Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durchdringen wie die violetten Amtstalare und ein leidlich gutes Auge würde auch
unter der Ritter- und Pfaffenmaske den Genius von Berlin herauserkennen. ,

Ja dieser Genius hat dem Sturm der Zeiten getrotzt. -- Er hat sich von
Schlegel indische Vorlesungen halten lassen, er ist von Jffland gerührt worden,
er hat mit dem großen Philosophen über den Unterschied von Sein und Nichtsein
nachgedacht, er hat für Franz Lißt geschwärmt und in den Salons genialer Da¬
men passable Aperyus fallen lassen, er hat sür und wider die Lichtfreunde Protest
eingelegt, er hat auf den Barrikaden gefochten und dem schwarz-roth-goldnen
Könige sein Tüchlein nachgeschwenkt -- und in all diesen Metamorphosen ist er
im Innersten seines Herzens stets der alte geblieben, der Genius der geistreichsten
aller Städte Europas, -- Herr Buffey.

In seiner primitiven Gestalt ist Herr Buffey ein wohlgenährter Mann in
seinen besten Jahren; das sorgfältig rasirte VollmondSgeficht strahlt von fettigem
Wohlbefinden, und das Wohlwollen, das sich unverkennbar gegen alle Menschen
ohne Unterschied des Standes und der Person darauf ausprägt, wird einiger¬
maßen paralysirt dnrch den beleidigenden Ausdruck von Sättigung und die ge¬
linde Ironie, mit der er selbst mitten im Genuß frei von den Gegenständen bleibt.
Selbst wenn er eine kühle Blonde mit mehr als gewöhnlicher Schaumcntwicklung
vor sich hat und das Behagen über das treffliche Getränk nicht ganz verläugnen
kann, so liegt doch in seinem rechten Mundwinkel, der in der Regel etwas schief
aufwärts strebt, ein Zug, der etwa ausdrückt: "Ick bin der Mann, mir noch
janz audere Getränke zu verschaffen!" Im wohlwollenden Gespräch mit den
Fremden, die er über die Vorzüge des Kroll'schen Etablissements und der Pano¬
ramen von Gropiuö unterhält, sagt sein zwinkerndes Auge unverkennbar: "Ick
rede wohl mit Ihnen, juter Freund, denn ick bin nicht uffgeblasen, aber wenn
ick wollte, könnte ick mir mit janz andern Leuten unterhalten!" Er geht regel¬
mäßig in die Gartenconcerte, wo er für zwei gute Groschen Gungl'sche Walzer
und Beethoven'sche Symphonien sich vorspielen läßt und dazu eine Cigarre raucht,
-- Herr Buffey würde um alle Schätze der Welt seiner Stellung nicht so viel
vergeben, eine Pfeife in den Mund zu stecken -- er wird allen Parteien gerecht;
Gnngl ist göttlich und Beethoven famos; er hört die Eroica, -- daß sie eS ist,
sagt ihm sein Programm -- mit beifälligem Kopfschütteln, und meint wohl dabei,
es sei doch Schade, daß man ihn in seiner Jugend nicht mehr zum Klavierspiel
angehalten, dann hätte er auch solche Schnurren zu Tage gefördert.

Herr Buffey hat Alles gesehen, namentlich aber den Faust; er pflegt Stel¬
len aus Auerbach's Keller zu citiren und erinnert sich dabei, daß er in seiner
Jugend anch sür ähnliche Dinge geschwärmt, daß er mit seinem Gott gegrollt,
wie mit seinem Könige, von einem löblichen Magistrate gar nicht zu reden, bis
er sich als Hausbesitzer eine mehr harmonische Weltanschauung angeeignet. Der
Herr Bussey ist Hausbesitzer und Rentier, Junggesell oder Wittwer, im letz-


durchdringen wie die violetten Amtstalare und ein leidlich gutes Auge würde auch
unter der Ritter- und Pfaffenmaske den Genius von Berlin herauserkennen. ,

