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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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zum Schutz gegen neue Verhaftung, wie Einige sagen, Beauftragten, um ihm
vom weitern Ausruhrpredigen abzuhalten, wie Andere sagen: so wenig kann man
drei Stunden vom Schauplatz die Wahrheit erfahren! Das Militär trat indeß
in Kurzem ruhig seinen Ausmarsch an.

Bald darauf erließ das Kriminalgericht zu Weimar gegen Lafaurie einen Ver-
haftsbefehl wegen Hochverraths. Ob man Briefe bei Struve von ihm gefunden
oder anderweite Beweise seiner Absicht, einen Aufstand anzuzetteln, weiß ich nicht.
Mit der Haftnehmuug wär der Stadtrichter von Jena beauftragt. Dieser glaubte,
mit seinen acht Polizeidienern etwaigen Widersetzlichkeiten der Jenaischen Demo¬
kraten nicht gewachsen zu sein und auf den Beistand der Bürgerwehr nicht rech¬
nen zu können. Er requirirte Militär. Zwei Compagnien Infanterie unter einem
Hauptmann zogen am 4. October Mittags in Jena ein. Lafaurie saß beim Kon¬
ditor, ein Freund aus Weimar unterrichtete ihn von dem Zweck der Anwesenheit
des Militärs und er entfernte sich ruhig durch die offene Straße. Das Militär
suchte ihn unterdeß in seiner Wohnung und zwei anderen Häusern. Nachher stell¬
ten sich die Soldaten ans dem Markt, dem Rathhaus gegenüber aus und der an¬
führende Hauptmann übergab dem Chef der Jenaischen Bürgerwehr, einem ehe¬
maligen preußischen Oberst, das Kommando. Eine neugierige Menge hatte sich
gesammelt und das Militär wurde geneckt. Der Oberst wollte den Platz frei ha¬
ben, theils um den Neckereien ein Ende zu machen, theils um das Rathhaus zu
umgeben, wohin man indeß jenen Freund, der Lafaurie benachrichtigt, einen Li-
teraten Jade, das Haupt der Weimarischen Demokraten, in Gewahrsam gebracht
hatte. Da die Aufforderung des Obersten nichts fruchtete, so verlas er das Auf¬
ruhrgesetz und ließ dreimal die Trommeln wirbeln. Als Alles nichts fruchtete,
commandirte er: fertig! dies schreckte einigermaßen, der Potz wurde freier, aber
es erweckte die größte Erbitterung und bald wurde der Oberst heftig zur Rede
gesetzt und endlich hin und her gerissen. Ein Appellativnsrath, Paulßen, der ihn
decken wollte, wurde mit einem Gewehrkolben über den Kopf geschlagen, daß er
besinnungslos niedersank. Der Oberst versammelte die Bürgerwehr und das Mi¬
litär zog ab. Unterdeß hatte man jenen Jade blos mit Polizeidienern nach Wei¬
mar eskortiren wollen und er war auf dem Wege befreit worden. Lafaurie er¬
schien mit seinen beiden Trabanten, die ebenfalls verfolgt waren, am Abend und
am folgenden Tage wieder in der Stadt.

Diese Scenen erregten bei der Menge die größte Erbitterung, die sich be¬
sonders auf den unschuldigen Oberst lenkte. Indeß hatte man doch auch einigen
Ernst gesehen, die Lust an offener Widersetzlichkeit war bereits gesunken. Jetzt
war der rechte Augenblick für die Halben gekommen, die unter der Maske der
Gesetzlichkeit auf die Republik losgehen. Diese Partei der abgeschwächten Randa-
leurs, die nicht den Muth der Fanatiker haben, hatte bisher zwischen den Con-
stitutionellen, die mit offenem Visier für Vernunft und Recht kämpfen und den


zum Schutz gegen neue Verhaftung, wie Einige sagen, Beauftragten, um ihm
vom weitern Ausruhrpredigen abzuhalten, wie Andere sagen: so wenig kann man
drei Stunden vom Schauplatz die Wahrheit erfahren! Das Militär trat indeß
in Kurzem ruhig seinen Ausmarsch an.

Bald darauf erließ das Kriminalgericht zu Weimar gegen Lafaurie einen Ver-
haftsbefehl wegen Hochverraths. Ob man Briefe bei Struve von ihm gefunden
oder anderweite Beweise seiner Absicht, einen Aufstand anzuzetteln, weiß ich nicht.
Mit der Haftnehmuug wär der Stadtrichter von Jena beauftragt. Dieser glaubte,
mit seinen acht Polizeidienern etwaigen Widersetzlichkeiten der Jenaischen Demo¬
kraten nicht gewachsen zu sein und auf den Beistand der Bürgerwehr nicht rech¬
nen zu können. Er requirirte Militär. Zwei Compagnien Infanterie unter einem
Hauptmann zogen am 4. October Mittags in Jena ein. Lafaurie saß beim Kon¬
ditor, ein Freund aus Weimar unterrichtete ihn von dem Zweck der Anwesenheit
des Militärs und er entfernte sich ruhig durch die offene Straße. Das Militär
suchte ihn unterdeß in seiner Wohnung und zwei anderen Häusern. Nachher stell¬
ten sich die Soldaten ans dem Markt, dem Rathhaus gegenüber aus und der an¬
führende Hauptmann übergab dem Chef der Jenaischen Bürgerwehr, einem ehe¬
maligen preußischen Oberst, das Kommando. Eine neugierige Menge hatte sich
gesammelt und das Militär wurde geneckt. Der Oberst wollte den Platz frei ha¬
ben, theils um den Neckereien ein Ende zu machen, theils um das Rathhaus zu
umgeben, wohin man indeß jenen Freund, der Lafaurie benachrichtigt, einen Li-
teraten Jade, das Haupt der Weimarischen Demokraten, in Gewahrsam gebracht
hatte. Da die Aufforderung des Obersten nichts fruchtete, so verlas er das Auf¬
ruhrgesetz und ließ dreimal die Trommeln wirbeln. Als Alles nichts fruchtete,
commandirte er: fertig! dies schreckte einigermaßen, der Potz wurde freier, aber
es erweckte die größte Erbitterung und bald wurde der Oberst heftig zur Rede
gesetzt und endlich hin und her gerissen. Ein Appellativnsrath, Paulßen, der ihn
decken wollte, wurde mit einem Gewehrkolben über den Kopf geschlagen, daß er
besinnungslos niedersank. Der Oberst versammelte die Bürgerwehr und das Mi¬
litär zog ab. Unterdeß hatte man jenen Jade blos mit Polizeidienern nach Wei¬
mar eskortiren wollen und er war auf dem Wege befreit worden. Lafaurie er¬
schien mit seinen beiden Trabanten, die ebenfalls verfolgt waren, am Abend und
am folgenden Tage wieder in der Stadt.

Diese Scenen erregten bei der Menge die größte Erbitterung, die sich be¬
sonders auf den unschuldigen Oberst lenkte. Indeß hatte man doch auch einigen
Ernst gesehen, die Lust an offener Widersetzlichkeit war bereits gesunken. Jetzt
war der rechte Augenblick für die Halben gekommen, die unter der Maske der
Gesetzlichkeit auf die Republik losgehen. Diese Partei der abgeschwächten Randa-
leurs, die nicht den Muth der Fanatiker haben, hatte bisher zwischen den Con-
stitutionellen, die mit offenem Visier für Vernunft und Recht kämpfen und den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/92>, abgerufen am 28.09.2024.