroße
blonde Schnurrbart, welcher ein ruhiges etwas viereckiges Gesicht in zwei gleiche
Hälften theilt, deren oberer Theil aus einem a la elmwis geschornen Kopfe, einer
senkrecht hohen Stirne und verständigen blauen Augen besteht, gehört dem der-
einstigen Vizepräsidenten der Reichsversammlung' I)>. Franz Smolka. Seine männ¬
liche Haltung, bedächtige Sprechweise und ruhige Anschauung der politischen Ver-
Hältnisse hat ihm mit Recht eine gusgezeichnete Stellung unter seinen Landsleuten
*


13

gen staatsmännischen Kenntnisse zugetraut, um an einem Reichstage Theil zu neh¬
men, welchem die Ausarbeitung und Feststellung einer Verfassung für Oestreich
anheimgegeben ist. Später einmal, in einem gesetzgebenden Reichstage werde ich
vielleicht meine Kenntnisse im Handels- und Fabrikwesen gerne meinen Mitbür¬
gern als Deputirter zu Gebote stellen." Und diesem redlichen Manne wollte der
Reichstag im October gemeinschaftlich mit einem schlauen Bureaukraten die Exe¬
kutivgewalt ausschließlich übertragen. Hornbostl hat sich damals in offner Sitzung
den Reichstag gegenüber eben so offen und selbstbewußt über seine Fähigkeiten
ausgesprochen, wie er es beim Glase Wein seinem Freunde gegenüber gethan. —
Die Bülletins über die Annahme und Zurückweisung der Portefeuilles von Seite
der damit betrauten Notabilitäten, wurden in jenen Tagen beim rothen Igel am
sichersten mitgetheilt. Diese Restauration war also die „beste oder zuverlässigste
Quelle", aus welcher die Herren von der Feder ihre Mittheilungen für die Leser
im Jnn- und Auslande schöpften. Da die Burg der Ahnen damals vom Hofe,
der in Insbruck weilte, verlassen war, so zog sich das ganze geheime Getriebe
des „Negieruugmacheuö" auf den offnen Tummelplatz eines von den Vertretern
der Volkssouveränität besuchten Speisehauses. Der „Weltgeist", in dessen Namen
das Ministerium Doblhoff zu regieren gedachte, that sich, unter uns gesagt, sehr
viel im rothen Igel bei einem guten Glase Wein oder böhmisch Bier zu gut.
Kein Wunder, daß eine Regierung nach solchen Inspirationen etwas aus dem
Gleise kam.

Betrachten wir einmal die Helden „vom rothen Igel," auf welche sich nach
einander das demokratische Ministerium zu stützen suchte.

Die Vorfechter der radikalen Presse, welche sich bereits seit dem Mai in diesen
Salons heimisch gemacht hatten, können wir in der Zeit ihrer Thatenlust, im
October, näher kennen lernen. Lassen wir sie einstweilen an ihren kleinen Tisch¬
chen ruhig über den Anschluß an Deutschland, über die Verhandlungen des Reichs¬
tags, über das Programm des neuen Ministeriums und über die Hoffnungen der
Demokratie debattiren. Oder sollten einige Leser die Lust verspüren, alle Phrasen,
welche in den Volksversammlungen und ans den Barrikaden, in den demokratischen
Manifesten und Flugblättern in wiederholten Auflagen ausgekramt worden sind,
nochmals zu höre», so gönnen wir ihnen gerne ein Plätzchen an diesen runden
Tischchen. Uns scheint es interessanter, einige polnische Deputirte näher zu be¬
trachten, welche in einem entferntem Zimmer zu Tafel sitzen. Dieser riesiggroße
blonde Schnurrbart, welcher ein ruhiges etwas viereckiges Gesicht in zwei gleiche
Hälften theilt, deren oberer Theil aus einem a la elmwis geschornen Kopfe, einer
senkrecht hohen Stirne und verständigen blauen Augen besteht, gehört dem der-
einstigen Vizepräsidenten der Reichsversammlung' I)>. Franz Smolka. Seine männ¬
liche Haltung, bedächtige Sprechweise und ruhige Anschauung der politischen Ver-
Hältnisse hat ihm mit Recht eine gusgezeichnete Stellung unter seinen Landsleuten
*


