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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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würdige Haltung an den Tag legt, als sie es in den Märztagen den Magyaren
gegenüber gethan; vielmehr wiederholt sich jetzt die magyarische Farce aus südsla¬
vischem Boden. Auch das Ministerium Schwarzenberg-Stadion kennt nach dieser
Seite hin keine andere Politik, als die der Verlegenheit, welche sich allein durch
den Drang der faktischen Umstände bestimmen laßt, ohne sich davon Rechenschaft
zu geben, ob sie sich selber treu bleiben, und die Consequenzen ihrer Zugeständ¬
nisse einhalten könne. Man hat bisher die serbische Frage, die schon seit dem
Slavencongresse in Anregung gebracht wurde, mit unverzeihlichem Leichtsinn bei
Seite geschoben -- und am Ende hat man sie in einem Zeitpunkte erledigt, wo
nichts als das passive, widerstandslose Nachgeben erübrigte. Die Adressen des Pa¬
triarchen Rajachich und des Nationalcomitv's .von Karlowitz erklärten ja unum¬
wunden , daß die Serben, wenn die Negierung ihre Forderungen nicht ohne Rück¬
halt befriedigen sollte mit den Ungarn Frieden zu schließen, und diesen den Kampf
gegen Oestreich erleichtern würden. Was blieb unter solchen Umständen andere"
übrig, als den Serben ein längst vergessenes, aber neuerdings geltend gemachte"
Privilegium zu bestätigen, und dadurch der vernünftigen Umgestaltung Oestreich"
ein neues Hinderniß in den Weg zu stellen. Auf diese Weise wird, während man
die für Oestreich so verderbliche Ausnahmsstellung der Magyaren in Ungarn be-
kämpft, eine neue und ähnliche in dem slavischen Süden geschaffen. Die Serben
führen als die Rechtsgrundlage ihrer Forderung einen Gnadenbrief deS Kaisers
Leopold l. an, worin ihnen die Befugniß "pati-lal-ctiav et voivoljao libere elixenlli"
ausdrücklich zugestanden wird. Die serbische Woivodina enthält aber einen Flä¬
chenraum von 900 Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 2 Millionen, die
nur zu einem Dritttheil aus Serben, und übrigens an" einem Gemisch von Deut¬
schen, Kroaten, Slavenen und Magyaren besteht. Es fragt sich nnn, wie sich
der Woiwode Snlpicac, der schon längst se t^ceo gewählt, und jetzt auch von
der Regierung bestätigt worden ist, sein Verhältniß zur östreichischen Centralgewalt
denkt. Vielleicht hat er sich und seine "serbische Heldennation", die in dem Kampfe
gegen Ungarn zu dem vollen Bewußtsein ihrer Kraft gelangt ist, schon längst an
den Gedanken gewöhnt, die östreichische Oberherrlichkeit als eine bloße Schutz-
Herrschaft aufzufassen. --

Ich glaube, Ihnen über diese und ähnliche Verhältnisse, wie über die Stel¬
lung der Czechen zu der übrigen Slavenwelt in kurzer Zeit wichtige und interes¬
sante Mittheilungen machen zu können. Denn die slavische Contrerevolution die
der Unverstand der Wiener Demokraten heraufbeschworen hat, ist noch lange nicht
zu Ende. Auf unserem Boden ist sie eigentlich nur eine energische Fortsetzung
des alten Kampfes gegen die Germanisirung. Einmal war Metternich, da" an¬
dermal Löhner und Consorten die Träger dieser Tyrannei. Die Demokratie wollte
in Metternich'scher Form -- d. i. nach einem streng durchgeführten Centralisation"-


würdige Haltung an den Tag legt, als sie es in den Märztagen den Magyaren
gegenüber gethan; vielmehr wiederholt sich jetzt die magyarische Farce aus südsla¬
vischem Boden. Auch das Ministerium Schwarzenberg-Stadion kennt nach dieser
Seite hin keine andere Politik, als die der Verlegenheit, welche sich allein durch
den Drang der faktischen Umstände bestimmen laßt, ohne sich davon Rechenschaft
zu geben, ob sie sich selber treu bleiben, und die Consequenzen ihrer Zugeständ¬
nisse einhalten könne. Man hat bisher die serbische Frage, die schon seit dem
Slavencongresse in Anregung gebracht wurde, mit unverzeihlichem Leichtsinn bei
Seite geschoben — und am Ende hat man sie in einem Zeitpunkte erledigt, wo
nichts als das passive, widerstandslose Nachgeben erübrigte. Die Adressen des Pa¬
triarchen Rajachich und des Nationalcomitv's .von Karlowitz erklärten ja unum¬
wunden , daß die Serben, wenn die Negierung ihre Forderungen nicht ohne Rück¬
halt befriedigen sollte mit den Ungarn Frieden zu schließen, und diesen den Kampf
gegen Oestreich erleichtern würden. Was blieb unter solchen Umständen andere»
übrig, als den Serben ein längst vergessenes, aber neuerdings geltend gemachte»
Privilegium zu bestätigen, und dadurch der vernünftigen Umgestaltung Oestreich»
ein neues Hinderniß in den Weg zu stellen. Auf diese Weise wird, während man
die für Oestreich so verderbliche Ausnahmsstellung der Magyaren in Ungarn be-
kämpft, eine neue und ähnliche in dem slavischen Süden geschaffen. Die Serben
führen als die Rechtsgrundlage ihrer Forderung einen Gnadenbrief deS Kaisers
Leopold l. an, worin ihnen die Befugniß „pati-lal-ctiav et voivoljao libere elixenlli"
ausdrücklich zugestanden wird. Die serbische Woivodina enthält aber einen Flä¬
chenraum von 900 Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 2 Millionen, die
nur zu einem Dritttheil aus Serben, und übrigens an» einem Gemisch von Deut¬
schen, Kroaten, Slavenen und Magyaren besteht. Es fragt sich nnn, wie sich
der Woiwode Snlpicac, der schon längst se t^ceo gewählt, und jetzt auch von
der Regierung bestätigt worden ist, sein Verhältniß zur östreichischen Centralgewalt
denkt. Vielleicht hat er sich und seine „serbische Heldennation", die in dem Kampfe
gegen Ungarn zu dem vollen Bewußtsein ihrer Kraft gelangt ist, schon längst an
den Gedanken gewöhnt, die östreichische Oberherrlichkeit als eine bloße Schutz-
Herrschaft aufzufassen. —

