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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Preußens Stellung zu Frankfurt.
Ein Sendschreiben an den preußischen Minister Herrn Hansemann.



Ihre Verwaltung der preußischen Finanzen hat wesentlich dazu geholfen, den
deutschen Börsen Haltung, dem industriellen Leben Muth zu geben. Wenn ich
deshalb Ihren Namen einigen Bemerkungen vorsetze, welche nicht vorzugsweise die
Thätigkeit Ihres Ministeriums angehen, so ersuche ich Sie darin eiuen Beweis
persönlicher Achtung zu finden.

Das Wichtigste, womit sich das preußische Staatsministerium gegenwärtig be¬
schäftigt, ist die Frage: welche Stellung Preußen den Beschlüssen der Paulskirche
gegenüber in seinem und dem deutschen Interesse einzunehmen hat. Wenn Sie
diese Zeilen lesen, werden Sie wahrscheinlich über Einzelnes bereits entschieden
haben. Möge der Weg, welchen'Sie einschlagen, Ihnen und Preußen zum Heil
gereichen.

Von der staatlichen Concentration, welchen der Enthusiasmus des deutschen
Volkes zu Frankfurt Schiebt, wird leider vorläufig Oestreich sich ausschließen*)'.
In der That ist nicht abzusehen, wie nach den jüngsten Ereignissen der Kaiserstaat
anders als durch gänzliche Auflösung zu festem Verband mit den übrigen Deut¬
schen gelangen soll. Der Versuch, höchst verschiedene Bestandtheile in den Formen
constitutioneller Einheit zu binden, wird allerdings scheitern. Wohl ist möglich, daß
eine Konstitution für den Augenblick Gallizier, Dalmatier, Böhmen, Tiroler und
Wiener unter einen Hut bringt, wenn aber die Negierung des Kaiserstaates da¬
durch, wie 'sie zu hoffen scheint, die Leidenschaften und Forderungen der einzelnen
Stämme, welche diametral anseinander laufen, versöhnen will, so ist'sie in einem
verhäugnißvollen Irrthum; und wenn das frische Selbstgefühl der Oestreicher den
übrigen Deutschen die Fähigkeit absprechen möchte, die verzweifelte Lage ihres Staats
Zu beurtheilen, so ist auch das eine gefährliche Täuschung und ein Bewejs dafür,
selbst bei einem edlen und hochherzigen Volke Selbstvertrauen nicht immer
mit richtiger Einsicht verbunden ist. Die besten Folgen der bisherigen Schritte
der östreichischen Regierung werden die sein, daß ein Aufschub der staatlichen Krisis



*) Wir müssen bei diesem Sendschreiben des verehrten Einsenders dieselbe Bemerkung
machen, die wir seinem Schreiben an Pillersdorf hinzuzufügen uns veranlaßt fanden. Das
Aufgehn Oestreichs in Deutschland ist eine moralische Nothwendigkeit, die durch die sehr großen,
unverke Die Red. nnbaren Schwierigkeiten nicht aufgehoben wird.
GrtN
jboten. IN. , 24
Preußens Stellung zu Frankfurt.
Ein Sendschreiben an den preußischen Minister Herrn Hansemann.



Ihre Verwaltung der preußischen Finanzen hat wesentlich dazu geholfen, den
deutschen Börsen Haltung, dem industriellen Leben Muth zu geben. Wenn ich
deshalb Ihren Namen einigen Bemerkungen vorsetze, welche nicht vorzugsweise die
Thätigkeit Ihres Ministeriums angehen, so ersuche ich Sie darin eiuen Beweis
persönlicher Achtung zu finden.

Das Wichtigste, womit sich das preußische Staatsministerium gegenwärtig be¬
schäftigt, ist die Frage: welche Stellung Preußen den Beschlüssen der Paulskirche
gegenüber in seinem und dem deutschen Interesse einzunehmen hat. Wenn Sie
diese Zeilen lesen, werden Sie wahrscheinlich über Einzelnes bereits entschieden
haben. Möge der Weg, welchen'Sie einschlagen, Ihnen und Preußen zum Heil
gereichen.

Von der staatlichen Concentration, welchen der Enthusiasmus des deutschen
Volkes zu Frankfurt Schiebt, wird leider vorläufig Oestreich sich ausschließen*)'.
In der That ist nicht abzusehen, wie nach den jüngsten Ereignissen der Kaiserstaat
anders als durch gänzliche Auflösung zu festem Verband mit den übrigen Deut¬
schen gelangen soll. Der Versuch, höchst verschiedene Bestandtheile in den Formen
constitutioneller Einheit zu binden, wird allerdings scheitern. Wohl ist möglich, daß
eine Konstitution für den Augenblick Gallizier, Dalmatier, Böhmen, Tiroler und
Wiener unter einen Hut bringt, wenn aber die Negierung des Kaiserstaates da¬
durch, wie 'sie zu hoffen scheint, die Leidenschaften und Forderungen der einzelnen
Stämme, welche diametral anseinander laufen, versöhnen will, so ist'sie in einem
verhäugnißvollen Irrthum; und wenn das frische Selbstgefühl der Oestreicher den
übrigen Deutschen die Fähigkeit absprechen möchte, die verzweifelte Lage ihres Staats
Zu beurtheilen, so ist auch das eine gefährliche Täuschung und ein Bewejs dafür,
selbst bei einem edlen und hochherzigen Volke Selbstvertrauen nicht immer
mit richtiger Einsicht verbunden ist. Die besten Folgen der bisherigen Schritte
der östreichischen Regierung werden die sein, daß ein Aufschub der staatlichen Krisis



*) Wir müssen bei diesem Sendschreiben des verehrten Einsenders dieselbe Bemerkung
machen, die wir seinem Schreiben an Pillersdorf hinzuzufügen uns veranlaßt fanden. Das
Aufgehn Oestreichs in Deutschland ist eine moralische Nothwendigkeit, die durch die sehr großen,
unverke Die Red. nnbaren Schwierigkeiten nicht aufgehoben wird.
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[0189] Preußens Stellung zu Frankfurt. Ein Sendschreiben an den preußischen Minister Herrn Hansemann. Ihre Verwaltung der preußischen Finanzen hat wesentlich dazu geholfen, den deutschen Börsen Haltung, dem industriellen Leben Muth zu geben. Wenn ich deshalb Ihren Namen einigen Bemerkungen vorsetze, welche nicht vorzugsweise die Thätigkeit Ihres Ministeriums angehen, so ersuche ich Sie darin eiuen Beweis persönlicher Achtung zu finden. Das Wichtigste, womit sich das preußische Staatsministerium gegenwärtig be¬ schäftigt, ist die Frage: welche Stellung Preußen den Beschlüssen der Paulskirche gegenüber in seinem und dem deutschen Interesse einzunehmen hat. Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden Sie wahrscheinlich über Einzelnes bereits entschieden haben. Möge der Weg, welchen'Sie einschlagen, Ihnen und Preußen zum Heil gereichen. Von der staatlichen Concentration, welchen der Enthusiasmus des deutschen Volkes zu Frankfurt Schiebt, wird leider vorläufig Oestreich sich ausschließen*)'. In der That ist nicht abzusehen, wie nach den jüngsten Ereignissen der Kaiserstaat anders als durch gänzliche Auflösung zu festem Verband mit den übrigen Deut¬ schen gelangen soll. Der Versuch, höchst verschiedene Bestandtheile in den Formen constitutioneller Einheit zu binden, wird allerdings scheitern. Wohl ist möglich, daß eine Konstitution für den Augenblick Gallizier, Dalmatier, Böhmen, Tiroler und Wiener unter einen Hut bringt, wenn aber die Negierung des Kaiserstaates da¬ durch, wie 'sie zu hoffen scheint, die Leidenschaften und Forderungen der einzelnen Stämme, welche diametral anseinander laufen, versöhnen will, so ist'sie in einem verhäugnißvollen Irrthum; und wenn das frische Selbstgefühl der Oestreicher den übrigen Deutschen die Fähigkeit absprechen möchte, die verzweifelte Lage ihres Staats Zu beurtheilen, so ist auch das eine gefährliche Täuschung und ein Bewejs dafür, selbst bei einem edlen und hochherzigen Volke Selbstvertrauen nicht immer mit richtiger Einsicht verbunden ist. Die besten Folgen der bisherigen Schritte der östreichischen Regierung werden die sein, daß ein Aufschub der staatlichen Krisis *) Wir müssen bei diesem Sendschreiben des verehrten Einsenders dieselbe Bemerkung machen, die wir seinem Schreiben an Pillersdorf hinzuzufügen uns veranlaßt fanden. Das Aufgehn Oestreichs in Deutschland ist eine moralische Nothwendigkeit, die durch die sehr großen, unverke Die Red. nnbaren Schwierigkeiten nicht aufgehoben wird. GrtN jboten. IN. , 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/189>, abgerufen am 22.07.2024.