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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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licher Weise scheint die Versammlung entschlossen, lieber von ihrer früheren heroi¬
schen Entscheidung abzusehen, als auch von dieser Seite England, Frankreich und
Niederland zugleich gegen sich in Waffen zu rufen.

Am meisten droht der italienische Handel. Die Thorheit der östreichischen
Negierung hat die Vermittelung Frankreichs von sich gewiesen, allein noch ist es
nicht zu spät! es gilt von Seiten der Centralgewalt, hier schnell und mit dem
ganzen Ansehn ihrer "Souveränität" einzuschreiten. Es gilt hier: entweder! oder!
Oestreich muß im Interesse Deutschlands einen Frieden, der ihm den Besitz des
venetianischen Gebiets garantirt, eingehen, oder es erkläre seine definitive Tren¬
nung vom Reich. In einen europäischen Krieg, der die Barbarei aufs Neue
heraufbeschwören müßte, können wir uns nicht einlassen.




Uevne der deutschen Presse.

1. Deutsche Zeitung. Bei französischen und englischen Zeitungen weiß man
von vornherein, daß wenigstens der politische Theil vom Standpunkt einer bestimmten
Partei aufgefaßt ist, daß die Art der Erzählung wie die eingestreute Reflexion aus einen
bestimmten Zweck hinleitct. Bei den deutschen Blättern hat sich das auch nach Ein¬
führung der Preßfreiheit weniger herausgestellt. Mit Ausnahme der radicalen Blätter
und einiger wenigen ultramontanen merkt man in der Regel von der Redaction nicht
viel, es kreuzen sich die verschiedenartigsten Standpunkte wunderbar durch einander, je¬
der Korrespondent hat seinen eignen Kopf, und der leitende Geist flüchtet sich wohl
oder übel in einen allgemeinen räsonnircnden Artikel. Kein Wunder, da bei der un¬
endlich geringen politischen Vorbildung das Publikum nur begierig darnach ist, soviel
Stoff als möglich einzusaugen.

Die deutsche Zeitung ist die einzige, die ich davon ausnehme. Auch die radika¬
len Blätter haben größtentheils nur den Schein einer festen Haltung; sie reißen vom
Regierungsrath und Capitain herauf Alles herunter, ohne Unterschied der Personen,
und loben alles, was die Blouse trägt; das ist einfach und wohlfeil, aber nicht be¬
sonders förderlich. Der deutschen Zeitung könnte man höchstens den Vorwurf machen,
daß die Redaktion zu strenge ist; während bei einer wesentlich referireuden Zeitung,
wie der Augsburger Allgemeinen, die Vortrefflichkeit der Darstellung den Mangel eines
festen Princips vertuscht, absorbirt hier der Rigorismus des Princips beinahe alle Dar¬
stellung. Man sieht den Berichten an, daß sie sich nicht frei bewegen; sie sind nur
eine Beispielsammlung, um die in den leitenden Artikeln niedergelegten Regeln zu be¬
stätigen.

Aber eben dieser eisernen Consequenz wegen imponirt sie auch ihren Gegnern.
Me einer für Deutschland unerhörten Festigkeit und Selbstständigkeit tritt sie nach der
Revolution für dieselben Principien gegen die Revolution in die Schranken, die sie
damals gegen den Absolutismus verfocht. Der gediegene, starke politische Charakter
ihres Herausgebers Gervinus ist der unerschütterliche Stamm, um den das Blätter-
Werk der Ereignisse spielt, vom Winde bewegt, ohne daß auch nur die leiseste Regung


licher Weise scheint die Versammlung entschlossen, lieber von ihrer früheren heroi¬
schen Entscheidung abzusehen, als auch von dieser Seite England, Frankreich und
Niederland zugleich gegen sich in Waffen zu rufen.

Am meisten droht der italienische Handel. Die Thorheit der östreichischen
Negierung hat die Vermittelung Frankreichs von sich gewiesen, allein noch ist es
nicht zu spät! es gilt von Seiten der Centralgewalt, hier schnell und mit dem
ganzen Ansehn ihrer „Souveränität" einzuschreiten. Es gilt hier: entweder! oder!
Oestreich muß im Interesse Deutschlands einen Frieden, der ihm den Besitz des
venetianischen Gebiets garantirt, eingehen, oder es erkläre seine definitive Tren¬
nung vom Reich. In einen europäischen Krieg, der die Barbarei aufs Neue
heraufbeschwören müßte, können wir uns nicht einlassen.




Uevne der deutschen Presse.

1. Deutsche Zeitung. Bei französischen und englischen Zeitungen weiß man
von vornherein, daß wenigstens der politische Theil vom Standpunkt einer bestimmten
Partei aufgefaßt ist, daß die Art der Erzählung wie die eingestreute Reflexion aus einen
bestimmten Zweck hinleitct. Bei den deutschen Blättern hat sich das auch nach Ein¬
führung der Preßfreiheit weniger herausgestellt. Mit Ausnahme der radicalen Blätter
und einiger wenigen ultramontanen merkt man in der Regel von der Redaction nicht
viel, es kreuzen sich die verschiedenartigsten Standpunkte wunderbar durch einander, je¬
der Korrespondent hat seinen eignen Kopf, und der leitende Geist flüchtet sich wohl
oder übel in einen allgemeinen räsonnircnden Artikel. Kein Wunder, da bei der un¬
endlich geringen politischen Vorbildung das Publikum nur begierig darnach ist, soviel
Stoff als möglich einzusaugen.

Die deutsche Zeitung ist die einzige, die ich davon ausnehme. Auch die radika¬
len Blätter haben größtentheils nur den Schein einer festen Haltung; sie reißen vom
Regierungsrath und Capitain herauf Alles herunter, ohne Unterschied der Personen,
und loben alles, was die Blouse trägt; das ist einfach und wohlfeil, aber nicht be¬
sonders förderlich. Der deutschen Zeitung könnte man höchstens den Vorwurf machen,
daß die Redaktion zu strenge ist; während bei einer wesentlich referireuden Zeitung,
wie der Augsburger Allgemeinen, die Vortrefflichkeit der Darstellung den Mangel eines
festen Princips vertuscht, absorbirt hier der Rigorismus des Princips beinahe alle Dar¬
stellung. Man sieht den Berichten an, daß sie sich nicht frei bewegen; sie sind nur
eine Beispielsammlung, um die in den leitenden Artikeln niedergelegten Regeln zu be¬
stätigen.

Aber eben dieser eisernen Consequenz wegen imponirt sie auch ihren Gegnern.
Me einer für Deutschland unerhörten Festigkeit und Selbstständigkeit tritt sie nach der
Revolution für dieselben Principien gegen die Revolution in die Schranken, die sie
damals gegen den Absolutismus verfocht. Der gediegene, starke politische Charakter
ihres Herausgebers Gervinus ist der unerschütterliche Stamm, um den das Blätter-
Werk der Ereignisse spielt, vom Winde bewegt, ohne daß auch nur die leiseste Regung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/420>, abgerufen am 29.06.2024.