Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.T a g e b u es. '.. ,, ' An die östreichischen Soldaten in der Lombardei. (Von einem Wiener Bürger.) Hoffentlich werdet ihr min bald aufbrechen, um unter Sang und Klang, das Kurz heraus, der Teufel will Unkraut unter den Waizen säen; man sucht Militär ") Die Volkssouveränität.
T a g e b u es. '.. ,, ' An die östreichischen Soldaten in der Lombardei. (Von einem Wiener Bürger.) Hoffentlich werdet ihr min bald aufbrechen, um unter Sang und Klang, das Kurz heraus, der Teufel will Unkraut unter den Waizen säen; man sucht Militär ») Die Volkssouveränität.
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T a g e b u es.
'.. ,, '
An die östreichischen Soldaten in der Lombardei.
(Von einem Wiener Bürger.)
Hoffentlich werdet ihr min bald aufbrechen, um unter Sang und Klang, das
schmucke Eichenlaub am Tschako, euere Winterquartiere in der Heimath zu beziehen,
sür deren Wohlfahrt und Ehre ihr so rühmlich gestritten habt. Ehe ihr den ersehnten
Rückmarsch antretet, möcht ich euch ein Wort im Vertrauen sagen. Die Armeebefehle
und Proclamationen, die vor der Front bei Wachtparaden und andern Gelegenheiten
verlesen werden, pflegen euch über Wien nicht viel zu melden, außer daß unser Kaiser
jetzt ein constitutioneller heißt. Was euch dagegen durch die dritte Hand, in Gestalt
von Ausrufer, Liedern und Jeremiaden geistreicher Offiziere zukommt, fließt nicht aus
der lautersten Quelle. Mochte doch ein glücklicher Zufall irgend einem Wiener Frei¬
willigen, der sich die Zeitungen noch nicht abgewöhnt hat, dies bedrückte Vlättchen in
die Hände spielen, damit er seinen Kameraden beim Wachtfeuer getreulich erzählen
kann, was darauf steht. Also hört, Gefreite, Feldwebel und Gemeine; auch für Major
rind Lieutenant dürste sich hier manches Wort finden, das zu beherzigen ist.
Kurz heraus, der Teufel will Unkraut unter den Waizen säen; man sucht Militär
And Civil mit einander zu entzweien. Eueren Kameraden, die bei uns in Garnison
liegen, kann man Nichts vormachen, denn sie sehn mit eigenen Augen, wie's steht.
Aber mit Euch in der Fremde ist es anders. Hier in Wien also verbreitet man ge¬
flissentlich, daß bei der Armee in Italien die furchtbarste Erbitterung gegen uns herr¬
sche. Woher eure Unzufriedenheit mit den Staatsangelegenheiten kommen soll, versteh
ich freilich nicht, da ihr schwerlich Zeit haben könnt, die Verhandlungen unseres Reichs¬
tages mit Aufmerksamkeit zu lesen; eben so wenig werdet ihr an der Etsch und am
Mincio durchschaut haben, welche Bewandtniß es mit der Hin- und Herreise des Kai¬
sers hatte. Dieselben Leute, welche den kleinen Kindern in Wien mit dem Zorn der
Armee drohen, dieselben sind es, welche jenen Zorn erst anfachen möchten. Man hat
uns bei euch verklagt, man sagt euch, wir wirthschafteten ärger als Heiden und Türken,
wir wären grade so Feinde des Kaisers, wie die Wälschen, mit denen ihr zu thun
habt. Ein Offizier in Prag hat sogar in Vers und Reim Prophezeiht, daß die Armee
kommen müsse, über Wien „Gericht" zu halten und „den gestohlenen Zepter") zu dre-
») Die Volkssouveränität.
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