Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.lingsblatt, der allgemeinen Zeitung, die er allein unter allen Zeitblättern regel¬ er ist ein Gefangener desselben Volkes, mit dessen Ketten er so lange, so gemüth¬ Wer erklärt die Tragödie, daß der deutscheste der deutschen Fürsten zuerst lingsblatt, der allgemeinen Zeitung, die er allein unter allen Zeitblättern regel¬ er ist ein Gefangener desselben Volkes, mit dessen Ketten er so lange, so gemüth¬ Wer erklärt die Tragödie, daß der deutscheste der deutschen Fürsten zuerst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0530" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277960"/> <p xml:id="ID_1791" prev="#ID_1790" next="#ID_1792"> lingsblatt, der allgemeinen Zeitung, die er allein unter allen Zeitblättern regel¬<lb/> mäßig las, nennen hörte, — der fromme Ludwig, der so lange Jahre den Hir¬<lb/> tenstab gemüthlicher Bevormundung seinem Volte vvranstragen ließ — der gerechte<lb/> und beharrliche Ludwig, wie er sich selbst nannte, der die Canouisation so leicht¬<lb/> sinnig verscherzen konnte, der trotz aller VerfassnngSparagraphen absolute König<lb/> !>.'»,- excollizncv, obwohl mit eigenen Worten den Absolutismus perhorrescirend,<lb/> der unerreichte Selbstherrscher in den Harmoniesphären der Kunst und Liebe,<lb/> der unfehlbare Seher, welcher vom Throne steigend seinen verwaisten Künstlern,<lb/> die er weit über seine geldhexcnden Staatsmänner hinaus liebte, tröstend zuruft:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1792" prev="#ID_1791"> er ist ein Gefangener desselben Volkes, mit dessen Ketten er so lange, so gemüth¬<lb/> lich gespielt. Er darf uicht nach dem Lande seiner Sehnsucht ziehen, nicht nach<lb/> dem Lande, wo die Freiheit in den Männerherzen lodert und auf den Spitzen<lb/> der himmelanstrebenden Berge wie eine ewige Mahnung und Verheißung glüht.<lb/> Er soll und muß bleiben, damit er dnrch seine Gefangenschaft den Thron stützen<lb/> helfe, von dessen morschem Wesen der königliche Sänger träumt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1793" next="#ID_1794"> Wer erklärt die Tragödie, daß der deutscheste der deutschen Fürsten zuerst<lb/> vom Thron niederstieg, um ein Vvlksgefangener zu werden, wer erklärt es, daß<lb/> der König, der am Anfang des neuen deutscheu Evangeliums, in der schleswig-<lb/> holstcinischen Sache das entscheidende Wort gesprochen (?) die Ausgänge der Bewegung<lb/> nur noch wie eine tiefe, unsägliche, unheimliche Ironie auf das Königthum finden?<lb/> München, die tonangebende Hauptstadt deö schönen Baiernlandes ist nicht mehr<lb/> gemüthlich, nicht mehr unpolitisch, uicht mehr fromm in der alten Weise. Was wir<lb/> sein können, wenn wir wollen, die moralische Erhebung der Februar-, die poli¬<lb/> tische der Märztage hat es bewiesen. Es war ein großer, ein schöner Anlauf;<lb/> die Form ward seitdem in Stücke geschlagen, die am Boden, umherliegen und<lb/> wenn man sie anschlägt, natürlich nur Mißtöne von sich geben; allein der Geist<lb/> ist noch nicht erloschen. Sorget nicht ihr Männer im Norden! Euer Spott<lb/> war noch groß, als hier schon die Kunde der Wiedergeburt geschlagen hatte. Die<lb/> Elemente liegen eben wieder zerstreuet, das thut aber nichts; wenn sie nur da<lb/> sind. Mau hatte so lange über die politische Indifferenz unseres Volkes die Ach¬<lb/> seln gezuckt; am Eude erhob sich das Volk ohne