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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Da es in unsern Tagen mehr als je darauf ankommt, nicht nur das Ver¬
ständige zu thun, sondern auch ihm einen guten Schein zu geben, um schnelle
Anerkennung und bereitwilliges Eingehen des Volkes zu erlangen, so sei hier zu¬
erst der Rede des Finanzministers in der 27. Sitzung der preußischen National¬
versammlung gedacht. Diese Rede enthält eine geschickte Darstellung der preußi¬
schen Finanzlage und ist als Programm des Finanzministeriums zu betrachten,
weil auch für eine Anzahl zukünftiger Reformen die Gesichtspunkte gesteckt werden.

Preußens Budget für 1848 stellte eine Einnahme von 64z Million in Aus¬
sicht, die verzinsliche Staatsschuld betrug 126 Millionen, nicht mehr als eine
doppelte Jahreseinnahme. So trat Preußen mit geordneten Finanzen und einer
gewissenhaften Verwaltung derselben in die Revolutionsperiode ein und die Haupt¬
schwierigkeit eines neuen Finanzministeriums war nicht die Regulirung verzwei¬
felter Geldverhältnisse, sondern erstens die Beschaffung von baarem Geld für die
vermehrten Ausgaben des Staates in einer Zeit, wo die Finanzen sich bedeutend
verminderten, die im Staatsschatz vorhandenen Effekten, so wie die immobilem
Besitzungen des Staates, Forsten, Domänen, Bergwerke, Hütten, Salinen, Ge¬
bäude ze. sehr bedenklich entwerthet waren; zweitens, energische Maßregeln, um
die Stockungen in Handel und Verkehr und deshalb drohenden Untergang der
arbeitenden Klassen durch Belebung des Vertrauens, des Credits und Flüssig¬
machen des waren Geldes aufzuheben; und drittens zeitgemäße Veränderungen
in Staatseinnahmen und Ausgaben durch Erleichterungen der zu hochbesteuerten
Richtungen, durch Ersparnisse und durch Eröffnung neuer Quellen der Einnahme.
Was bis jetzt geschah, das Budget zu reformiren, ist nicht bedeutend und konnte
es wohl auch nicht sein, da die Grundlagen eines neuen Steuersystems, gleichmäßige
Vertheilung der Grundsteuer und Einführung einer Einkommensteuer erst das Re¬
sultat ruhigerer Zeit und längerer Vorarbeit sein können. Das Geschehene aber
ist zweckmäßig. Die freigestellte Verwandlung der Mahlsteuer in eine direkte, die
Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchsstempels, die Erhöhung der Branntwein¬
steuer und die Aufhebung der Befreiung von Klassensteuer sind dahin zu rechnen.

Für Belebung des Credits, Ermunterung des Handels und der Gewerbe,
war die Errichtung von Hilfskassen eine sehr nützliche, ja dringend nothwendige
Maßregel, denn ohne die Unterstützung durch diese Kassen wären bei weitem die
meisten Fabrikanten gezwungen gewesen, ihre Arbeiten einzustellen und Hundert¬
tausende von Arbeitern waren allen Gefahren des Hungertodes Preisgegeben. Eine
Hilfe für die Dauer sind diese Kassen freilich nicht. Da man aber die Hoffnung
festhalten muß, daß Vertrauen und damit die Lust zu arbeiten wiederkehren wird,
so hat man durch sie dem Fabrikanten über die schlechteste Zeit weggeholfen. Das
Ministerium hat zwei verschiedene Hilfskassen eingerichtet, die Unterstützungskassen,
welche für das ganze Land mit iz Million baar Geld dotirt sind und die Dar-
lehnskassen, welche mit 10 Millionen Darlehnskassenscheinen arbeiten. Die Unter-


Da es in unsern Tagen mehr als je darauf ankommt, nicht nur das Ver¬
ständige zu thun, sondern auch ihm einen guten Schein zu geben, um schnelle
Anerkennung und bereitwilliges Eingehen des Volkes zu erlangen, so sei hier zu¬
erst der Rede des Finanzministers in der 27. Sitzung der preußischen National¬
versammlung gedacht. Diese Rede enthält eine geschickte Darstellung der preußi¬
schen Finanzlage und ist als Programm des Finanzministeriums zu betrachten,
weil auch für eine Anzahl zukünftiger Reformen die Gesichtspunkte gesteckt werden.

Preußens Budget für 1848 stellte eine Einnahme von 64z Million in Aus¬
sicht, die verzinsliche Staatsschuld betrug 126 Millionen, nicht mehr als eine
doppelte Jahreseinnahme. So trat Preußen mit geordneten Finanzen und einer
gewissenhaften Verwaltung derselben in die Revolutionsperiode ein und die Haupt¬
schwierigkeit eines neuen Finanzministeriums war nicht die Regulirung verzwei¬
felter Geldverhältnisse, sondern erstens die Beschaffung von baarem Geld für die
vermehrten Ausgaben des Staates in einer Zeit, wo die Finanzen sich bedeutend
verminderten, die im Staatsschatz vorhandenen Effekten, so wie die immobilem
Besitzungen des Staates, Forsten, Domänen, Bergwerke, Hütten, Salinen, Ge¬
bäude ze. sehr bedenklich entwerthet waren; zweitens, energische Maßregeln, um
die Stockungen in Handel und Verkehr und deshalb drohenden Untergang der
arbeitenden Klassen durch Belebung des Vertrauens, des Credits und Flüssig¬
machen des waren Geldes aufzuheben; und drittens zeitgemäße Veränderungen
in Staatseinnahmen und Ausgaben durch Erleichterungen der zu hochbesteuerten
Richtungen, durch Ersparnisse und durch Eröffnung neuer Quellen der Einnahme.
Was bis jetzt geschah, das Budget zu reformiren, ist nicht bedeutend und konnte
es wohl auch nicht sein, da die Grundlagen eines neuen Steuersystems, gleichmäßige
Vertheilung der Grundsteuer und Einführung einer Einkommensteuer erst das Re¬
sultat ruhigerer Zeit und längerer Vorarbeit sein können. Das Geschehene aber
ist zweckmäßig. Die freigestellte Verwandlung der Mahlsteuer in eine direkte, die
Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchsstempels, die Erhöhung der Branntwein¬
steuer und die Aufhebung der Befreiung von Klassensteuer sind dahin zu rechnen.

