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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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vereinigten Königreichen Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen. 6) Jeder Theil der
auf diese Weise getrennten Monarchie übernimmt einen angemessenen Theil der
Staatsschulden. 7) Der Kaiser erhält aus jedem Theil der Monarchie eine Ci¬
villiste; seine Regierungsrechte übt in Ungarn wie in Galizien in seinem Namen der
Vicekönig ans. Die Regierung zu Pesth wie die zu Lemberg ist unabhängig von
dem Wiener Ministerium. Kriegshilfe und sonstige Unterstützung hat der eine
Theil dem andern nur soviel zu leisten, als es in seinem freien Willen liegt.

Wenn nun gleichzeitig die ungarische Regierung der deutschen und slavischen
Nation eine vollkommene Freiheit ihrer Sprache -- in Verwaltung, Gericht und
Schule garantirte, wenn sie nur verlangte, daß aus dem Reichstag zu Pabst magy-
risch gesprochen wird; wenn Jellaczicz einsieht, daß das Aufgehen Deutsch-Oest¬
reichs in Deutschland wirklich erfolgt; wenn Radetzky sowie Wrangel zum Neichs-
feldherreu erhoben würde, so wäre es vielleicht möglich, daß auf diese Weise
eine friedliche Ausgleichung , stattfände. Um darüber auch nur eine entfernte An¬
sicht zu haben, müßte man sich über die Verhältnisse in Ungarn, Kroatien und
Siebenbürgen einen bestimmteren Begriff verschaffen, als ihn die Einwohner die¬
ser Länder selbst zu haben scheinen.

Schon einen solchen Gesetzvorschlag vorzulegen, bedarf es eines heroischen
Entschlusses. Ist mau dessen nicht fähig, so ergreife man entschieden den entge¬
gengesetzten; jeder Mittelweg führt hier unausbleiblich zum Verderben.


Die Kirchenfrage in Frankfurt.

Die Verhandlungen über das Verhältniß der Kirche zum Staat legen einer-,
seits ein schönes Zeugniß ab für die in Frankfurt versammelten Talente: fast je¬
der Redner sprach wie ein Buch, mit Gefühl, Witz und Einsicht; sie sprechen
aber auch für den gesunden Sinn der Majorität, die ganz richtig entschieden hat.
Die Commission war davon ausgegangen, die offenkundiger Mißbräuche, welche
mit der Einmischung des Staates in die religiösen Angelegenheiten verbunden wa¬
ren, abzustellen; sie verlangte, daß der Staat bei der Ertheilung seiner Rechte
nicht darnach fragen sollte, ob Jemand an den dreieinigen Gott oder an einen
andern glaubt. Die ultramontane Partei argumentirte nun so. "Wir Deutschen
müssen überall das Princip voranstellen. Jene Bestimmungen involviren aber ein
Princip, nämlich sie setzen voraus, der Staat soll sich in religiöse Angelegenhei¬
ten nicht mischen. Wer soll sie denn betreiben? Natürlich die Kirche! Also,
sprecht es entschieden aus, was ihr nur im Stillen voraussetzt. Unabhängig¬
keit und Autonomie der Kirche!" Die linke Seite, die sich mit ihren sonstigen
Gegnern verband, dachte im Stillen so: "Die Kirche ist eine Gesellschaft zu be¬
stimmten Zwecken; wenn wir dem Staat das Recht einräumen, sich hineinzumi¬
schen, so müssen wir es ihm am Ende in Bezug auf eine andere Gesellschaft zu-
gestehn -- die republikanischen Vereine nämlich, die ja mit der Zeit auch dahin


vereinigten Königreichen Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen. 6) Jeder Theil der
auf diese Weise getrennten Monarchie übernimmt einen angemessenen Theil der
Staatsschulden. 7) Der Kaiser erhält aus jedem Theil der Monarchie eine Ci¬
villiste; seine Regierungsrechte übt in Ungarn wie in Galizien in seinem Namen der
Vicekönig ans. Die Regierung zu Pesth wie die zu Lemberg ist unabhängig von
dem Wiener Ministerium. Kriegshilfe und sonstige Unterstützung hat der eine
Theil dem andern nur soviel zu leisten, als es in seinem freien Willen liegt.

Wenn nun gleichzeitig die ungarische Regierung der deutschen und slavischen
Nation eine vollkommene Freiheit ihrer Sprache — in Verwaltung, Gericht und
Schule garantirte, wenn sie nur verlangte, daß aus dem Reichstag zu Pabst magy-
risch gesprochen wird; wenn Jellaczicz einsieht, daß das Aufgehen Deutsch-Oest¬
reichs in Deutschland wirklich erfolgt; wenn Radetzky sowie Wrangel zum Neichs-
feldherreu erhoben würde, so wäre es vielleicht möglich, daß auf diese Weise
eine friedliche Ausgleichung , stattfände. Um darüber auch nur eine entfernte An¬
sicht zu haben, müßte man sich über die Verhältnisse in Ungarn, Kroatien und
Siebenbürgen einen bestimmteren Begriff verschaffen, als ihn die Einwohner die¬
ser Länder selbst zu haben scheinen.

Schon einen solchen Gesetzvorschlag vorzulegen, bedarf es eines heroischen
Entschlusses. Ist mau dessen nicht fähig, so ergreife man entschieden den entge¬
gengesetzten; jeder Mittelweg führt hier unausbleiblich zum Verderben.