13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278095"/>
            <p xml:id="ID_340" prev="#ID_339"> gen staatsmännischen Kenntnisse zugetraut, um an einem Reichstage Theil zu neh¬<lb/>
men, welchem die Ausarbeitung und Feststellung einer Verfassung für Oestreich<lb/>
anheimgegeben ist. Später einmal, in einem gesetzgebenden Reichstage werde ich<lb/>
vielleicht meine Kenntnisse im Handels- und Fabrikwesen gerne meinen Mitbür¬<lb/>
gern als Deputirter zu Gebote stellen." Und diesem redlichen Manne wollte der<lb/>
Reichstag im October gemeinschaftlich mit einem schlauen Bureaukraten die Exe¬<lb/>
kutivgewalt ausschließlich übertragen. Hornbostl hat sich damals in offner Sitzung<lb/>
den Reichstag gegenüber eben so offen und selbstbewußt über seine Fähigkeiten<lb/>
ausgesprochen, wie er es beim Glase Wein seinem Freunde gegenüber gethan. &#x2014;<lb/>
Die Bülletins über die Annahme und Zurückweisung der Portefeuilles von Seite<lb/>
der damit betrauten Notabilitäten, wurden in jenen Tagen beim rothen Igel am<lb/>
sichersten mitgetheilt. Diese Restauration war also die &#x201E;beste oder zuverlässigste<lb/>
Quelle", aus welcher die Herren von der Feder ihre Mittheilungen für die Leser<lb/>
im Jnn- und Auslande schöpften. Da die Burg der Ahnen damals vom Hofe,<lb/>
der in Insbruck weilte, verlassen war, so zog sich das ganze geheime Getriebe<lb/>
des &#x201E;Negieruugmacheuö" auf den offnen Tummelplatz eines von den Vertretern<lb/>
der Volkssouveränität besuchten Speisehauses. Der &#x201E;Weltgeist", in dessen Namen<lb/>
das Ministerium Doblhoff zu regieren gedachte, that sich, unter uns gesagt, sehr<lb/>
viel im rothen Igel bei einem guten Glase Wein oder böhmisch Bier zu gut.<lb/>
Kein Wunder, daß eine Regierung nach solchen Inspirationen etwas aus dem<lb/>
Gleise kam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_341"> Betrachten wir einmal die Helden &#x201E;vom rothen Igel," auf welche sich nach<lb/>
einander das demokratische Ministerium zu stützen suchte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_342" next="#ID_343"> Die Vorfechter der radikalen Presse, welche sich bereits seit dem Mai in diesen<lb/>
Salons heimisch gemacht hatten, können wir in der Zeit ihrer Thatenlust, im<lb/>
October, näher kennen lernen. Lassen wir sie einstweilen an ihren kleinen Tisch¬<lb/>
chen ruhig über den Anschluß an Deutschland, über die Verhandlungen des Reichs¬<lb/>
tags, über das Programm des neuen Ministeriums und über die Hoffnungen der<lb/>
Demokratie debattiren. Oder sollten einige Leser die Lust verspüren, alle Phrasen,<lb/>
welche in den Volksversammlungen und ans den Barrikaden, in den demokratischen<lb/>
Manifesten und Flugblättern in wiederholten Auflagen ausgekramt worden sind,<lb/>
nochmals zu höre», so gönnen wir ihnen gerne ein Plätzchen an diesen runden<lb/>
Tischchen. Uns scheint es interessanter, einige polnische Deputirte näher zu be¬<lb/>
trachten, welche in einem entferntem Zimmer zu Tafel sitzen. Dieser riesiggroße<lb/>
blonde Schnurrbart, welcher ein ruhiges etwas viereckiges Gesicht in zwei gleiche<lb/>
Hälften theilt, deren oberer Theil aus einem a la elmwis geschornen Kopfe, einer<lb/>
senkrecht hohen Stirne und verständigen blauen Augen besteht, gehört dem der-<lb/>
einstigen Vizepräsidenten der Reichsversammlung' I)&gt;. Franz Smolka. Seine männ¬<lb/>
liche Haltung, bedächtige Sprechweise und ruhige Anschauung der politischen Ver-<lb/>