Für Belebung des Credits, Ermunterung des Handels und der Gewerbe,
war die Errichtung von Hilfskassen eine sehr nützliche, ja dringend nothwendige
Maßregel, denn ohne die Unterstützung durch diese Kassen wären bei weitem die
meisten Fabrikanten gezwungen gewesen, ihre Arbeiten einzustellen und Hundert¬
tausende von Arbeitern waren allen Gefahren des Hungertodes Preisgegeben. Eine
Hilfe für die Dauer sind diese Kassen freilich nicht. Da man aber die Hoffnung
festhalten muß, daß Vertrauen und damit die Lust zu arbeiten wiederkehren wird,
so hat man durch sie dem Fabrikanten über die schlechteste Zeit weggeholfen. Das
Ministerium hat zwei verschiedene Hilfskassen eingerichtet, die Unterstützungskassen,
welche für das ganze Land mit iz Million baar Geld dotirt sind und die Dar-
lehnskassen, welche mit 10 Millionen Darlehnskassenscheinen arbeiten. Die Unter-


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[0230] Da es in unsern Tagen mehr als je darauf ankommt, nicht nur das Ver¬ ständige zu thun, sondern auch ihm einen guten Schein zu geben, um schnelle Anerkennung und bereitwilliges Eingehen des Volkes zu erlangen, so sei hier zu¬ erst der Rede des Finanzministers in der 27. Sitzung der preußischen National¬ versammlung gedacht. Diese Rede enthält eine geschickte Darstellung der preußi¬ schen Finanzlage und ist als Programm des Finanzministeriums zu betrachten, weil auch für eine Anzahl zukünftiger Reformen die Gesichtspunkte gesteckt werden. Preußens Budget für 1848 stellte eine Einnahme von 64z Million in Aus¬ sicht, die verzinsliche Staatsschuld betrug 126 Millionen, nicht mehr als eine doppelte Jahreseinnahme. So trat Preußen mit geordneten Finanzen und einer gewissenhaften Verwaltung derselben in die Revolutionsperiode ein und die Haupt¬ schwierigkeit eines neuen Finanzministeriums war nicht die Regulirung verzwei¬ felter Geldverhältnisse, sondern erstens die Beschaffung von baarem Geld für die vermehrten Ausgaben des Staates in einer Zeit, wo die Finanzen sich bedeutend verminderten, die im Staatsschatz vorhandenen Effekten, so wie die immobilem Besitzungen des Staates, Forsten, Domänen, Bergwerke, Hütten, Salinen, Ge¬ bäude ze. sehr bedenklich entwerthet waren; zweitens, energische Maßregeln, um die Stockungen in Handel und Verkehr und deshalb drohenden Untergang der arbeitenden Klassen durch Belebung des Vertrauens, des Credits und Flüssig¬ machen des waren Geldes aufzuheben; und drittens zeitgemäße Veränderungen in Staatseinnahmen und Ausgaben durch Erleichterungen der zu hochbesteuerten Richtungen, durch Ersparnisse und durch Eröffnung neuer Quellen der Einnahme. Was bis jetzt geschah, das Budget zu reformiren, ist nicht bedeutend und konnte es wohl auch nicht sein, da die Grundlagen eines neuen Steuersystems, gleichmäßige Vertheilung der Grundsteuer und Einführung einer Einkommensteuer erst das Re¬ sultat ruhigerer Zeit und längerer Vorarbeit sein können. Das Geschehene aber ist zweckmäßig. Die freigestellte Verwandlung der Mahlsteuer in eine direkte, die Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchsstempels, die Erhöhung der Branntwein¬ steuer und die Aufhebung der Befreiung von Klassensteuer sind dahin zu rechnen. Für Belebung des Credits, Ermunterung des Handels und der Gewerbe, war die Errichtung von Hilfskassen eine sehr nützliche, ja dringend nothwendige Maßregel, denn ohne die Unterstützung durch diese Kassen wären bei weitem die meisten Fabrikanten gezwungen gewesen, ihre Arbeiten einzustellen und Hundert¬ tausende von Arbeitern waren allen Gefahren des Hungertodes Preisgegeben. Eine Hilfe für die Dauer sind diese Kassen freilich nicht. Da man aber die Hoffnung festhalten muß, daß Vertrauen und damit die Lust zu arbeiten wiederkehren wird, so hat man durch sie dem Fabrikanten über die schlechteste Zeit weggeholfen. Das Ministerium hat zwei verschiedene Hilfskassen eingerichtet, die Unterstützungskassen, welche für das ganze Land mit iz Million baar Geld dotirt sind und die Dar- lehnskassen, welche mit 10 Millionen Darlehnskassenscheinen arbeiten. Die Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/230>, abgerufen am 29.06.2024.