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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Mitgliedern, der aus seiner Mitte wieder die 24 Stadtverordneten zu wählen hat.
Es war vorauszusehen, daß sich dabei ein Wahlkampf zwischen dem couservativ-
liberalen und demokratischen Element, welches die Bourgeoisie in sich enthält, oder
wie sich ein hiesiges Blatt ausdrückte, zwischeu dem Patriziat und Ki einbürgert!) um
herausstellen würde; und es ward auch in der That die Agitation von beiden
Parteien auf das lebhafteste betrieben. Da bei der sehr bedeutenden Anzahl der
bei der Bürgerausschußwahl abgegebenen Stimmzettel, wovon ein jeder wieder eine
so große Menge von Namen enthält, das Scrntinium viel Zeit wegnimmt, so ist
das Resultat der Wahl noch nicht bekannt. Wie wenig aber die Humanität, welche
die Grundlage, der Ausgangspunkt einer jeden berechtigten Revolution ist, noch
bei uns ins Volk und namentlich in die Bürgerschaft gedrungen ist, dafür gibt
die anfängliche Ausschließung der Jsraeliten von dem Wahlakte einen deutlichen
Beweis. Erst das Landespräsidium mußte die Bürgerschaft auf die Unzulässigkeit
eines solches Schrittes aufmerksam machen. Die bisher vorgenommenen Wahlen
der Nationalgarde sehen zum Theil wie eine Demonstration gegen die Hradschiuer
Untersuchungen aus oder wie ein kleiner Versuch, die revrganisirte Nationalgarde
für künftige Fälle denjenigen Männern zur Verfügung zu stellen, welche in der
Zeit der Pfingstwoche nur mit der kampflustigen Jngend, und dem eigennützigen
Proletariat gehen wollten. Unter den gewählten Offizieren erscheint auch ne¬
ben dem Abenteurer Villani der Plebejer Fastcr. Ein paar würdige Diosku¬
ren! In den meisten Bezirken entschied man sich durch Stimmenmehrheit für das
böhmische Commando. -- Das Corps "Swornvst", die berühmte Dounerlegiou
der Urczechen, von der schon viel Dichtung und Wahrheit erzählt wurde, tauchte
wieder im Verlauf dieser Woche in ihrem bekannten Costüm ans und erschien auf
Straßen und Promenaden, um ihre Existenz zu beweisen. Ihre letzten Schicksale
waren folgende: Gleich nach der Pfingstwoche wurde sie von dem damaligen Gn-
bernial-Präsidenten Thun als aufgehoben und das Tragen der Corpszeichen als
verboten erklärt. Dagegen protcsürten die Sworuvster beim Ministerium des In¬
nern, erhielten aber die Antwort, daß die Aushebung wegen der nachtheiligen
Wirkung der Sondercorps nicht zurückgenommen werden könne. Auf diese Mini-
sterialerklärnng folgte ein abermaliger Nekursprotest der Sworuvst, ,nit sie bat
um eine bestimmte Rücknahme des Thun'sehen Dekrets und um Wiederherstellung
des Corps bis zur definitiven Neorganifirnng der Nationalgarde. Das Mi-,
nisterinm erklärte hierauf, daß es die Aufhebung der Swornvst keineswegs im
Thun'schen Sinne als Strafert'euntniß, sondern nnr als eine in administrativer
Beziehung nothwendige Maßregel verstanden wissen wolle. Daher sei die Präsi¬
dialentscheidung sammt dem Verbote, die Sworuost-Abzeichen zu tragen, dermal
unwirksam; aber vou der Auflösung des Corps bei der provisorischen Reor¬
ganisation der Nationalgarde könne nicht abgegangen werden. Mit dieser Entschci-


Mitgliedern, der aus seiner Mitte wieder die 24 Stadtverordneten zu wählen hat.
Es war vorauszusehen, daß sich dabei ein Wahlkampf zwischen dem couservativ-
liberalen und demokratischen Element, welches die Bourgeoisie in sich enthält, oder
wie sich ein hiesiges Blatt ausdrückte, zwischeu dem Patriziat und Ki einbürgert!) um
herausstellen würde; und es ward auch in der That die Agitation von beiden
Parteien auf das lebhafteste betrieben. Da bei der sehr bedeutenden Anzahl der
bei der Bürgerausschußwahl abgegebenen Stimmzettel, wovon ein jeder wieder eine
so große Menge von Namen enthält, das Scrntinium viel Zeit wegnimmt, so ist
das Resultat der Wahl noch nicht bekannt. Wie wenig aber die Humanität, welche
die Grundlage, der Ausgangspunkt einer jeden berechtigten Revolution ist, noch
bei uns ins Volk und namentlich in die Bürgerschaft gedrungen ist, dafür gibt
die anfängliche Ausschließung der Jsraeliten von dem Wahlakte einen deutlichen
Beweis. Erst das Landespräsidium mußte die Bürgerschaft auf die Unzulässigkeit
eines solches Schrittes aufmerksam machen. Die bisher vorgenommenen Wahlen
der Nationalgarde sehen zum Theil wie eine Demonstration gegen die Hradschiuer
Untersuchungen aus oder wie ein kleiner Versuch, die revrganisirte Nationalgarde
für künftige Fälle denjenigen Männern zur Verfügung zu stellen, welche in der
Zeit der Pfingstwoche nur mit der kampflustigen Jngend, und dem eigennützigen
Proletariat gehen wollten. Unter den gewählten Offizieren erscheint auch ne¬
ben dem Abenteurer Villani der Plebejer Fastcr. Ein paar würdige Diosku¬
ren! In den meisten Bezirken entschied man sich durch Stimmenmehrheit für das
böhmische Commando. — Das Corps „Swornvst", die berühmte Dounerlegiou
der Urczechen, von der schon viel Dichtung und Wahrheit erzählt wurde, tauchte
wieder im Verlauf dieser Woche in ihrem bekannten Costüm ans und erschien auf
Straßen und Promenaden, um ihre Existenz zu beweisen. Ihre letzten Schicksale
waren folgende: Gleich nach der Pfingstwoche wurde sie von dem damaligen Gn-
bernial-Präsidenten Thun als aufgehoben und das Tragen der Corpszeichen als
verboten erklärt. Dagegen protcsürten die Sworuvster beim Ministerium des In¬
nern, erhielten aber die Antwort, daß die Aushebung wegen der nachtheiligen
Wirkung der Sondercorps nicht zurückgenommen werden könne. Auf diese Mini-
sterialerklärnng folgte ein abermaliger Nekursprotest der Sworuvst, ,nit sie bat
um eine bestimmte Rücknahme des Thun'sehen Dekrets und um Wiederherstellung
des Corps bis zur definitiven Neorganifirnng der Nationalgarde. Das Mi-,
nisterinm erklärte hierauf, daß es die Aufhebung der Swornvst keineswegs im
Thun'schen Sinne als Strafert'euntniß, sondern nnr als eine in administrativer
Beziehung nothwendige Maßregel verstanden wissen wolle. Daher sei die Präsi¬
dialentscheidung sammt dem Verbote, die Sworuost-Abzeichen zu tragen, dermal
unwirksam; aber vou der Auflösung des Corps bei der provisorischen Reor¬
ganisation der Nationalgarde könne nicht abgegangen werden. Mit dieser Entschci-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/440>, abgerufen am 28.09.2024.