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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Staat Oestreich, d. l). der rechtlich organisirte Volkswille, die Abschaffung des
Cölibats, die Einziehung der Kirchengüter, die Aufhebung der päpstlichen Supre¬
matie u. s. w. feststellt, so ist er in seinem Recht, und die Kirche darf nichts da¬
gegen einwenden.

Mit dein Verhältniß der Kirche zur Schule hat es noch eine andere Be-
wandniß. Der Staat hat in der Regel nur dem das Recht zuerkannt, eine öf¬
fentliche Schule zu halte", der die wissenschaftliche und sittliche Befähigung dazu
aufweist. Ob dieses Recht von den Gemeinden, den Bezirken oder der Central-
gewalt ausgeübt wird -- das ist eine Frage, die nicht principiell, sondern nach
den bestimmten Umständen zu entscheiden ist. Der Staat hat den Zweck, Cultur
zu verbreiten. Der preußische Staat darf es z. V. den Kassuben nicht zugestehn,
nach ihrem Sinne Schule zu halte", weil er damit die Barbarei fixiren würde;
er darf es nicht i" die Freiheit des Einzelnen stelle", ob er seine Kinder in die
Schule schicken oder wild aufwachsen lassen wolle.

Ueberhaupt sind die Radikalen mit ihrem Stichwort rasch bei der Hand, und
sehr vergnügt dnrch eine einseitige Entscheidung sich die Sache vom Halse zu schieben.
Das Frankfurter Parlament und die Radikalen voraus, spreche", jedem deutschen
Bürger das freie Znzugrecht zu. Wahrscheinlich werden sie nun auch die Auto¬
nomie der Gemeinden dekretiven, ohne sich dadurch irren zu lassen, daß beide
Rechte in diamentralem Gegensatz stehn. Die Abstraction ist das Einfachste, weil
sie das Sinnloseste ist; die echte Politik ist nicht einfach, weil sie organisch, nicht
abstract, eben weil sie -- concret ist.


Aeußere Politik.

Die Bedingungen des zwischen Preußen und Dänemark unter Garantie Schwe¬
dens abgeschlossenen siebenmonatlichen Waffenstillstandes sind nun officiell bekannt
gemacht. Wie wir vermuthet, hat die Centra'lgewalt dem König vou Preußen
die Unterhandlung überlassen. Es ist nun die Frage, ob die Centralgewalt
und die Nationalversammlung die Ratification eines Vertrages beanstanden wer¬
de", der zum Theil von ihr selber ausgegangen ist. In dem Inhalt ist Eini¬
ges bedenklich.

Die Frist von sieben Monate" ist rein zu Gunsten der Dänen. Im Winter
gilt ihre Blokade nichts, während die Besetzung Jütlands anch im Winter ohne
Schwierigkeiten stattfinden kaun. Die gegenseitigen Entschädigungen, die Räumung
der Herzogthümer u. s. w. siud in der Ordnung. Am bedenklichsten ist aber der
Artikel 7.'


"Die beiden contrahirenden Theile sind übereingekommen, für die Dauer
des Waffenstillstandes eine gemeinsame Regierung für die beiden Herzogthümer
einzusetzen, welche ihre Amtshandlungen im Namen Sr. Maj. des Königs von
Dänemark in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, und

Staat Oestreich, d. l). der rechtlich organisirte Volkswille, die Abschaffung des
Cölibats, die Einziehung der Kirchengüter, die Aufhebung der päpstlichen Supre¬
matie u. s. w. feststellt, so ist er in seinem Recht, und die Kirche darf nichts da¬
gegen einwenden.

Mit dein Verhältniß der Kirche zur Schule hat es noch eine andere Be-
wandniß. Der Staat hat in der Regel nur dem das Recht zuerkannt, eine öf¬
fentliche Schule zu halte», der die wissenschaftliche und sittliche Befähigung dazu
aufweist. Ob dieses Recht von den Gemeinden, den Bezirken oder der Central-
gewalt ausgeübt wird — das ist eine Frage, die nicht principiell, sondern nach
den bestimmten Umständen zu entscheiden ist. Der Staat hat den Zweck, Cultur
zu verbreiten. Der preußische Staat darf es z. V. den Kassuben nicht zugestehn,
nach ihrem Sinne Schule zu halte», weil er damit die Barbarei fixiren würde;
er darf es nicht i» die Freiheit des Einzelnen stelle», ob er seine Kinder in die
Schule schicken oder wild aufwachsen lassen wolle.

Ueberhaupt sind die Radikalen mit ihrem Stichwort rasch bei der Hand, und
sehr vergnügt dnrch eine einseitige Entscheidung sich die Sache vom Halse zu schieben.
Das Frankfurter Parlament und die Radikalen voraus, spreche«, jedem deutschen
Bürger das freie Znzugrecht zu. Wahrscheinlich werden sie nun auch die Auto¬
nomie der Gemeinden dekretiven, ohne sich dadurch irren zu lassen, daß beide
Rechte in diamentralem Gegensatz stehn. Die Abstraction ist das Einfachste, weil
sie das Sinnloseste ist; die echte Politik ist nicht einfach, weil sie organisch, nicht
abstract, eben weil sie — concret ist.


