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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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2) Wie steht es mit der rechtlichen Grundlage dieser Vereinigung?
3) Was haben beide Theile für ein Interesse daran?

Die erste Frage zu beantworten, muß ich auf den März zurückgehen. Die
Freiheitstendenzen der deutschen Stämme waren bis dahin vorzugsweise durch die
beiden mit den Einzelregierungen verbündeten Großmächte -- durch Oestreich und
Preußen paralysirt. Aber Oestreich und Preußen trat nie in seinem eignen Na¬
men, sondern im Namen des deutschen Bundestags ans; ja Preußen setzte die¬
ses Schreckgespenst uicht nur den kleinen deutschen Staaten, sondern seinem eig¬
nen Volk entgegen. Der Bundestag concentrirte also als der Inbegriff alles
Servilismus den ganzen Haß des deutschen Volks auf sich. Das Stichwort
der deutschen Liberalen war nun: Vertretung des Volks beim Bundestag, d. h.
Aufhebung der schädlichen Einwirkung, welche der Bundestag auf die freie Ent¬
wickelung des deutschen Volkes ausübte, durch eine nationale Repräsentation. Diese
ihrem Wesen nach negative Forderung legitimirte man durch einen positiven Wunsch:
Einheit Deutschlands. Ein Wunsch, der insofern berechtigt war, als den kleinen
Staaten, Preußen uicht ausgenommen, ihrer Lage nach die Lebensfähigkeit abging.
Man dachte dabei stets an eine Trennung Oestreichs, das östreichische Volk konnte
man nicht hoffen, nicht wagen, zu diesem neuen Völkerbunde ziehn zu dürfen.
Ich erinnere Sie an ein Rundschreiben der demokratischen Partei, das bald
nach der Aufhebung Krakaus die kleinen deutschen Staaten aufforderte, einen
Bund abzuschließen gegen den Uebergriff der Großmächte. In diesem Rundschrei-
ben war ausdrücklich gesagt, Preußen soll der Eintritt offen gehalten werden,
Oestreich aber nicht. Theils identificirte man das Metternich'sche System mit
Oestreich, theils fühlte man die innern Schwierigkeiten, die sich einem solchen An¬
schluß entgegenstellten. Ich erinnere Sie ferner an die bekannte Rede Heinrich's
v. Gagern in der Darmstädter Ständeversammlung, noch in der 2. Hälfte des
März. Es war darin ausdrücklich erklärt, bei der Reorganisation Dentschlands
müsse man von Oestreich ganz abstrahiren und sich an Preußen halten.

Der 14. Mai kam Allen unerwartet, ich kann sagen, Ihnen wie uns. Oest¬
reich, ans das man am letzten gerechnet hatte, brach zuerst seiue Fesseln. Der
Jubel über diesen Sieg der Freiheit mischte sich mit der Anerkennung der östrei¬
chischen Volks-Jndividualität, die den Süddeutschen viel näher stand als das steife
preußische Wesen, und mit der Hoffnung, Oestreich als ein Gegengewicht gegen
den preußischen Einfluß in die Wagschale zu werfen. Der unglückselige Ritt des
Königs von Preußen gab diesem Gefühl Veranlassung, sich laut auszusprechen.
Daher der Enthusiasmus, der das erste Auftreten WieSners, eines östreichischen
"Ausländers", im Vorparlament begleitete. Daher der Jubel, mit welchem im
Fünfziger - Ausschuß die ersten östreichischen Deputaten, worunter auch Sie waren,
empfangen wurden.

Ich wende mich, nun nach Oestreich. Was war für Oestreich in den März-


2) Wie steht es mit der rechtlichen Grundlage dieser Vereinigung?
3) Was haben beide Theile für ein Interesse daran?

Die erste Frage zu beantworten, muß ich auf den März zurückgehen. Die
Freiheitstendenzen der deutschen Stämme waren bis dahin vorzugsweise durch die
beiden mit den Einzelregierungen verbündeten Großmächte — durch Oestreich und
Preußen paralysirt. Aber Oestreich und Preußen trat nie in seinem eignen Na¬
men, sondern im Namen des deutschen Bundestags ans; ja Preußen setzte die¬
ses Schreckgespenst uicht nur den kleinen deutschen Staaten, sondern seinem eig¬
nen Volk entgegen. Der Bundestag concentrirte also als der Inbegriff alles
Servilismus den ganzen Haß des deutschen Volks auf sich. Das Stichwort
der deutschen Liberalen war nun: Vertretung des Volks beim Bundestag, d. h.
Aufhebung der schädlichen Einwirkung, welche der Bundestag auf die freie Ent¬
wickelung des deutschen Volkes ausübte, durch eine nationale Repräsentation. Diese
ihrem Wesen nach negative Forderung legitimirte man durch einen positiven Wunsch:
Einheit Deutschlands. Ein Wunsch, der insofern berechtigt war, als den kleinen
Staaten, Preußen uicht ausgenommen, ihrer Lage nach die Lebensfähigkeit abging.
Man dachte dabei stets an eine Trennung Oestreichs, das östreichische Volk konnte
man nicht hoffen, nicht wagen, zu diesem neuen Völkerbunde ziehn zu dürfen.
Ich erinnere Sie an ein Rundschreiben der demokratischen Partei, das bald
nach der Aufhebung Krakaus die kleinen deutschen Staaten aufforderte, einen
Bund abzuschließen gegen den Uebergriff der Großmächte. In diesem Rundschrei-
ben war ausdrücklich gesagt, Preußen soll der Eintritt offen gehalten werden,
Oestreich aber nicht. Theils identificirte man das Metternich'sche System mit
Oestreich, theils fühlte man die innern Schwierigkeiten, die sich einem solchen An¬
schluß entgegenstellten. Ich erinnere Sie ferner an die bekannte Rede Heinrich's
v. Gagern in der Darmstädter Ständeversammlung, noch in der 2. Hälfte des
März. Es war darin ausdrücklich erklärt, bei der Reorganisation Dentschlands
müsse man von Oestreich ganz abstrahiren und sich an Preußen halten.