Die Kirchenfrage in Frankfurt.

Die Verhandlungen über das Verhältniß der Kirche zum Staat legen einer-,
seits ein schönes Zeugniß ab für die in Frankfurt versammelten Talente: fast je¬
der Redner sprach wie ein Buch, mit Gefühl, Witz und Einsicht; sie sprechen
aber auch für den gesunden Sinn der Majorität, die ganz richtig entschieden hat.
Die Commission war davon ausgegangen, die offenkundiger Mißbräuche, welche
mit der Einmischung des Staates in die religiösen Angelegenheiten verbunden wa¬
ren, abzustellen; sie verlangte, daß der Staat bei der Ertheilung seiner Rechte
nicht darnach fragen sollte, ob Jemand an den dreieinigen Gott oder an einen
andern glaubt. Die ultramontane Partei argumentirte nun so. „Wir Deutschen
müssen überall das Princip voranstellen. Jene Bestimmungen involviren aber ein
Princip, nämlich sie setzen voraus, der Staat soll sich in religiöse Angelegenhei¬
ten nicht mischen. Wer soll sie denn betreiben? Natürlich die Kirche! Also,
sprecht es entschieden aus, was ihr nur im Stillen voraussetzt. Unabhängig¬
keit und Autonomie der Kirche!" Die linke Seite, die sich mit ihren sonstigen
Gegnern verband, dachte im Stillen so: „Die Kirche ist eine Gesellschaft zu be¬
stimmten Zwecken; wenn wir dem Staat das Recht einräumen, sich hineinzumi¬
schen, so müssen wir es ihm am Ende in Bezug auf eine andere Gesellschaft zu-
gestehn — die republikanischen Vereine nämlich, die ja mit der Zeit auch dahin


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[0416] vereinigten Königreichen Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen. 6) Jeder Theil der auf diese Weise getrennten Monarchie übernimmt einen angemessenen Theil der Staatsschulden. 7) Der Kaiser erhält aus jedem Theil der Monarchie eine Ci¬ villiste; seine Regierungsrechte übt in Ungarn wie in Galizien in seinem Namen der Vicekönig ans. Die Regierung zu Pesth wie die zu Lemberg ist unabhängig von dem Wiener Ministerium. Kriegshilfe und sonstige Unterstützung hat der eine Theil dem andern nur soviel zu leisten, als es in seinem freien Willen liegt. Wenn nun gleichzeitig die ungarische Regierung der deutschen und slavischen Nation eine vollkommene Freiheit ihrer Sprache — in Verwaltung, Gericht und Schule garantirte, wenn sie nur verlangte, daß aus dem Reichstag zu Pabst magy- risch gesprochen wird; wenn Jellaczicz einsieht, daß das Aufgehen Deutsch-Oest¬ reichs in Deutschland wirklich erfolgt; wenn Radetzky sowie Wrangel zum Neichs- feldherreu erhoben würde, so wäre es vielleicht möglich, daß auf diese Weise eine friedliche Ausgleichung , stattfände. Um darüber auch nur eine entfernte An¬ sicht zu haben, müßte man sich über die Verhältnisse in Ungarn, Kroatien und Siebenbürgen einen bestimmteren Begriff verschaffen, als ihn die Einwohner die¬ ser Länder selbst zu haben scheinen. Schon einen solchen Gesetzvorschlag vorzulegen, bedarf es eines heroischen Entschlusses. Ist mau dessen nicht fähig, so ergreife man entschieden den entge¬ gengesetzten; jeder Mittelweg führt hier unausbleiblich zum Verderben. Die Kirchenfrage in Frankfurt. Die Verhandlungen über das Verhältniß der Kirche zum Staat legen einer-, seits ein schönes Zeugniß ab für die in Frankfurt versammelten Talente: fast je¬ der Redner sprach wie ein Buch, mit Gefühl, Witz und Einsicht; sie sprechen aber auch für den gesunden Sinn der Majorität, die ganz richtig entschieden hat. Die Commission war davon ausgegangen, die offenkundiger Mißbräuche, welche mit der Einmischung des Staates in die religiösen Angelegenheiten verbunden wa¬ ren, abzustellen; sie verlangte, daß der Staat bei der Ertheilung seiner Rechte nicht darnach fragen sollte, ob Jemand an den dreieinigen Gott oder an einen andern glaubt. Die ultramontane Partei argumentirte nun so. „Wir Deutschen müssen überall das Princip voranstellen. Jene Bestimmungen involviren aber ein Princip, nämlich sie setzen voraus, der Staat soll sich in religiöse Angelegenhei¬ ten nicht mischen. Wer soll sie denn betreiben? Natürlich die Kirche! Also, sprecht es entschieden aus, was ihr nur im Stillen voraussetzt. Unabhängig¬ keit und Autonomie der Kirche!" Die linke Seite, die sich mit ihren sonstigen Gegnern verband, dachte im Stillen so: „Die Kirche ist eine Gesellschaft zu be¬ stimmten Zwecken; wenn wir dem Staat das Recht einräumen, sich hineinzumi¬ schen, so müssen wir es ihm am Ende in Bezug auf eine andere Gesellschaft zu- gestehn — die republikanischen Vereine nämlich, die ja mit der Zeit auch dahin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/416>, abgerufen am 29.06.2024.