Ja dieser Genius hat dem Sturm der Zeiten getrotzt. — Er hat sich von
Schlegel indische Vorlesungen halten lassen, er ist von Jffland gerührt worden,
er hat mit dem großen Philosophen über den Unterschied von Sein und Nichtsein
nachgedacht, er hat für Franz Lißt geschwärmt und in den Salons genialer Da¬
men passable Aperyus fallen lassen, er hat sür und wider die Lichtfreunde Protest
eingelegt, er hat auf den Barrikaden gefochten und dem schwarz-roth-goldnen
Könige sein Tüchlein nachgeschwenkt — und in all diesen Metamorphosen ist er
im Innersten seines Herzens stets der alte geblieben, der Genius der geistreichsten
aller Städte Europas, — Herr Buffey.

In seiner primitiven Gestalt ist Herr Buffey ein wohlgenährter Mann in
seinen besten Jahren; das sorgfältig rasirte VollmondSgeficht strahlt von fettigem
Wohlbefinden, und das Wohlwollen, das sich unverkennbar gegen alle Menschen
ohne Unterschied des Standes und der Person darauf ausprägt, wird einiger¬
maßen paralysirt dnrch den beleidigenden Ausdruck von Sättigung und die ge¬
linde Ironie, mit der er selbst mitten im Genuß frei von den Gegenständen bleibt.
Selbst wenn er eine kühle Blonde mit mehr als gewöhnlicher Schaumcntwicklung
vor sich hat und das Behagen über das treffliche Getränk nicht ganz verläugnen
kann, so liegt doch in seinem rechten Mundwinkel, der in der Regel etwas schief
aufwärts strebt, ein Zug, der etwa ausdrückt: „Ick bin der Mann, mir noch
janz audere Getränke zu verschaffen!" Im wohlwollenden Gespräch mit den
Fremden, die er über die Vorzüge des Kroll'schen Etablissements und der Pano¬
ramen von Gropiuö unterhält, sagt sein zwinkerndes Auge unverkennbar: „Ick
rede wohl mit Ihnen, juter Freund, denn ick bin nicht uffgeblasen, aber wenn
ick wollte, könnte ick mir mit janz andern Leuten unterhalten!" Er geht regel¬
mäßig in die Gartenconcerte, wo er für zwei gute Groschen Gungl'sche Walzer
und Beethoven'sche Symphonien sich vorspielen läßt und dazu eine Cigarre raucht,
— Herr Buffey würde um alle Schätze der Welt seiner Stellung nicht so viel
vergeben, eine Pfeife in den Mund zu stecken — er wird allen Parteien gerecht;
Gnngl ist göttlich und Beethoven famos; er hört die Eroica, — daß sie eS ist,
sagt ihm sein Programm — mit beifälligem Kopfschütteln, und meint wohl dabei,
es sei doch Schade, daß man ihn in seiner Jugend nicht mehr zum Klavierspiel
angehalten, dann hätte er auch solche Schnurren zu Tage gefördert.

