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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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voll berechtigte Einwohner einer Gemeinde hat das Recht zu Gemeindeämtern zu
wählen und gewählt zu werden.

Die Gemeinde gibt sich durch Abgeordnete Gesetze, ertheilt durch sie das
Heimathsrecht, controlirt durch sie die Verwaltung, setzt durch sie das jährliche
Budget fest; sie verwaltet ihre Angelegenheiten durch einen Vorstand (Ortsobrig-
keit), welcher aus einem Dirigenten (Bürgermeister, Schultheiß) und Beisitzern
(Rathsherren, Schöffen) besteht und durch die Abgeordneten der Gemeinde gewählt
wird. Die Gemeindeabgcordneten werden auf drei Jahre gewählt, jährlich scheidet
ein Drittheil aus, die Schöffen auf sechs Jahr, alle zwei Jahre scheidet ein
Drittheil aus, der Dirigent auf sechs Jahr oder länger. Der Dirigent erhält
Gehalt, von den Schöffen diejenigen, denen die Gemeinde eine Besoldung be¬
stimmt (der Kassirer, der Techniker, der Secretär), die Abgeordneten dürfen keinen
Gehalt haben. Alle diese Wahlen bedürfen keiner Bestätigung durch den Staat,
auch die des Dirigenten nicht. Nur in dem Fall, daß wenigstens ein Drittheil
der stimmfähigen Einwohner gegen den erwählten Dirigenten protestirt, steht dem
Staat zu, die Tüchtigkeit des Candidaten zu prüfen und ihn nach Umständen zu
verwerfen.

Dem Dirigenten und den Abgeordneten der Stadt steht jederzeit frei, in
wichtigen Angelegenheiten die Gemeinde aber nur durch den Dirigenten zur Ge¬
meindeversammlung zu rufen und unter dem Vorsitz desselben ihre Ansicht
einzuholen. Verpflichtung dazu liegt vor, so oft es sich um eine Veränderung der
Substanz des Gemeindevermögens oder um außerordentliche Leistungen handelt,
welche durch das Budget und die disponibel" Kräfte der Gemeinde nicht bewältigt
werden können. In diesen Fällen ist die Entscheidung der Gemeinde maßgebend,
im Fall der Berufung aus freien Stücken gilt sie nur als Rath.

Der Dirigent ist verpflichtet aus den Antrag der Abgeordneten die Gemeinde¬
versammlung zu berufen, das Einberufen aus freien Stücken muß durch eine Ma"
jorität von zwei Drittheilen der Abgeordneten beschlossen sein. Im Fall die Ab¬
geordneten den Vorsitz des Dirigenten in der Gemeindeversammlung nicht wollen,
haben sie die Uebernahme des Präsidiums von dem Dirigenten des Kreises unter
Beifügung der Gründe zu erbitten.

Gemeinden von mehr als 2 bis 3000 Einwohnern werden in Bezirke getheilt,
welche l bis 2000 Einwohner enthalten. Jeder Ortsbezirk hat einen Bezirks¬
vorsteher für die Verwaltung, einen Friedensrichter für städtische Polizei und
Rechtspflege und einen Armenvater. Diese stehen unter dem Gemeinde-(Schieds--
manu)vorstand, treten mit diesem zu regelmäßigen Konferenzen zusammen und
werden durch die Wähler ihres Bezirks erwählt. Unter dem Armenvater des Be¬
zirks stehen die Armenpfleger, auf circa 2 bis 500 Menschen je einer, jeder Arme
und Hilfsbedürftige gehört einem Pfleger an. Diese Aemter sind als Ehrenämter
natürlich ohne Gehalt.


voll berechtigte Einwohner einer Gemeinde hat das Recht zu Gemeindeämtern zu
wählen und gewählt zu werden.

Die Gemeinde gibt sich durch Abgeordnete Gesetze, ertheilt durch sie das
Heimathsrecht, controlirt durch sie die Verwaltung, setzt durch sie das jährliche
Budget fest; sie verwaltet ihre Angelegenheiten durch einen Vorstand (Ortsobrig-
keit), welcher aus einem Dirigenten (Bürgermeister, Schultheiß) und Beisitzern
(Rathsherren, Schöffen) besteht und durch die Abgeordneten der Gemeinde gewählt
wird. Die Gemeindeabgcordneten werden auf drei Jahre gewählt, jährlich scheidet
ein Drittheil aus, die Schöffen auf sechs Jahr, alle zwei Jahre scheidet ein
Drittheil aus, der Dirigent auf sechs Jahr oder länger. Der Dirigent erhält
Gehalt, von den Schöffen diejenigen, denen die Gemeinde eine Besoldung be¬
stimmt (der Kassirer, der Techniker, der Secretär), die Abgeordneten dürfen keinen
Gehalt haben. Alle diese Wahlen bedürfen keiner Bestätigung durch den Staat,
auch die des Dirigenten nicht. Nur in dem Fall, daß wenigstens ein Drittheil
der stimmfähigen Einwohner gegen den erwählten Dirigenten protestirt, steht dem
Staat zu, die Tüchtigkeit des Candidaten zu prüfen und ihn nach Umständen zu
verwerfen.

Dem Dirigenten und den Abgeordneten der Stadt steht jederzeit frei, in
wichtigen Angelegenheiten die Gemeinde aber nur durch den Dirigenten zur Ge¬
meindeversammlung zu rufen und unter dem Vorsitz desselben ihre Ansicht
einzuholen. Verpflichtung dazu liegt vor, so oft es sich um eine Veränderung der
Substanz des Gemeindevermögens oder um außerordentliche Leistungen handelt,
welche durch das Budget und die disponibel« Kräfte der Gemeinde nicht bewältigt
werden können. In diesen Fällen ist die Entscheidung der Gemeinde maßgebend,
im Fall der Berufung aus freien Stücken gilt sie nur als Rath.

Der Dirigent ist verpflichtet aus den Antrag der Abgeordneten die Gemeinde¬
versammlung zu berufen, das Einberufen aus freien Stücken muß durch eine Ma«
jorität von zwei Drittheilen der Abgeordneten beschlossen sein. Im Fall die Ab¬
geordneten den Vorsitz des Dirigenten in der Gemeindeversammlung nicht wollen,
haben sie die Uebernahme des Präsidiums von dem Dirigenten des Kreises unter
Beifügung der Gründe zu erbitten.

Gemeinden von mehr als 2 bis 3000 Einwohnern werden in Bezirke getheilt,
welche l bis 2000 Einwohner enthalten. Jeder Ortsbezirk hat einen Bezirks¬
vorsteher für die Verwaltung, einen Friedensrichter für städtische Polizei und
Rechtspflege und einen Armenvater. Diese stehen unter dem Gemeinde-(Schieds--
manu)vorstand, treten mit diesem zu regelmäßigen Konferenzen zusammen und
werden durch die Wähler ihres Bezirks erwählt. Unter dem Armenvater des Be¬
zirks stehen die Armenpfleger, auf circa 2 bis 500 Menschen je einer, jeder Arme
und Hilfsbedürftige gehört einem Pfleger an. Diese Aemter sind als Ehrenämter
natürlich ohne Gehalt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/79>, abgerufen am 25.12.2024.