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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Jena. Dieser Verein bestand zum großen Theil aus eigentlichen Proletariern;
von den Bürgern nahmen wenige Theil, und nur eine kleine Studentenpartei, von
denen die verständigem sich bald zurückzogen. Lafaurie beschränkte sich indeß nicht
auf Jena. Er stiftete rings herum aus dem Laude Zweigvereine, und es soll ihm
gelungen sein, in großer Ausdehnung nach allen Seiten das Land zu umstricken.

Fragt man nach der Möglichkeit dieses Erfolgs, so liegt die Hauptursache
in der Leichtgläubigkeit und Unüberlegtheit der thüringischen Bauern. Sie wurden
bei der empfindlichsten Seite, bei den Steuern, gepackt und rechneten auf deren
völligen Wegfall. Sie faßten die Republik als Freiheit von den Steuern und der
lästigen Strenge des Gesetzes, als Wegfall oder Reduction auf ein Minimum der
lästigen Obrigkeit. So viel ich weiß, ist unter den sächsischen Herzogthümern die
Steuerlast nur in Weimar bei höchst gerechter Vertheilung irgend nennenswert!);
die Verwaltung dagegen nach der Aussage aller Einsichtigen besonders in Weimar
und Meiningen musterhaft. Meiningen ist freilich ein armes Land, was in na¬
türlichen Verhältnissen liegt, und die Unzufriedenheit daher zu erklären.

Ein anderer Grund des üppigen Aufgehens der republikanischen Aussaat liegt
in der Kleinstaaterei. Die Leute, die nie einen politischen Organismus gesehen,
haben keine Ahnung davon, daß, um hier eine Aenderung hervorzubringen, mehr
dazu gehört, als daß einige Gevattern mit einigen Demagogen sich verschwören.
Dazu kommt, daß das Beamtenthum überall mit der Gevatterschaft zusammen¬
hängt und daß man alle Handlungen als Ausfluß derselben betrachtet, überall
Willkür, vermeintliches Unrecht sieht. Ein drittes Element, das sich zu der Anar¬
chie gesellte, ist das Bedürfniß roher Kraftäußerung im Volke, das sich früher in
Trunkenheit und Schlägereien auf dem Tanzboden Luft machte und nun bei der
allgemeinen Aufregung nach langer Lethargie ungestümer hervorbricht. Die Rauf¬
lust wird idealisirt, wenn man eine rothe Feder auf dem Hute trägt und einer
Partei angehört, die den Staat umwerfen will. Diese Art renommistischer StnKerei
ländlich roher Jncrohables ist vielleicht außer den Rheingegenden nirgend häufiger
als in Thüringen. Das Hauptmotiv des Republikanismus ist sie wohl nur in
Altenburg. Die dortige Bevölkerung ist nicht arm, sondern meist wohlhabend und
dabei kräftig und stolz. Hier ist das Selbstgefühl der Bevölkerung im Gegensatz
zu der kleinlichen ridiculen Erscheinung der Monarchie und des Staatsivesens,
welches der Republik in die Hände arbeitet. Der Uebermuth der Altenburger mit
ihrem kleinen Herzog Katze und Maus zu spielen.

Die mtheilslose Menge wurde nun von Lafaurie und den zwei Trabanten,
die sich zu ihm gesellt hatten, durch die plumpste Sophistik ftnatisirt. Die reichen
Eapitalisteu in der Stadt, deren Gelder auf den Bauerngütern stehen, wurden den
Bauern als Diebe dargestellt, die auf ihren strotzenden Geldsäcken saullenzend den
prodmirenden Landmann den Lohn seiner Arbeit stehlen. Das war neu und wirkte.
"Was uns der Larifari sagt, hat uns noch keener gesagt." Die Demokraten


Jena. Dieser Verein bestand zum großen Theil aus eigentlichen Proletariern;
von den Bürgern nahmen wenige Theil, und nur eine kleine Studentenpartei, von
denen die verständigem sich bald zurückzogen. Lafaurie beschränkte sich indeß nicht
auf Jena. Er stiftete rings herum aus dem Laude Zweigvereine, und es soll ihm
gelungen sein, in großer Ausdehnung nach allen Seiten das Land zu umstricken.

Fragt man nach der Möglichkeit dieses Erfolgs, so liegt die Hauptursache
in der Leichtgläubigkeit und Unüberlegtheit der thüringischen Bauern. Sie wurden
bei der empfindlichsten Seite, bei den Steuern, gepackt und rechneten auf deren
völligen Wegfall. Sie faßten die Republik als Freiheit von den Steuern und der
lästigen Strenge des Gesetzes, als Wegfall oder Reduction auf ein Minimum der
lästigen Obrigkeit. So viel ich weiß, ist unter den sächsischen Herzogthümern die
Steuerlast nur in Weimar bei höchst gerechter Vertheilung irgend nennenswert!);
die Verwaltung dagegen nach der Aussage aller Einsichtigen besonders in Weimar
und Meiningen musterhaft. Meiningen ist freilich ein armes Land, was in na¬
türlichen Verhältnissen liegt, und die Unzufriedenheit daher zu erklären.

Ein anderer Grund des üppigen Aufgehens der republikanischen Aussaat liegt
in der Kleinstaaterei. Die Leute, die nie einen politischen Organismus gesehen,
haben keine Ahnung davon, daß, um hier eine Aenderung hervorzubringen, mehr
dazu gehört, als daß einige Gevattern mit einigen Demagogen sich verschwören.
Dazu kommt, daß das Beamtenthum überall mit der Gevatterschaft zusammen¬
hängt und daß man alle Handlungen als Ausfluß derselben betrachtet, überall
Willkür, vermeintliches Unrecht sieht. Ein drittes Element, das sich zu der Anar¬
chie gesellte, ist das Bedürfniß roher Kraftäußerung im Volke, das sich früher in
Trunkenheit und Schlägereien auf dem Tanzboden Luft machte und nun bei der
allgemeinen Aufregung nach langer Lethargie ungestümer hervorbricht. Die Rauf¬
lust wird idealisirt, wenn man eine rothe Feder auf dem Hute trägt und einer
Partei angehört, die den Staat umwerfen will. Diese Art renommistischer StnKerei
ländlich roher Jncrohables ist vielleicht außer den Rheingegenden nirgend häufiger
als in Thüringen. Das Hauptmotiv des Republikanismus ist sie wohl nur in
Altenburg. Die dortige Bevölkerung ist nicht arm, sondern meist wohlhabend und
dabei kräftig und stolz. Hier ist das Selbstgefühl der Bevölkerung im Gegensatz
zu der kleinlichen ridiculen Erscheinung der Monarchie und des Staatsivesens,
welches der Republik in die Hände arbeitet. Der Uebermuth der Altenburger mit
ihrem kleinen Herzog Katze und Maus zu spielen.

Die mtheilslose Menge wurde nun von Lafaurie und den zwei Trabanten,
die sich zu ihm gesellt hatten, durch die plumpste Sophistik ftnatisirt. Die reichen
Eapitalisteu in der Stadt, deren Gelder auf den Bauerngütern stehen, wurden den
Bauern als Diebe dargestellt, die auf ihren strotzenden Geldsäcken saullenzend den
prodmirenden Landmann den Lohn seiner Arbeit stehlen. Das war neu und wirkte.
„Was uns der Larifari sagt, hat uns noch keener gesagt." Die Demokraten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/90>, abgerufen am 25.12.2024.