Herr Buffey hat Alles gesehen, namentlich aber den Faust; er pflegt Stel¬
len aus Auerbach's Keller zu citiren und erinnert sich dabei, daß er in seiner
Jugend anch sür ähnliche Dinge geschwärmt, daß er mit seinem Gott gegrollt,
wie mit seinem Könige, von einem löblichen Magistrate gar nicht zu reden, bis
er sich als Hausbesitzer eine mehr harmonische Weltanschauung angeeignet. Der
Herr Bussey ist Hausbesitzer und Rentier, Junggesell oder Wittwer, im letz-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277444"/>
          <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> durchdringen wie die violetten Amtstalare und ein leidlich gutes Auge würde auch<lb/>
unter der Ritter- und Pfaffenmaske den Genius von Berlin herauserkennen. ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_19"> Ja dieser Genius hat dem Sturm der Zeiten getrotzt. &#x2014; Er hat sich von<lb/>
Schlegel indische Vorlesungen halten lassen, er ist von Jffland gerührt worden,<lb/>
er hat mit dem großen Philosophen über den Unterschied von Sein und Nichtsein<lb/>
nachgedacht, er hat für Franz Lißt geschwärmt und in den Salons genialer Da¬<lb/>
men passable Aperyus fallen lassen, er hat sür und wider die Lichtfreunde Protest<lb/>
eingelegt, er hat auf den Barrikaden gefochten und dem schwarz-roth-goldnen<lb/>
Könige sein Tüchlein nachgeschwenkt &#x2014; und in all diesen Metamorphosen ist er<lb/>
im Innersten seines Herzens stets der alte geblieben, der Genius der geistreichsten<lb/>
aller Städte Europas, &#x2014; Herr Buffey.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_20"> In seiner primitiven Gestalt ist Herr Buffey ein wohlgenährter Mann in<lb/>
seinen besten Jahren; das sorgfältig rasirte VollmondSgeficht strahlt von fettigem<lb/>
Wohlbefinden, und das Wohlwollen, das sich unverkennbar gegen alle Menschen<lb/>
ohne Unterschied des Standes und der Person darauf ausprägt, wird einiger¬<lb/>
maßen paralysirt dnrch den beleidigenden Ausdruck von Sättigung und die ge¬<lb/>
linde Ironie, mit der er selbst mitten im Genuß frei von den Gegenständen bleibt.<lb/>
Selbst wenn er eine kühle Blonde mit mehr als gewöhnlicher Schaumcntwicklung<lb/>
vor sich hat und das Behagen über das treffliche Getränk nicht ganz verläugnen<lb/>
kann, so liegt doch in seinem rechten Mundwinkel, der in der Regel etwas schief<lb/>
aufwärts strebt, ein Zug, der etwa ausdrückt: &#x201E;Ick bin der Mann, mir noch<lb/>
janz audere Getränke zu verschaffen!" Im wohlwollenden Gespräch mit den<lb/>
Fremden, die er über die Vorzüge des Kroll'schen Etablissements und der Pano¬<lb/>
ramen von Gropiuö unterhält, sagt sein zwinkerndes Auge unverkennbar: &#x201E;Ick<lb/>
rede wohl mit Ihnen, juter Freund, denn ick bin nicht uffgeblasen, aber wenn<lb/>
ick wollte, könnte ick mir mit janz andern Leuten unterhalten!" Er geht regel¬<lb/>
mäßig in die Gartenconcerte, wo er für zwei gute Groschen Gungl'sche Walzer<lb/>
und Beethoven'sche Symphonien sich vorspielen läßt und dazu eine Cigarre raucht,<lb/>
&#x2014; Herr Buffey würde um alle Schätze der Welt seiner Stellung nicht so viel<lb/>
vergeben, eine Pfeife in den Mund zu stecken &#x2014; er wird allen Parteien gerecht;<lb/>
Gnngl ist göttlich und Beethoven famos; er hört die Eroica, &#x2014; daß sie eS ist,<lb/>
sagt ihm sein Programm &#x2014; mit beifälligem Kopfschütteln, und meint wohl dabei,<lb/>
es sei doch Schade, daß man ihn in seiner Jugend nicht mehr zum Klavierspiel<lb/>
angehalten, dann hätte er auch solche Schnurren zu Tage gefördert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_21" next="#ID_22"> Herr Buffey hat Alles gesehen, namentlich aber den Faust; er pflegt Stel¬<lb/>
len aus Auerbach's Keller zu citiren und erinnert sich dabei, daß er in seiner<lb/>
Jugend anch sür ähnliche Dinge geschwärmt, daß er mit seinem Gott gegrollt,<lb/>
wie mit seinem Könige, von einem löblichen Magistrate gar nicht zu reden, bis<lb/>
er sich als Hausbesitzer eine mehr harmonische Weltanschauung angeeignet. Der<lb/>
Herr Bussey ist Hausbesitzer und Rentier, Junggesell oder Wittwer, im letz-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] durchdringen wie die violetten Amtstalare und ein leidlich gutes Auge würde auch unter der Ritter- und Pfaffenmaske den Genius von Berlin herauserkennen. , Ja dieser Genius hat dem Sturm der Zeiten getrotzt. — Er hat sich von Schlegel indische Vorlesungen halten lassen, er ist von Jffland gerührt worden, er hat mit dem großen Philosophen über den Unterschied von Sein und Nichtsein nachgedacht, er hat für Franz Lißt geschwärmt und in den Salons genialer Da¬ men passable Aperyus fallen lassen, er hat sür und wider die Lichtfreunde Protest eingelegt, er hat auf den Barrikaden gefochten und dem schwarz-roth-goldnen Könige sein Tüchlein nachgeschwenkt — und in all diesen Metamorphosen ist er im Innersten seines Herzens stets der alte geblieben, der Genius der geistreichsten aller Städte Europas, — Herr Buffey. In seiner primitiven Gestalt ist Herr Buffey ein wohlgenährter Mann in seinen besten Jahren; das sorgfältig rasirte VollmondSgeficht strahlt von fettigem Wohlbefinden, und das Wohlwollen, das sich unverkennbar gegen alle Menschen ohne Unterschied des Standes und der Person darauf ausprägt, wird einiger¬ maßen paralysirt dnrch den beleidigenden Ausdruck von Sättigung und die ge¬ linde Ironie, mit der er selbst mitten im Genuß frei von den Gegenständen bleibt. Selbst wenn er eine kühle Blonde mit mehr als gewöhnlicher Schaumcntwicklung vor sich hat und das Behagen über das treffliche Getränk nicht ganz verläugnen kann, so liegt doch in seinem rechten Mundwinkel, der in der Regel etwas schief aufwärts strebt, ein Zug, der etwa ausdrückt: „Ick bin der Mann, mir noch janz audere Getränke zu verschaffen!" Im wohlwollenden Gespräch mit den Fremden, die er über die Vorzüge des Kroll'schen Etablissements und der Pano¬ ramen von Gropiuö unterhält, sagt sein zwinkerndes Auge unverkennbar: „Ick rede wohl mit Ihnen, juter Freund, denn ick bin nicht uffgeblasen, aber wenn ick wollte, könnte ick mir mit janz andern Leuten unterhalten!" Er geht regel¬ mäßig in die Gartenconcerte, wo er für zwei gute Groschen Gungl'sche Walzer und Beethoven'sche Symphonien sich vorspielen läßt und dazu eine Cigarre raucht, — Herr Buffey würde um alle Schätze der Welt seiner Stellung nicht so viel vergeben, eine Pfeife in den Mund zu stecken — er wird allen Parteien gerecht; Gnngl ist göttlich und Beethoven famos; er hört die Eroica, — daß sie eS ist, sagt ihm sein Programm — mit beifälligem Kopfschütteln, und meint wohl dabei, es sei doch Schade, daß man ihn in seiner Jugend nicht mehr zum Klavierspiel angehalten, dann hätte er auch solche Schnurren zu Tage gefördert. Herr Buffey hat Alles gesehen, namentlich aber den Faust; er pflegt Stel¬ len aus Auerbach's Keller zu citiren und erinnert sich dabei, daß er in seiner Jugend anch sür ähnliche Dinge geschwärmt, daß er mit seinem Gott gegrollt, wie mit seinem Könige, von einem löblichen Magistrate gar nicht zu reden, bis er sich als Hausbesitzer eine mehr harmonische Weltanschauung angeeignet. Der Herr Bussey ist Hausbesitzer und Rentier, Junggesell oder Wittwer, im letz-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/14>, abgerufen am 22.07.2024.