Leitung von selber, das Volk,<lb/> welches die schmachvollste Bcvonunudnng in religiöser und politischer Beziehung<lb/> zu tragen gehabt hatte, und zeigte mehr Takt und mehr Gesctzesscheu als an man¬<lb/> chem anderen Orte, wo die Intelligenz schon »I» ovo geherrscht haben sollte. Al¬<lb/> les nahm hier einen natürlichen Entwickelungsgang. Zuerst flatterten die bayri¬<lb/> schen Fahnen und Abzeichen, dann wurden die deutschen mit Freundlichkeit auf-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0530]
lingsblatt, der allgemeinen Zeitung, die er allein unter allen Zeitblättern regel¬
mäßig las, nennen hörte, — der fromme Ludwig, der so lange Jahre den Hir¬
tenstab gemüthlicher Bevormundung seinem Volte vvranstragen ließ — der gerechte
und beharrliche Ludwig, wie er sich selbst nannte, der die Canouisation so leicht¬
sinnig verscherzen konnte, der trotz aller VerfassnngSparagraphen absolute König
!>.'»,- excollizncv, obwohl mit eigenen Worten den Absolutismus perhorrescirend,
der unerreichte Selbstherrscher in den Harmoniesphären der Kunst und Liebe,
der unfehlbare Seher, welcher vom Throne steigend seinen verwaisten Künstlern,
die er weit über seine geldhexcnden Staatsmänner hinaus liebte, tröstend zuruft:
er ist ein Gefangener desselben Volkes, mit dessen Ketten er so lange, so gemüth¬
lich gespielt. Er darf uicht nach dem Lande seiner Sehnsucht ziehen, nicht nach
dem Lande, wo die Freiheit in den Männerherzen lodert und auf den Spitzen
der himmelanstrebenden Berge wie eine ewige Mahnung und Verheißung glüht.
Er soll und muß bleiben, damit er dnrch seine Gefangenschaft den Thron stützen
helfe, von dessen morschem Wesen der königliche Sänger träumt.
Wer erklärt die Tragödie, daß der deutscheste der deutschen Fürsten zuerst
vom Thron niederstieg, um ein Vvlksgefangener zu werden, wer erklärt es, daß
der König, der am Anfang des neuen deutscheu Evangeliums, in der schleswig-
holstcinischen Sache das entscheidende Wort gesprochen (?) die Ausgänge der Bewegung
nur noch wie eine tiefe, unsägliche, unheimliche Ironie auf das Königthum finden?
München, die tonangebende Hauptstadt deö schönen Baiernlandes ist nicht mehr
gemüthlich, nicht mehr unpolitisch, uicht mehr fromm in der alten Weise. Was wir
sein können, wenn wir wollen, die moralische Erhebung der Februar-, die poli¬
tische der Märztage hat es bewiesen. Es war ein großer, ein schöner Anlauf;
die Form ward seitdem in Stücke geschlagen, die am Boden, umherliegen und
wenn man sie anschlägt, natürlich nur Mißtöne von sich geben; allein der Geist
ist noch nicht erloschen. Sorget nicht ihr Männer im Norden! Euer Spott
war noch groß, als hier schon die Kunde der Wiedergeburt geschlagen hatte. Die
Elemente liegen eben wieder zerstreuet, das thut aber nichts; wenn sie nur da
sind. Mau hatte so lange über die politische Indifferenz unseres Volkes die Ach¬
seln gezuckt; am Eude erhob sich das Volk ohne Leitung von selber, das Volk,
welches die schmachvollste Bcvonunudnng in religiöser und politischer Beziehung
zu tragen gehabt hatte, und zeigte mehr Takt und mehr Gesctzesscheu als an man¬
chem anderen Orte, wo die Intelligenz schon »I» ovo geherrscht haben sollte. Al¬
les nahm hier einen natürlichen Entwickelungsgang. Zuerst flatterten die bayri¬
schen Fahnen und Abzeichen, dann wurden die deutschen mit Freundlichkeit auf-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |