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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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leicht zerbrechlich, im Bündel auch der stärksten Faust trotzen. Ein Bild ist im¬
mer nur halbwahr; der einzelne Pfeil ist ein tödtliches Geschoß, mit dem Bündel
würde kein Bogen etwas ausrichten. Diese in einem dritten souveränen Staat
verzwickten zwei souveränen Staaten würden den Siamesischen Zwillinge gleichen,
die ineinander verwachsen sind und nun jede sreie Bewegung verloren haben.

Wenn Oestreich seine große Bestimmung, die Entwicklung eines demokratischen
Völkerbundes, erfüllen will, so muß es freie Hände haben. Wenn es seinem
welthistorischen Berufe am Po und der untern Donau nachgehen will, so muß es
einen kräftigen Nachbarn als Vormauer dem französischen Ehrgeiz entgegenstellen.
Baden, Würtemberg u. s. w. wären, isolirt, nur Schein-Existenzen, in jedem
Collisionsfall würden sie als Rheinbund dem feindlichen Nachbarn dienen. Oest¬
reich muß wünschen, daß Deutschland sich unabhängig und kräftig entwickelt, um
es zum freien Verbündeten zu haben.

Nicht verbündet durch todte Pergamente! Ewige Verpflichtungen werden
nur gehalten, so lange das Interesse ihnen Realität gibt. Es bedarf keines Pa¬
piers zwischen Deutschland und Oestreich. Nicht umsonst hat die Geschichte sie
bisher verbrüdert; kein Zufall wehte die preußischen und östreichischen Banner am
Rhein zusammen, es war die innere Nothwendigkeit ihrer Lage. Nicht immer
wird das Riesengebirge den Paschern überlassen bleiben; nicht immer die Mauth
die sreie Fahrt auf der Donau unterbrechen; nicht immer -- und das gilt Ih¬
nen, hochgeehrter Herr! -- wird die slavische Nachtigall Kriegslieder flöten gegen
die deutschen Brüder. Genug des falschen Spiels! Es fällt mir nicht ein, alle
Auswüchse der Partei zur Last zu legen, ich weiß, daß jede politische Tendenz
einen sinnlichen Ausdruck, einen populären Gegenstand sucht, und das Sclttisollig,
n-den uicv hat mich so wenig befremdet, als die drohende Haltung der Swornost-
mützen, die ihrem Namen wenig entspricht. Aber es wäre gefährlich, zu lange
diesem blinden Spiel sinnlicher Kräfte freien Lauf zu lassen; gefährlich, denn es
verlegt die politische Entwicklung in das wüste Gebiet der Träume und Fabeln.
Nur als Oestreicher kann der Czeche sich politisch realisiren, mir im engen Bunde
mit der deutscheu Cultur eine würdige Stellung nnter den Nationen einnehmen. --

Ich komme auf die dritte Version der Einheit Deutschlands und Oestreichs --
die Wiederherstellung des Bundestages mit Aufgebung der angestrebten constitu-
tionellen Concentration. Wenn Oestreich entschieden darauf besteht, so wird Preußen
sich dieser Aufforderung nicht entzieh"; es wird ihm sogar den legitimen Präfi-
dentenstuhl nicht streitig machen; die auswärtigen Mächte würden mit Freuden
diese Rückkehr zu dem historischen Dämmerleben Deutschlands begrüßen und der
Radicalismus würde nicht die Kräfte haben, die Schlingen der Diplomatie zu
zerreißen. Die Einheit wäre dann gewonnen, aber auf Kosten der Freiheit! Ein
neuer Metternich würde einen reichen Schauplatz seiner Thätigkeit finden und der
Name Oestreich würde wieder von Gewicht sein, aber die Völker würden ihren


Gmizboten. IV. I""". KZ

leicht zerbrechlich, im Bündel auch der stärksten Faust trotzen. Ein Bild ist im¬
mer nur halbwahr; der einzelne Pfeil ist ein tödtliches Geschoß, mit dem Bündel
würde kein Bogen etwas ausrichten. Diese in einem dritten souveränen Staat
verzwickten zwei souveränen Staaten würden den Siamesischen Zwillinge gleichen,
die ineinander verwachsen sind und nun jede sreie Bewegung verloren haben.

Wenn Oestreich seine große Bestimmung, die Entwicklung eines demokratischen
Völkerbundes, erfüllen will, so muß es freie Hände haben. Wenn es seinem
welthistorischen Berufe am Po und der untern Donau nachgehen will, so muß es
einen kräftigen Nachbarn als Vormauer dem französischen Ehrgeiz entgegenstellen.
Baden, Würtemberg u. s. w. wären, isolirt, nur Schein-Existenzen, in jedem
Collisionsfall würden sie als Rheinbund dem feindlichen Nachbarn dienen. Oest¬
reich muß wünschen, daß Deutschland sich unabhängig und kräftig entwickelt, um
es zum freien Verbündeten zu haben.