Aeußere Politik.

Die Bedingungen des zwischen Preußen und Dänemark unter Garantie Schwe¬
dens abgeschlossenen siebenmonatlichen Waffenstillstandes sind nun officiell bekannt
gemacht. Wie wir vermuthet, hat die Centra'lgewalt dem König vou Preußen
die Unterhandlung überlassen. Es ist nun die Frage, ob die Centralgewalt
und die Nationalversammlung die Ratification eines Vertrages beanstanden wer¬
de», der zum Theil von ihr selber ausgegangen ist. In dem Inhalt ist Eini¬
ges bedenklich.

Die Frist von sieben Monate» ist rein zu Gunsten der Dänen. Im Winter
gilt ihre Blokade nichts, während die Besetzung Jütlands anch im Winter ohne
Schwierigkeiten stattfinden kaun. Die gegenseitigen Entschädigungen, die Räumung
der Herzogthümer u. s. w. siud in der Ordnung. Am bedenklichsten ist aber der
Artikel 7.'


„Die beiden contrahirenden Theile sind übereingekommen, für die Dauer
des Waffenstillstandes eine gemeinsame Regierung für die beiden Herzogthümer
einzusetzen, welche ihre Amtshandlungen im Namen Sr. Maj. des Königs von
Dänemark in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, und

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[0418] Staat Oestreich, d. l). der rechtlich organisirte Volkswille, die Abschaffung des Cölibats, die Einziehung der Kirchengüter, die Aufhebung der päpstlichen Supre¬ matie u. s. w. feststellt, so ist er in seinem Recht, und die Kirche darf nichts da¬ gegen einwenden. Mit dein Verhältniß der Kirche zur Schule hat es noch eine andere Be- wandniß. Der Staat hat in der Regel nur dem das Recht zuerkannt, eine öf¬ fentliche Schule zu halte», der die wissenschaftliche und sittliche Befähigung dazu aufweist. Ob dieses Recht von den Gemeinden, den Bezirken oder der Central- gewalt ausgeübt wird — das ist eine Frage, die nicht principiell, sondern nach den bestimmten Umständen zu entscheiden ist. Der Staat hat den Zweck, Cultur zu verbreiten. Der preußische Staat darf es z. V. den Kassuben nicht zugestehn, nach ihrem Sinne Schule zu halte», weil er damit die Barbarei fixiren würde; er darf es nicht i» die Freiheit des Einzelnen stelle», ob er seine Kinder in die Schule schicken oder wild aufwachsen lassen wolle. Ueberhaupt sind die Radikalen mit ihrem Stichwort rasch bei der Hand, und sehr vergnügt dnrch eine einseitige Entscheidung sich die Sache vom Halse zu schieben. Das Frankfurter Parlament und die Radikalen voraus, spreche«, jedem deutschen Bürger das freie Znzugrecht zu. Wahrscheinlich werden sie nun auch die Auto¬ nomie der Gemeinden dekretiven, ohne sich dadurch irren zu lassen, daß beide Rechte in diamentralem Gegensatz stehn. Die Abstraction ist das Einfachste, weil sie das Sinnloseste ist; die echte Politik ist nicht einfach, weil sie organisch, nicht abstract, eben weil sie — concret ist. Aeußere Politik. Die Bedingungen des zwischen Preußen und Dänemark unter Garantie Schwe¬ dens abgeschlossenen siebenmonatlichen Waffenstillstandes sind nun officiell bekannt gemacht. Wie wir vermuthet, hat die Centra'lgewalt dem König vou Preußen die Unterhandlung überlassen. Es ist nun die Frage, ob die Centralgewalt und die Nationalversammlung die Ratification eines Vertrages beanstanden wer¬ de», der zum Theil von ihr selber ausgegangen ist. In dem Inhalt ist Eini¬ ges bedenklich. Die Frist von sieben Monate» ist rein zu Gunsten der Dänen. Im Winter gilt ihre Blokade nichts, während die Besetzung Jütlands anch im Winter ohne Schwierigkeiten stattfinden kaun. Die gegenseitigen Entschädigungen, die Räumung der Herzogthümer u. s. w. siud in der Ordnung. Am bedenklichsten ist aber der Artikel 7.' „Die beiden contrahirenden Theile sind übereingekommen, für die Dauer des Waffenstillstandes eine gemeinsame Regierung für die beiden Herzogthümer einzusetzen, welche ihre Amtshandlungen im Namen Sr. Maj. des Königs von Dänemark in Ihrer Eigenschaft als Herzog von Schleswig und Holstein, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/418>, abgerufen am 29.06.2024.