Hältnisse hat ihm mit Recht eine gusgezeichnete Stellung unter seinen Landsleuten<lb/>
*</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 13</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] gen staatsmännischen Kenntnisse zugetraut, um an einem Reichstage Theil zu neh¬ men, welchem die Ausarbeitung und Feststellung einer Verfassung für Oestreich anheimgegeben ist. Später einmal, in einem gesetzgebenden Reichstage werde ich vielleicht meine Kenntnisse im Handels- und Fabrikwesen gerne meinen Mitbür¬ gern als Deputirter zu Gebote stellen." Und diesem redlichen Manne wollte der Reichstag im October gemeinschaftlich mit einem schlauen Bureaukraten die Exe¬ kutivgewalt ausschließlich übertragen. Hornbostl hat sich damals in offner Sitzung den Reichstag gegenüber eben so offen und selbstbewußt über seine Fähigkeiten ausgesprochen, wie er es beim Glase Wein seinem Freunde gegenüber gethan. — Die Bülletins über die Annahme und Zurückweisung der Portefeuilles von Seite der damit betrauten Notabilitäten, wurden in jenen Tagen beim rothen Igel am sichersten mitgetheilt. Diese Restauration war also die „beste oder zuverlässigste Quelle", aus welcher die Herren von der Feder ihre Mittheilungen für die Leser im Jnn- und Auslande schöpften. Da die Burg der Ahnen damals vom Hofe, der in Insbruck weilte, verlassen war, so zog sich das ganze geheime Getriebe des „Negieruugmacheuö" auf den offnen Tummelplatz eines von den Vertretern der Volkssouveränität besuchten Speisehauses. Der „Weltgeist", in dessen Namen das Ministerium Doblhoff zu regieren gedachte, that sich, unter uns gesagt, sehr viel im rothen Igel bei einem guten Glase Wein oder böhmisch Bier zu gut. Kein Wunder, daß eine Regierung nach solchen Inspirationen etwas aus dem Gleise kam. Betrachten wir einmal die Helden „vom rothen Igel," auf welche sich nach einander das demokratische Ministerium zu stützen suchte. Die Vorfechter der radikalen Presse, welche sich bereits seit dem Mai in diesen Salons heimisch gemacht hatten, können wir in der Zeit ihrer Thatenlust, im October, näher kennen lernen. Lassen wir sie einstweilen an ihren kleinen Tisch¬ chen ruhig über den Anschluß an Deutschland, über die Verhandlungen des Reichs¬ tags, über das Programm des neuen Ministeriums und über die Hoffnungen der Demokratie debattiren. Oder sollten einige Leser die Lust verspüren, alle Phrasen, welche in den Volksversammlungen und ans den Barrikaden, in den demokratischen Manifesten und Flugblättern in wiederholten Auflagen ausgekramt worden sind, nochmals zu höre», so gönnen wir ihnen gerne ein Plätzchen an diesen runden Tischchen. Uns scheint es interessanter, einige polnische Deputirte näher zu be¬ trachten, welche in einem entferntem Zimmer zu Tafel sitzen. Dieser riesiggroße blonde Schnurrbart, welcher ein ruhiges etwas viereckiges Gesicht in zwei gleiche Hälften theilt, deren oberer Theil aus einem a la elmwis geschornen Kopfe, einer senkrecht hohen Stirne und verständigen blauen Augen besteht, gehört dem der- einstigen Vizepräsidenten der Reichsversammlung' I)>. Franz Smolka. Seine männ¬ liche Haltung, bedächtige Sprechweise und ruhige Anschauung der politischen Ver- Hältnisse hat ihm mit Recht eine gusgezeichnete Stellung unter seinen Landsleuten * 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/107
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/107>, abgerufen am 22.12.2024.