Nicht verbündet durch todte Pergamente! Ewige Verpflichtungen werden
nur gehalten, so lange das Interesse ihnen Realität gibt. Es bedarf keines Pa¬
piers zwischen Deutschland und Oestreich. Nicht umsonst hat die Geschichte sie
bisher verbrüdert; kein Zufall wehte die preußischen und östreichischen Banner am
Rhein zusammen, es war die innere Nothwendigkeit ihrer Lage. Nicht immer
wird das Riesengebirge den Paschern überlassen bleiben; nicht immer die Mauth
die sreie Fahrt auf der Donau unterbrechen; nicht immer — und das gilt Ih¬
nen, hochgeehrter Herr! — wird die slavische Nachtigall Kriegslieder flöten gegen
die deutschen Brüder. Genug des falschen Spiels! Es fällt mir nicht ein, alle
Auswüchse der Partei zur Last zu legen, ich weiß, daß jede politische Tendenz
einen sinnlichen Ausdruck, einen populären Gegenstand sucht, und das Sclttisollig,
n-den uicv hat mich so wenig befremdet, als die drohende Haltung der Swornost-
mützen, die ihrem Namen wenig entspricht. Aber es wäre gefährlich, zu lange
diesem blinden Spiel sinnlicher Kräfte freien Lauf zu lassen; gefährlich, denn es
verlegt die politische Entwicklung in das wüste Gebiet der Träume und Fabeln.
Nur als Oestreicher kann der Czeche sich politisch realisiren, mir im engen Bunde
mit der deutscheu Cultur eine würdige Stellung nnter den Nationen einnehmen. —

Ich komme auf die dritte Version der Einheit Deutschlands und Oestreichs —
die Wiederherstellung des Bundestages mit Aufgebung der angestrebten constitu-
tionellen Concentration. Wenn Oestreich entschieden darauf besteht, so wird Preußen
sich dieser Aufforderung nicht entzieh«; es wird ihm sogar den legitimen Präfi-
dentenstuhl nicht streitig machen; die auswärtigen Mächte würden mit Freuden
diese Rückkehr zu dem historischen Dämmerleben Deutschlands begrüßen und der
Radicalismus würde nicht die Kräfte haben, die Schlingen der Diplomatie zu
zerreißen. Die Einheit wäre dann gewonnen, aber auf Kosten der Freiheit! Ein
neuer Metternich würde einen reichen Schauplatz seiner Thätigkeit finden und der
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[0501] leicht zerbrechlich, im Bündel auch der stärksten Faust trotzen. Ein Bild ist im¬ mer nur halbwahr; der einzelne Pfeil ist ein tödtliches Geschoß, mit dem Bündel würde kein Bogen etwas ausrichten. Diese in einem dritten souveränen Staat verzwickten zwei souveränen Staaten würden den Siamesischen Zwillinge gleichen, die ineinander verwachsen sind und nun jede sreie Bewegung verloren haben. Wenn Oestreich seine große Bestimmung, die Entwicklung eines demokratischen Völkerbundes, erfüllen will, so muß es freie Hände haben. Wenn es seinem welthistorischen Berufe am Po und der untern Donau nachgehen will, so muß es einen kräftigen Nachbarn als Vormauer dem französischen Ehrgeiz entgegenstellen. Baden, Würtemberg u. s. w. wären, isolirt, nur Schein-Existenzen, in jedem Collisionsfall würden sie als Rheinbund dem feindlichen Nachbarn dienen. Oest¬ reich muß wünschen, daß Deutschland sich unabhängig und kräftig entwickelt, um es zum freien Verbündeten zu haben. Nicht verbündet durch todte Pergamente! Ewige Verpflichtungen werden nur gehalten, so lange das Interesse ihnen Realität gibt. Es bedarf keines Pa¬ piers zwischen Deutschland und Oestreich. Nicht umsonst hat die Geschichte sie bisher verbrüdert; kein Zufall wehte die preußischen und östreichischen Banner am Rhein zusammen, es war die innere Nothwendigkeit ihrer Lage. Nicht immer wird das Riesengebirge den Paschern überlassen bleiben; nicht immer die Mauth die sreie Fahrt auf der Donau unterbrechen; nicht immer — und das gilt Ih¬ nen, hochgeehrter Herr! — wird die slavische Nachtigall Kriegslieder flöten gegen die deutschen Brüder. Genug des falschen Spiels! Es fällt mir nicht ein, alle Auswüchse der Partei zur Last zu legen, ich weiß, daß jede politische Tendenz einen sinnlichen Ausdruck, einen populären Gegenstand sucht, und das Sclttisollig, n-den uicv hat mich so wenig befremdet, als die drohende Haltung der Swornost- mützen, die ihrem Namen wenig entspricht. Aber es wäre gefährlich, zu lange diesem blinden Spiel sinnlicher Kräfte freien Lauf zu lassen; gefährlich, denn es verlegt die politische Entwicklung in das wüste Gebiet der Träume und Fabeln. Nur als Oestreicher kann der Czeche sich politisch realisiren, mir im engen Bunde mit der deutscheu Cultur eine würdige Stellung nnter den Nationen einnehmen. — Ich komme auf die dritte Version der Einheit Deutschlands und Oestreichs — die Wiederherstellung des Bundestages mit Aufgebung der angestrebten constitu- tionellen Concentration. Wenn Oestreich entschieden darauf besteht, so wird Preußen sich dieser Aufforderung nicht entzieh«; es wird ihm sogar den legitimen Präfi- dentenstuhl nicht streitig machen; die auswärtigen Mächte würden mit Freuden diese Rückkehr zu dem historischen Dämmerleben Deutschlands begrüßen und der Radicalismus würde nicht die Kräfte haben, die Schlingen der Diplomatie zu zerreißen. Die Einheit wäre dann gewonnen, aber auf Kosten der Freiheit! Ein neuer Metternich würde einen reichen Schauplatz seiner Thätigkeit finden und der Name Oestreich würde wieder von Gewicht sein, aber die Völker würden ihren Gmizboten. IV. I««». KZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/501>, abgerufen am 25.12.2024.