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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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18) Politische Sonette von F. Ruverti. Bremen. Geister.

Die Flamme lyrischer Freiheitsbegeisterung versteht zuweilen auch Scherzando zu
lodern. Hier ein Beispiel davon:

Die Pointe ist, wenn nicht schön, doch überraschend.

19) Archiv für das Studium der neuen Sprachen und Literaturen.
Vierteljahrschrist von L. Herrig und Viehvff. Elberfeld, Bädeker.

Das 2. Heft des 3. Bandes dieser vortrefflichen Zeitschrift enthält, mit Ausschluß
der linguistischen Aufsätze, auf die wir hier nicht eingehn können, zwei werthvolle Ab¬
handlungen: Studien zu Göthe's Werken. von Düntzer und Studien zu Shakespeares
Hamlet, von Hoffmann. Die erste beschäftigt sich mit der "Reise der Söhne Mega-
prazons" und den "Unterhandlungen deutscher Ausgewanderter", und sucht mit der lie¬
bevollen Sorgfalt, die man allen Werken des großen Dichters schuldig ist, den innern
Sinn und Zusammenhang jener häufig besprochenen Episoden zu rechtfertigen. Auch das
bekannte Mährchen wird neu interpretirt, mit weniger Hang zu allegorisirender Zu¬
rechtmacherei, als gewöhnlich bei solchen Scholien. Der Aussatz über Hamlet ist aus¬
gezeichnet. Er weist durch einen eben so gewissenhaften als verständigen Vergleich zwi¬
schen der Shakespeareschcn Bearbeitung und der ursprünglichen Sage die Absicht und
Reflexion nach, mit welcher der Dichter die in der Sage festgehaltene Planmäßigkeit
im Verfahren Hamlets in Planlosigkeit verwandelt hat. Er rechtfertigt diese Umwand--
lung -- zu allgemein -- durch Berufung auf Aristoteles. "Der Zweck der Tragödie
besteht nach ihm darin, Furcht und Mitleid zu erregen. Beide aber, sagt er, entste¬
hen am ersten durch ein unerwartetes Ereignis,. Das Unerwartete ergreift "us wiederum
dann am meisten, wenn es nicht durch Absicht, soudern von selbst und durch den Zu¬
fall hervorgebracht wird. Unter dem Zufälligen endlich erregt das das größte Erstau¬
nen, was sich so begibt, als liege ihm eine Absicht zum Grunde. Denn dergleichen
hat den Schein, als geschehe es nicht von ungefähr.

Sobald wir zum vernünftigen Bewußtsein kommen, finden wir die Absicht in uns
mit dem Zufall außer uns in beständigem Konflikte. So oft er auch die Oberhand
behält, können wir doch nicht umhin, Absicht und was ihr zum Grunde liegt, Ver¬
nunft und Freiheit, für das Höchste in der Welt zu halten. So kommen wir denn
dazu , dem Zufall selbst Absicht unterzulegen, und ihn auf eine von der unsern ver¬
schiedene, sie weit übersteigende, aber ihr doch der Art nach verwandte Vernunft zu-


18) Politische Sonette von F. Ruverti. Bremen. Geister.

Die Flamme lyrischer Freiheitsbegeisterung versteht zuweilen auch Scherzando zu
lodern. Hier ein Beispiel davon:

Die Pointe ist, wenn nicht schön, doch überraschend.

19) Archiv für das Studium der neuen Sprachen und Literaturen.
Vierteljahrschrist von L. Herrig und Viehvff. Elberfeld, Bädeker.

Das 2. Heft des 3. Bandes dieser vortrefflichen Zeitschrift enthält, mit Ausschluß
der linguistischen Aufsätze, auf die wir hier nicht eingehn können, zwei werthvolle Ab¬
handlungen: Studien zu Göthe's Werken. von Düntzer und Studien zu Shakespeares
Hamlet, von Hoffmann. Die erste beschäftigt sich mit der „Reise der Söhne Mega-
prazons" und den „Unterhandlungen deutscher Ausgewanderter", und sucht mit der lie¬
bevollen Sorgfalt, die man allen Werken des großen Dichters schuldig ist, den innern
Sinn und Zusammenhang jener häufig besprochenen Episoden zu rechtfertigen. Auch das
bekannte Mährchen wird neu interpretirt, mit weniger Hang zu allegorisirender Zu¬
rechtmacherei, als gewöhnlich bei solchen Scholien. Der Aussatz über Hamlet ist aus¬
gezeichnet. Er weist durch einen eben so gewissenhaften als verständigen Vergleich zwi¬
schen der Shakespeareschcn Bearbeitung und der ursprünglichen Sage die Absicht und
Reflexion nach, mit welcher der Dichter die in der Sage festgehaltene Planmäßigkeit
im Verfahren Hamlets in Planlosigkeit verwandelt hat. Er rechtfertigt diese Umwand--
lung — zu allgemein — durch Berufung auf Aristoteles. „Der Zweck der Tragödie
besteht nach ihm darin, Furcht und Mitleid zu erregen. Beide aber, sagt er, entste¬
hen am ersten durch ein unerwartetes Ereignis,. Das Unerwartete ergreift «us wiederum
dann am meisten, wenn es nicht durch Absicht, soudern von selbst und durch den Zu¬
fall hervorgebracht wird. Unter dem Zufälligen endlich erregt das das größte Erstau¬
nen, was sich so begibt, als liege ihm eine Absicht zum Grunde. Denn dergleichen
hat den Schein, als geschehe es nicht von ungefähr.

Sobald wir zum vernünftigen Bewußtsein kommen, finden wir die Absicht in uns
mit dem Zufall außer uns in beständigem Konflikte. So oft er auch die Oberhand
behält, können wir doch nicht umhin, Absicht und was ihr zum Grunde liegt, Ver¬
nunft und Freiheit, für das Höchste in der Welt zu halten. So kommen wir denn
dazu , dem Zufall selbst Absicht unterzulegen, und ihn auf eine von der unsern ver¬
schiedene, sie weit übersteigende, aber ihr doch der Art nach verwandte Vernunft zu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/85>, abgerufen am 25.12.2024.