Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

doch, daß man so viel falsche Urtheile darüber lesen muß? Im Ganzen wird man
die Bemerkung richtig finden, daß wie der Handel das Papiergeld, so der Acker¬
bau den Metallwerth des Silbergeldes vorzieht, und daß bei gesundem Finanz¬
leben eines Staates das Verhältniß des Papiergeldes zum Silber ziemlich genau
dem Verhältniß entspricht, in welchem die Ausbildung seines Handels zu der des
Ackerbaues steht. In Nordamerika z. B. ist der Silberdollar trotz der großen
Anzahl von Staats- und Privatbanken doch das Hauptverkehrsmittel geblieben,
ein Zeichen davon, daß Handel und Industrie Amerikas noch zumeist auf den
Rohprodukten des Bodens beruhen.

Wenn ein Volk sein Papiergeld vermehrt, so darf dies nur die Folge einer
Vermehrung seines Reichthums sein, nicht ein Mittel, sich durch künstliche Schein¬
capitalien den Reichthum erst zu erwerben. Die deutsche Sprache hat das Wesen
des Papiergeldes in dem Wort "Schein" bedeutsam und geistreich charakterisirt.

Im preußischen Staat circuliren gegenwärtig 25,742,347 Thlr. Kassenanwei¬
sungen, außerdem etwa 15 Millionen Note" der preußischen Bank und jetzt noch
10 Millionen Darlehnskassenscheine. Das vorhandene Papiergeld wird also auf
50 Millionen Thaler zu veranschlagen sein, und wenn auch für Realisirung
der Banknoten und Darlehnscheine andere Fonds als das Staatsvermögen vor¬
handen sind und die übernommene Garantie nicht gerade Verluste erwarten läßt,
so ist doch der Staatshaushalt mit einer unverzinslichen Schuld vou c. 25 Mil¬
lionen Kassenanweisuugen belastet. Fonds zur Realisation dieser Papiere, für
welche natürlich ebenfalls ein bestimmter Tilgnngsmodus besteht, liegen nur in den
jährlichen Einnahmen des Staates, da der Staatsschatz, dessen Bestände Anfang
1847 noch 19^ Million betrugen, durch die Ereignisse der letzten Zeit fast gänzlich
erschöpft ist. Und obgleich bei der Höhe des immobilem Staatsvcrmögens und
der verhältnißmäßig geringen verzinslichen Staatsschuld diese 25 Millionen Kassen¬
anweisungen keineswegs eine bedenkliche Last zu nenneu sind, so ist doch durchaus
^in Recht vorhanden, neues Papiergeld zu machen, welches bei den bestehenden
Verhältnissen zwar mit einem immobilem Capital sundirt werden kann, aber keines¬
wegs mit einem Capital, welches Sicherung der Realisation darbietet. Dazu
kommt, daß auch in kommerzieller Beziehung das Bedürfniß, neues Papiergeld
ZU schaffen, durchaus nicht vorliegt. Schon 50 Millionen Papier find für den
Verkehr des preußischen Staats eine bedeutende Summe zu nennen, dazu kommen
aber noch eine Menge von Kassenscheinen der Nachbarstaaten und was hier wich?
tiger ist, die Noten von Privatbanken und Kassenvereinen, deren Wachsthum und
Vermehrung zu erwarten und zu wünschen ist.

Daß aber im Allgemeinen die Vermögensverhältnisse Preußens günstig sind,
mag aus einer kurzen Schätzung des Staatseigenthums ersehen werden. Die Be¬
rechnung macht durchaus keinen Anspruch weder auf Vollständigkeit noch Gründ¬
lichkeit, wird sich in der Hauptsache aber als richtig erweisen. Die unbeweglichen


doch, daß man so viel falsche Urtheile darüber lesen muß? Im Ganzen wird man
die Bemerkung richtig finden, daß wie der Handel das Papiergeld, so der Acker¬
bau den Metallwerth des Silbergeldes vorzieht, und daß bei gesundem Finanz¬
leben eines Staates das Verhältniß des Papiergeldes zum Silber ziemlich genau
dem Verhältniß entspricht, in welchem die Ausbildung seines Handels zu der des
Ackerbaues steht. In Nordamerika z. B. ist der Silberdollar trotz der großen
Anzahl von Staats- und Privatbanken doch das Hauptverkehrsmittel geblieben,
ein Zeichen davon, daß Handel und Industrie Amerikas noch zumeist auf den
Rohprodukten des Bodens beruhen.

Wenn ein Volk sein Papiergeld vermehrt, so darf dies nur die Folge einer
Vermehrung seines Reichthums sein, nicht ein Mittel, sich durch künstliche Schein¬
capitalien den Reichthum erst zu erwerben. Die deutsche Sprache hat das Wesen
des Papiergeldes in dem Wort „Schein" bedeutsam und geistreich charakterisirt.

Im preußischen Staat circuliren gegenwärtig 25,742,347 Thlr. Kassenanwei¬
sungen, außerdem etwa 15 Millionen Note» der preußischen Bank und jetzt noch
10 Millionen Darlehnskassenscheine. Das vorhandene Papiergeld wird also auf
50 Millionen Thaler zu veranschlagen sein, und wenn auch für Realisirung
der Banknoten und Darlehnscheine andere Fonds als das Staatsvermögen vor¬
handen sind und die übernommene Garantie nicht gerade Verluste erwarten läßt,
so ist doch der Staatshaushalt mit einer unverzinslichen Schuld vou c. 25 Mil¬
lionen Kassenanweisuugen belastet. Fonds zur Realisation dieser Papiere, für
welche natürlich ebenfalls ein bestimmter Tilgnngsmodus besteht, liegen nur in den
jährlichen Einnahmen des Staates, da der Staatsschatz, dessen Bestände Anfang
1847 noch 19^ Million betrugen, durch die Ereignisse der letzten Zeit fast gänzlich
erschöpft ist. Und obgleich bei der Höhe des immobilem Staatsvcrmögens und
der verhältnißmäßig geringen verzinslichen Staatsschuld diese 25 Millionen Kassen¬
anweisungen keineswegs eine bedenkliche Last zu nenneu sind, so ist doch durchaus
^in Recht vorhanden, neues Papiergeld zu machen, welches bei den bestehenden
Verhältnissen zwar mit einem immobilem Capital sundirt werden kann, aber keines¬
wegs mit einem Capital, welches Sicherung der Realisation darbietet. Dazu
kommt, daß auch in kommerzieller Beziehung das Bedürfniß, neues Papiergeld
ZU schaffen, durchaus nicht vorliegt. Schon 50 Millionen Papier find für den
Verkehr des preußischen Staats eine bedeutende Summe zu nennen, dazu kommen
aber noch eine Menge von Kassenscheinen der Nachbarstaaten und was hier wich?
tiger ist, die Noten von Privatbanken und Kassenvereinen, deren Wachsthum und
Vermehrung zu erwarten und zu wünschen ist.

Daß aber im Allgemeinen die Vermögensverhältnisse Preußens günstig sind,
mag aus einer kurzen Schätzung des Staatseigenthums ersehen werden. Die Be¬
rechnung macht durchaus keinen Anspruch weder auf Vollständigkeit noch Gründ¬
lichkeit, wird sich in der Hauptsache aber als richtig erweisen. Die unbeweglichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277665"/>
          <p xml:id="ID_742" prev="#ID_741"> doch, daß man so viel falsche Urtheile darüber lesen muß? Im Ganzen wird man<lb/>
die Bemerkung richtig finden, daß wie der Handel das Papiergeld, so der Acker¬<lb/>
bau den Metallwerth des Silbergeldes vorzieht, und daß bei gesundem Finanz¬<lb/>
leben eines Staates das Verhältniß des Papiergeldes zum Silber ziemlich genau<lb/>
dem Verhältniß entspricht, in welchem die Ausbildung seines Handels zu der des<lb/>
Ackerbaues steht. In Nordamerika z. B. ist der Silberdollar trotz der großen<lb/>
Anzahl von Staats- und Privatbanken doch das Hauptverkehrsmittel geblieben,<lb/>
ein Zeichen davon, daß Handel und Industrie Amerikas noch zumeist auf den<lb/>
Rohprodukten des Bodens beruhen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_743"> Wenn ein Volk sein Papiergeld vermehrt, so darf dies nur die Folge einer<lb/>
Vermehrung seines Reichthums sein, nicht ein Mittel, sich durch künstliche Schein¬<lb/>
capitalien den Reichthum erst zu erwerben. Die deutsche Sprache hat das Wesen<lb/>
des Papiergeldes in dem Wort &#x201E;Schein" bedeutsam und geistreich charakterisirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_744"> Im preußischen Staat circuliren gegenwärtig 25,742,347 Thlr. Kassenanwei¬<lb/>
sungen, außerdem etwa 15 Millionen Note» der preußischen Bank und jetzt noch<lb/>
10 Millionen Darlehnskassenscheine. Das vorhandene Papiergeld wird also auf<lb/>
50 Millionen Thaler zu veranschlagen sein, und wenn auch für Realisirung<lb/>
der Banknoten und Darlehnscheine andere Fonds als das Staatsvermögen vor¬<lb/>
handen sind und die übernommene Garantie nicht gerade Verluste erwarten läßt,<lb/>
so ist doch der Staatshaushalt mit einer unverzinslichen Schuld vou c. 25 Mil¬<lb/>
lionen Kassenanweisuugen belastet. Fonds zur Realisation dieser Papiere, für<lb/>
welche natürlich ebenfalls ein bestimmter Tilgnngsmodus besteht, liegen nur in den<lb/>
jährlichen Einnahmen des Staates, da der Staatsschatz, dessen Bestände Anfang<lb/>
1847 noch 19^ Million betrugen, durch die Ereignisse der letzten Zeit fast gänzlich<lb/>
erschöpft ist. Und obgleich bei der Höhe des immobilem Staatsvcrmögens und<lb/>
der verhältnißmäßig geringen verzinslichen Staatsschuld diese 25 Millionen Kassen¬<lb/>
anweisungen keineswegs eine bedenkliche Last zu nenneu sind, so ist doch durchaus<lb/>
^in Recht vorhanden, neues Papiergeld zu machen, welches bei den bestehenden<lb/>
Verhältnissen zwar mit einem immobilem Capital sundirt werden kann, aber keines¬<lb/>
wegs mit einem Capital, welches Sicherung der Realisation darbietet. Dazu<lb/>
kommt, daß auch in kommerzieller Beziehung das Bedürfniß, neues Papiergeld<lb/>
ZU schaffen, durchaus nicht vorliegt. Schon 50 Millionen Papier find für den<lb/>
Verkehr des preußischen Staats eine bedeutende Summe zu nennen, dazu kommen<lb/>
aber noch eine Menge von Kassenscheinen der Nachbarstaaten und was hier wich?<lb/>
tiger ist, die Noten von Privatbanken und Kassenvereinen, deren Wachsthum und<lb/>
Vermehrung zu erwarten und zu wünschen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_745" next="#ID_746"> Daß aber im Allgemeinen die Vermögensverhältnisse Preußens günstig sind,<lb/>
mag aus einer kurzen Schätzung des Staatseigenthums ersehen werden. Die Be¬<lb/>
rechnung macht durchaus keinen Anspruch weder auf Vollständigkeit noch Gründ¬<lb/>
lichkeit, wird sich in der Hauptsache aber als richtig erweisen. Die unbeweglichen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0235] doch, daß man so viel falsche Urtheile darüber lesen muß? Im Ganzen wird man die Bemerkung richtig finden, daß wie der Handel das Papiergeld, so der Acker¬ bau den Metallwerth des Silbergeldes vorzieht, und daß bei gesundem Finanz¬ leben eines Staates das Verhältniß des Papiergeldes zum Silber ziemlich genau dem Verhältniß entspricht, in welchem die Ausbildung seines Handels zu der des Ackerbaues steht. In Nordamerika z. B. ist der Silberdollar trotz der großen Anzahl von Staats- und Privatbanken doch das Hauptverkehrsmittel geblieben, ein Zeichen davon, daß Handel und Industrie Amerikas noch zumeist auf den Rohprodukten des Bodens beruhen. Wenn ein Volk sein Papiergeld vermehrt, so darf dies nur die Folge einer Vermehrung seines Reichthums sein, nicht ein Mittel, sich durch künstliche Schein¬ capitalien den Reichthum erst zu erwerben. Die deutsche Sprache hat das Wesen des Papiergeldes in dem Wort „Schein" bedeutsam und geistreich charakterisirt. Im preußischen Staat circuliren gegenwärtig 25,742,347 Thlr. Kassenanwei¬ sungen, außerdem etwa 15 Millionen Note» der preußischen Bank und jetzt noch 10 Millionen Darlehnskassenscheine. Das vorhandene Papiergeld wird also auf 50 Millionen Thaler zu veranschlagen sein, und wenn auch für Realisirung der Banknoten und Darlehnscheine andere Fonds als das Staatsvermögen vor¬ handen sind und die übernommene Garantie nicht gerade Verluste erwarten läßt, so ist doch der Staatshaushalt mit einer unverzinslichen Schuld vou c. 25 Mil¬ lionen Kassenanweisuugen belastet. Fonds zur Realisation dieser Papiere, für welche natürlich ebenfalls ein bestimmter Tilgnngsmodus besteht, liegen nur in den jährlichen Einnahmen des Staates, da der Staatsschatz, dessen Bestände Anfang 1847 noch 19^ Million betrugen, durch die Ereignisse der letzten Zeit fast gänzlich erschöpft ist. Und obgleich bei der Höhe des immobilem Staatsvcrmögens und der verhältnißmäßig geringen verzinslichen Staatsschuld diese 25 Millionen Kassen¬ anweisungen keineswegs eine bedenkliche Last zu nenneu sind, so ist doch durchaus ^in Recht vorhanden, neues Papiergeld zu machen, welches bei den bestehenden Verhältnissen zwar mit einem immobilem Capital sundirt werden kann, aber keines¬ wegs mit einem Capital, welches Sicherung der Realisation darbietet. Dazu kommt, daß auch in kommerzieller Beziehung das Bedürfniß, neues Papiergeld ZU schaffen, durchaus nicht vorliegt. Schon 50 Millionen Papier find für den Verkehr des preußischen Staats eine bedeutende Summe zu nennen, dazu kommen aber noch eine Menge von Kassenscheinen der Nachbarstaaten und was hier wich? tiger ist, die Noten von Privatbanken und Kassenvereinen, deren Wachsthum und Vermehrung zu erwarten und zu wünschen ist. Daß aber im Allgemeinen die Vermögensverhältnisse Preußens günstig sind, mag aus einer kurzen Schätzung des Staatseigenthums ersehen werden. Die Be¬ rechnung macht durchaus keinen Anspruch weder auf Vollständigkeit noch Gründ¬ lichkeit, wird sich in der Hauptsache aber als richtig erweisen. Die unbeweglichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/235
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/235>, abgerufen am 28.09.2024.