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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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doch den monarchischen Deutschen einen Popanz zu geben. Ich denke, der Roya-
lismus Heftel sich an ein großes, mächtig ausgebildetes Staatsleben. Der Oest-
reicher kämpft für Habsburg, weil es ihm eine reiche Geschichte und einen mächtigen
politischen Organismus repräsentier, welches Haupt auch der goldene Reif um¬
ziehen mag; der Preuße für die Enkel Friedrich des Großen. Mit der monar¬
chischen Gesinnung politisch unbedeutender Staaten ist es eine eigene Sache; wo
nicht rein persönliche Zuneigung im Spiel ist, wie in Sachsen, ruht die Loyalität
lediglich auf conservativer Reflexion.

Sie haben ferner Recht, uns Demokraten zu nennen, aber hören Sie. Ich
hasse diese schnarrende Acristvkrassie, diese ungesunden Schmarotzerpflanzen im Or¬
ganismus unserer Gesellschaft; ich möchte sie wenigstens so schnell als möglich auf
die Figur reducirt scheu, in der sie allein ein ideales Recht haben, den Holl-
bein'sehen Herrn von Carabas. Aber ich liebe den Adel und hasse den Pöbel und
zwar so, daß ich den letzte" ganz ausrotten, und mit der persönlichen Ehre alle
Menschen durchdringen möchte. Ihre Demokraten dagegen hassen den Adel und
lieben den Pöbel; sie möchten den Adel abschaffen, und alle Welt in die Canaille
Herabdrücken. Ich darf Sie wohl nicht erst versichern, daß ich gegen das, was
man heute "Volk" nennt, eine souveräne Verachtung empfinde. Unser demokra¬
tischer Sinn hat sich zuweilen empört, wenn wir die herrlichen Volksgruppen
in Cäsar, Coriolan, Egmont, den Rittern lesen. Aber diese Darstellungen galten
nicht blos für Athen, für Rom, für England, sondern für alle Zeiten und alle
Völker; gerade so und nicht anders gebärdet sich das "Volk," wo es als solches
auftritt. Ich ehre in jedem Meuscheu, ohne Unterschied, den Funken des göttlichen
Geistes, den Verstand; wo der Handwerker mit Verstand und Zweck sein Tage-
werk fördert, wo der Bauer mit Ueberlegung den Pflugstier lenkt, da sehe ich
das ehrwürdige Bild der Menschheit. Wo der Fabrikarbeiter, der Soldat, zum
bloßen Werkzeug eines leitenden Verstandes herabgesetzt ist, da beklage ich die
Entwürdigung der persönlichen Freiheit, aber ich sehe doch den Verstand, dem
dieses Opfer dient. Aber in der Pöbelmasse ist dieselbe Unfreiheit und keine Spur
eines menschlichen Verstandes. Die gemeinsten Leidenschaften machen sich ohne
Sinn und ohne Zusammenhang geltend und mit souveräner Ironie treibt das
Gassenjungen-Bewußtsein die Verwirrung auf die Spitze. Denken Sie an jene
Scene im Schützenhaus; im Anfang amüsirte es uns herzlich, als geprügelt wer¬
den sollte. Die Lust steckt an, in dem Augenblick gehörten wir auch zur Canaille.
Sie sehen, ich scheide den Pöbel nicht nach den Röcken. Aber freilich nimmt die
Pöbelhaftigkeit bei den niedern Classen eine viel häßlichere Färbung an, weil sie
wegen ihrer mangelhaften Bildung persönlich viel unfreier sind. Diese stofflose
Branntweinbegcisterung, dieser wahnsinnige Verdacht, diese knechtische Abhängigkeit
von jedem Ruf des Demagogen, diese wüsten, unartikulirtm Laute, und, guter


doch den monarchischen Deutschen einen Popanz zu geben. Ich denke, der Roya-
lismus Heftel sich an ein großes, mächtig ausgebildetes Staatsleben. Der Oest-
reicher kämpft für Habsburg, weil es ihm eine reiche Geschichte und einen mächtigen
politischen Organismus repräsentier, welches Haupt auch der goldene Reif um¬
ziehen mag; der Preuße für die Enkel Friedrich des Großen. Mit der monar¬
chischen Gesinnung politisch unbedeutender Staaten ist es eine eigene Sache; wo
nicht rein persönliche Zuneigung im Spiel ist, wie in Sachsen, ruht die Loyalität
lediglich auf conservativer Reflexion.

Sie haben ferner Recht, uns Demokraten zu nennen, aber hören Sie. Ich
hasse diese schnarrende Acristvkrassie, diese ungesunden Schmarotzerpflanzen im Or¬
ganismus unserer Gesellschaft; ich möchte sie wenigstens so schnell als möglich auf
die Figur reducirt scheu, in der sie allein ein ideales Recht haben, den Holl-
bein'sehen Herrn von Carabas. Aber ich liebe den Adel und hasse den Pöbel und
zwar so, daß ich den letzte» ganz ausrotten, und mit der persönlichen Ehre alle
Menschen durchdringen möchte. Ihre Demokraten dagegen hassen den Adel und
lieben den Pöbel; sie möchten den Adel abschaffen, und alle Welt in die Canaille
Herabdrücken. Ich darf Sie wohl nicht erst versichern, daß ich gegen das, was
man heute „Volk" nennt, eine souveräne Verachtung empfinde. Unser demokra¬
tischer Sinn hat sich zuweilen empört, wenn wir die herrlichen Volksgruppen
in Cäsar, Coriolan, Egmont, den Rittern lesen. Aber diese Darstellungen galten
nicht blos für Athen, für Rom, für England, sondern für alle Zeiten und alle
Völker; gerade so und nicht anders gebärdet sich das „Volk," wo es als solches
auftritt. Ich ehre in jedem Meuscheu, ohne Unterschied, den Funken des göttlichen
Geistes, den Verstand; wo der Handwerker mit Verstand und Zweck sein Tage-
werk fördert, wo der Bauer mit Ueberlegung den Pflugstier lenkt, da sehe ich
das ehrwürdige Bild der Menschheit. Wo der Fabrikarbeiter, der Soldat, zum
bloßen Werkzeug eines leitenden Verstandes herabgesetzt ist, da beklage ich die
Entwürdigung der persönlichen Freiheit, aber ich sehe doch den Verstand, dem
dieses Opfer dient. Aber in der Pöbelmasse ist dieselbe Unfreiheit und keine Spur
eines menschlichen Verstandes. Die gemeinsten Leidenschaften machen sich ohne
Sinn und ohne Zusammenhang geltend und mit souveräner Ironie treibt das
Gassenjungen-Bewußtsein die Verwirrung auf die Spitze. Denken Sie an jene
Scene im Schützenhaus; im Anfang amüsirte es uns herzlich, als geprügelt wer¬
den sollte. Die Lust steckt an, in dem Augenblick gehörten wir auch zur Canaille.
Sie sehen, ich scheide den Pöbel nicht nach den Röcken. Aber freilich nimmt die
Pöbelhaftigkeit bei den niedern Classen eine viel häßlichere Färbung an, weil sie
wegen ihrer mangelhaften Bildung persönlich viel unfreier sind. Diese stofflose
Branntweinbegcisterung, dieser wahnsinnige Verdacht, diese knechtische Abhängigkeit
von jedem Ruf des Demagogen, diese wüsten, unartikulirtm Laute, und, guter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/449>, abgerufen am 26.06.2024.