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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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so sei er unscheinbar, damit er nicht auffalle; den Parteiführern feindlicher Clubs
gegenüber nachlässig, um einen gewissen Mangel an Respect anzudeuten, dem Volke
gegenüber elegant gekleidet, das gefällt und schmeichelt der Menge immer noch;
hat er aber eine Partei im Volke, die fest an ihm hängt, so trage er unter ihr
das Kleid, das sie selbst liebt, sei es die Uniform der Nationalgarde oder die
Blouse.

Hier muß ich auf die Cigarren, als auf eine kleine liebenswürdige Stütze
des Regierenden aufmerksam machen. Sie müssen aber sehr fein sein und in
einem großen merkwürdigen Etui aufbewahrt werden. Wo im Budget ein Fond
für geheime Ausgaben durchzusetzen ist, wird diese Summe viel nützlicher in Ha¬
vannah, als in Spionen angelegt. Hat der Minister eine persönliche Neigung zu
Malicen, so gibt ihm eine Sorte mörderischer und berauschender Maduros Ge-
legenheit, in dem Lager seiner Feinde unter dem Schein freundlicher Humanität,
flancs Wesen und Abspannung zu erzeugen. Immer aber muß er sein Etui ge¬
füllt erhalten und bei allen Gelegenheiten, wo er es nicht angemessen findet, als
vornehmer Mann aufzutreten, mit unbedingter Leutseligkeit selbst rauchen und
Rauch verursachen. Besucht er z. B. einen feindlichen Club, so schaffe er sich
durch sechs bis acht Cigarren, die er gleich beim Eintritt an Solche, die ihn
etwa noch kennen und grüßen, ungezwungen und scherzhaft austheilt, eine kleine
Partei und ziehe diese Partei allmälig bis in die Mitte des Raumes nach
sich. Findet sich nun irgend eine Gelegenheit, in seinem Interesse dramatisch zu
wirken, durch Zischen, Toben, Prügeln und dergleichen, so kann er sicher auf
sechs bis acht menschliche Wohlwollen rechnen, welche seinen übrigen Gönnern
Muth machen. Wichtiger werden sie in andern Fällen. Gesetzt: Herr Staberl
oder Herr Busscy erscheint als Deputation, dem Minister anzuzeigen, daß er
das Vertrauen der Nation verloren habe. Der elegante Kammerdiener meldet die
Deputation, sie wird in ein kleines, gemüthliches Rauchzimmer geführt. Jetzt
muß der Minister schnell die Halsbinde abnehmen und einen leichten Hausrock an¬
ziehen. Dann tritt er zur Seitenthür schnell herein. (Eine Entschuldigung, er habe
es für Unrecht gehalten, sie warten zu lassen in.) Nun, mein treuherziger Staberl,
oder: Bnffey, mein alter Feind, wie geht'S? Was habt Ihr wieder gegen die
nunc Regierung conspirirt? (bietet liebevoll Cigarren an). -- Staberl oder
^uffey (rccnsirt mit steifer Verbeugung, wird um eine Nuance aufgeregter und be¬
ginnt feierlich) Herr Minister. -- Minister (mit vornehmer Grazie unterbrechend)
meine Herren, Ihr Club hat mich abgesetzt und Sie kommen mir das zu
sagen. (Uebergang, Hervortreten guter Laune) Aber, das ist kein Grund, mir meinen
Comfort zu rauben, ich werde Sie ruhiger und resignirter anhören, wenn Sie
mir das Recht geben weiter zu rauchen und deshalb fordere ich, daß Sie den
Brauch meines Hauses ehren. (nochmaliges Anbieten der Cigarren, schleuniges Her-
einstürzen eines Dieners, mit Licht). Wenn jetzt einige der Deputirten sich bethören


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so sei er unscheinbar, damit er nicht auffalle; den Parteiführern feindlicher Clubs
gegenüber nachlässig, um einen gewissen Mangel an Respect anzudeuten, dem Volke
gegenüber elegant gekleidet, das gefällt und schmeichelt der Menge immer noch;
hat er aber eine Partei im Volke, die fest an ihm hängt, so trage er unter ihr
das Kleid, das sie selbst liebt, sei es die Uniform der Nationalgarde oder die
Blouse.

Hier muß ich auf die Cigarren, als auf eine kleine liebenswürdige Stütze
des Regierenden aufmerksam machen. Sie müssen aber sehr fein sein und in
einem großen merkwürdigen Etui aufbewahrt werden. Wo im Budget ein Fond
für geheime Ausgaben durchzusetzen ist, wird diese Summe viel nützlicher in Ha¬
vannah, als in Spionen angelegt. Hat der Minister eine persönliche Neigung zu
Malicen, so gibt ihm eine Sorte mörderischer und berauschender Maduros Ge-
legenheit, in dem Lager seiner Feinde unter dem Schein freundlicher Humanität,
flancs Wesen und Abspannung zu erzeugen. Immer aber muß er sein Etui ge¬
füllt erhalten und bei allen Gelegenheiten, wo er es nicht angemessen findet, als
vornehmer Mann aufzutreten, mit unbedingter Leutseligkeit selbst rauchen und
Rauch verursachen. Besucht er z. B. einen feindlichen Club, so schaffe er sich
durch sechs bis acht Cigarren, die er gleich beim Eintritt an Solche, die ihn
etwa noch kennen und grüßen, ungezwungen und scherzhaft austheilt, eine kleine
Partei und ziehe diese Partei allmälig bis in die Mitte des Raumes nach
sich. Findet sich nun irgend eine Gelegenheit, in seinem Interesse dramatisch zu
wirken, durch Zischen, Toben, Prügeln und dergleichen, so kann er sicher auf
sechs bis acht menschliche Wohlwollen rechnen, welche seinen übrigen Gönnern
Muth machen. Wichtiger werden sie in andern Fällen. Gesetzt: Herr Staberl
oder Herr Busscy erscheint als Deputation, dem Minister anzuzeigen, daß er
das Vertrauen der Nation verloren habe. Der elegante Kammerdiener meldet die
Deputation, sie wird in ein kleines, gemüthliches Rauchzimmer geführt. Jetzt
muß der Minister schnell die Halsbinde abnehmen und einen leichten Hausrock an¬
ziehen. Dann tritt er zur Seitenthür schnell herein. (Eine Entschuldigung, er habe
es für Unrecht gehalten, sie warten zu lassen in.) Nun, mein treuherziger Staberl,
oder: Bnffey, mein alter Feind, wie geht'S? Was habt Ihr wieder gegen die
nunc Regierung conspirirt? (bietet liebevoll Cigarren an). — Staberl oder
^uffey (rccnsirt mit steifer Verbeugung, wird um eine Nuance aufgeregter und be¬
ginnt feierlich) Herr Minister. — Minister (mit vornehmer Grazie unterbrechend)
meine Herren, Ihr Club hat mich abgesetzt und Sie kommen mir das zu
sagen. (Uebergang, Hervortreten guter Laune) Aber, das ist kein Grund, mir meinen
Comfort zu rauben, ich werde Sie ruhiger und resignirter anhören, wenn Sie
mir das Recht geben weiter zu rauchen und deshalb fordere ich, daß Sie den
Brauch meines Hauses ehren. (nochmaliges Anbieten der Cigarren, schleuniges Her-
einstürzen eines Dieners, mit Licht). Wenn jetzt einige der Deputirten sich bethören


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/151>, abgerufen am 26.06.2024.