Der 14. Mai kam Allen unerwartet, ich kann sagen, Ihnen wie uns. Oest¬
reich, ans das man am letzten gerechnet hatte, brach zuerst seiue Fesseln. Der
Jubel über diesen Sieg der Freiheit mischte sich mit der Anerkennung der östrei¬
chischen Volks-Jndividualität, die den Süddeutschen viel näher stand als das steife
preußische Wesen, und mit der Hoffnung, Oestreich als ein Gegengewicht gegen
den preußischen Einfluß in die Wagschale zu werfen. Der unglückselige Ritt des
Königs von Preußen gab diesem Gefühl Veranlassung, sich laut auszusprechen.
Daher der Enthusiasmus, der das erste Auftreten WieSners, eines östreichischen
„Ausländers", im Vorparlament begleitete. Daher der Jubel, mit welchem im
Fünfziger - Ausschuß die ersten östreichischen Deputaten, worunter auch Sie waren,
empfangen wurden.

Ich wende mich, nun nach Oestreich. Was war für Oestreich in den März-


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[0053] 2) Wie steht es mit der rechtlichen Grundlage dieser Vereinigung? 3) Was haben beide Theile für ein Interesse daran? Die erste Frage zu beantworten, muß ich auf den März zurückgehen. Die Freiheitstendenzen der deutschen Stämme waren bis dahin vorzugsweise durch die beiden mit den Einzelregierungen verbündeten Großmächte — durch Oestreich und Preußen paralysirt. Aber Oestreich und Preußen trat nie in seinem eignen Na¬ men, sondern im Namen des deutschen Bundestags ans; ja Preußen setzte die¬ ses Schreckgespenst uicht nur den kleinen deutschen Staaten, sondern seinem eig¬ nen Volk entgegen. Der Bundestag concentrirte also als der Inbegriff alles Servilismus den ganzen Haß des deutschen Volks auf sich. Das Stichwort der deutschen Liberalen war nun: Vertretung des Volks beim Bundestag, d. h. Aufhebung der schädlichen Einwirkung, welche der Bundestag auf die freie Ent¬ wickelung des deutschen Volkes ausübte, durch eine nationale Repräsentation. Diese ihrem Wesen nach negative Forderung legitimirte man durch einen positiven Wunsch: Einheit Deutschlands. Ein Wunsch, der insofern berechtigt war, als den kleinen Staaten, Preußen uicht ausgenommen, ihrer Lage nach die Lebensfähigkeit abging. Man dachte dabei stets an eine Trennung Oestreichs, das östreichische Volk konnte man nicht hoffen, nicht wagen, zu diesem neuen Völkerbunde ziehn zu dürfen. Ich erinnere Sie an ein Rundschreiben der demokratischen Partei, das bald nach der Aufhebung Krakaus die kleinen deutschen Staaten aufforderte, einen Bund abzuschließen gegen den Uebergriff der Großmächte. In diesem Rundschrei- ben war ausdrücklich gesagt, Preußen soll der Eintritt offen gehalten werden, Oestreich aber nicht. Theils identificirte man das Metternich'sche System mit Oestreich, theils fühlte man die innern Schwierigkeiten, die sich einem solchen An¬ schluß entgegenstellten. Ich erinnere Sie ferner an die bekannte Rede Heinrich's v. Gagern in der Darmstädter Ständeversammlung, noch in der 2. Hälfte des März. Es war darin ausdrücklich erklärt, bei der Reorganisation Dentschlands müsse man von Oestreich ganz abstrahiren und sich an Preußen halten. Der 14. Mai kam Allen unerwartet, ich kann sagen, Ihnen wie uns. Oest¬ reich, ans das man am letzten gerechnet hatte, brach zuerst seiue Fesseln. Der Jubel über diesen Sieg der Freiheit mischte sich mit der Anerkennung der östrei¬ chischen Volks-Jndividualität, die den Süddeutschen viel näher stand als das steife preußische Wesen, und mit der Hoffnung, Oestreich als ein Gegengewicht gegen den preußischen Einfluß in die Wagschale zu werfen. Der unglückselige Ritt des Königs von Preußen gab diesem Gefühl Veranlassung, sich laut auszusprechen. Daher der Enthusiasmus, der das erste Auftreten WieSners, eines östreichischen „Ausländers", im Vorparlament begleitete. Daher der Jubel, mit welchem im Fünfziger - Ausschuß die ersten östreichischen Deputaten, worunter auch Sie waren, empfangen wurden. Ich wende mich, nun nach Oestreich. Was war für Oestreich in den März-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/53>, abgerufen am 26.12.2024.