Ich glaube, Ihnen über diese und ähnliche Verhältnisse, wie über die Stel¬
lung der Czechen zu der übrigen Slavenwelt in kurzer Zeit wichtige und interes¬
sante Mittheilungen machen zu können. Denn die slavische Contrerevolution die
der Unverstand der Wiener Demokraten heraufbeschworen hat, ist noch lange nicht
zu Ende. Auf unserem Boden ist sie eigentlich nur eine energische Fortsetzung
des alten Kampfes gegen die Germanisirung. Einmal war Metternich, da» an¬
dermal Löhner und Consorten die Träger dieser Tyrannei. Die Demokratie wollte
in Metternich'scher Form — d. i. nach einem streng durchgeführten Centralisation»-


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[0459] würdige Haltung an den Tag legt, als sie es in den Märztagen den Magyaren gegenüber gethan; vielmehr wiederholt sich jetzt die magyarische Farce aus südsla¬ vischem Boden. Auch das Ministerium Schwarzenberg-Stadion kennt nach dieser Seite hin keine andere Politik, als die der Verlegenheit, welche sich allein durch den Drang der faktischen Umstände bestimmen laßt, ohne sich davon Rechenschaft zu geben, ob sie sich selber treu bleiben, und die Consequenzen ihrer Zugeständ¬ nisse einhalten könne. Man hat bisher die serbische Frage, die schon seit dem Slavencongresse in Anregung gebracht wurde, mit unverzeihlichem Leichtsinn bei Seite geschoben — und am Ende hat man sie in einem Zeitpunkte erledigt, wo nichts als das passive, widerstandslose Nachgeben erübrigte. Die Adressen des Pa¬ triarchen Rajachich und des Nationalcomitv's .von Karlowitz erklärten ja unum¬ wunden , daß die Serben, wenn die Negierung ihre Forderungen nicht ohne Rück¬ halt befriedigen sollte mit den Ungarn Frieden zu schließen, und diesen den Kampf gegen Oestreich erleichtern würden. Was blieb unter solchen Umständen andere» übrig, als den Serben ein längst vergessenes, aber neuerdings geltend gemachte» Privilegium zu bestätigen, und dadurch der vernünftigen Umgestaltung Oestreich» ein neues Hinderniß in den Weg zu stellen. Auf diese Weise wird, während man die für Oestreich so verderbliche Ausnahmsstellung der Magyaren in Ungarn be- kämpft, eine neue und ähnliche in dem slavischen Süden geschaffen. Die Serben führen als die Rechtsgrundlage ihrer Forderung einen Gnadenbrief deS Kaisers Leopold l. an, worin ihnen die Befugniß „pati-lal-ctiav et voivoljao libere elixenlli" ausdrücklich zugestanden wird. Die serbische Woivodina enthält aber einen Flä¬ chenraum von 900 Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 2 Millionen, die nur zu einem Dritttheil aus Serben, und übrigens an» einem Gemisch von Deut¬ schen, Kroaten, Slavenen und Magyaren besteht. Es fragt sich nnn, wie sich der Woiwode Snlpicac, der schon längst se t^ceo gewählt, und jetzt auch von der Regierung bestätigt worden ist, sein Verhältniß zur östreichischen Centralgewalt denkt. Vielleicht hat er sich und seine „serbische Heldennation", die in dem Kampfe gegen Ungarn zu dem vollen Bewußtsein ihrer Kraft gelangt ist, schon längst an den Gedanken gewöhnt, die östreichische Oberherrlichkeit als eine bloße Schutz- Herrschaft aufzufassen. — Ich glaube, Ihnen über diese und ähnliche Verhältnisse, wie über die Stel¬ lung der Czechen zu der übrigen Slavenwelt in kurzer Zeit wichtige und interes¬ sante Mittheilungen machen zu können. Denn die slavische Contrerevolution die der Unverstand der Wiener Demokraten heraufbeschworen hat, ist noch lange nicht zu Ende. Auf unserem Boden ist sie eigentlich nur eine energische Fortsetzung des alten Kampfes gegen die Germanisirung. Einmal war Metternich, da» an¬ dermal Löhner und Consorten die Träger dieser Tyrannei. Die Demokratie wollte in Metternich'scher Form — d. i. nach einem streng durchgeführten Centralisation»-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/459>, abgerufen am 25.12.2024.