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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Adressen und verstehend nicht, und dann nachher unterschreiben sie wieder was da¬
gegen. Ich sag' zu meiner Frau: Mutter, da laß ich Leute bei, die klüger sind,
als du und ich. Wir haben in unsrer Dummheit so eben wcggclebt und ein Kö¬
nig muß sein, sonst kann die Welt nicht bestehn und sonst würd' Einer den Andern
todtschlagen. Mutter, sag' ick, wenn wir uns müd' gearbeitet haben, dann kön¬
nen wir unser Abendbrot in Frieden essen, und das kann der König nicht, der
muß Tag und Nacht für seine Unterthanen arbeiten. Und nimm mal an, wenn
der Krieg wieder aufbricht, so geht uns der Geselle ab, und so einen wohlfeilen
kriegen wir-nicht wieder!"

DaS war der Tischlermeister, nnn kommt der Bürgermeister. Dem strahlt
das Gesicht vor Freude, er geht eben in die Ressource, um seine Partie Whist
zu dreschen und ein Glas Grog zu trinken. "Meine Herren!" ruft er heute, "die
neuesten Nachrichten! der Herr Landrath ist eben hier gewesen und hat die Adresse
gebracht für das königliche Ministerium, da muß nun ein Jeder unterschreiben,
sonst kann das, verstehen Sie mich recht, den Kopf kosten. ""Donnerwetter!""
flucht der Brauer, und unterschreibt eilig das Ergcbenhcitspapicr; und ein paar
Andere gehen still hinaus und thun so, als ob sie nichts gehört haben. "Ich
hoffe," fährt der Bürgermeister fort, "daß in unsrer Stadt außer den wenigen
Übelgesinnten, --- ich nenne keinen Namen, verstehen Sie mich! -- sich Keiner
befinden wird, der es mit der Nationalversammlung noch hallen will. Ich kann
Sie auch versichern, daß es eine schamlose Lüge ist, wenn Böswillige erzählen,
die Abgeordneten seien durch militärische Gewalt aus dem Sitzungssaal gebracht
worden. Im Gegentheile! sie sind, wie ich mich überzeugt habe, von den Sol¬
daten mir ganz sanft an den Arm oder an den Rockkragen gefaßt und so hinaus¬
geführt. ,,"Nun ja, da haben wir's,"" meinen die Andern beruhigt, ""blos
geführt am Rockkragen.""

War das nur ein Traum von Freiheit, den wir Alle träumten, nur eine
kecke Morgenphantasie nach langer, dunkler Nacht? Ich habe geglaubt, der wackere
Grundherr, der wohlhabende, der ein König ist aus seinem Gebiet, der kein Joch
zu tragen braucht des Beamtenthums und der Fürstcngunst, der unabhängige, er
sei der Freiheit hold und werde für sie einstehn. Und was seh' ich nnn? ver¬
wüstet liegt sein Schloß, das wüthende Volk vergriff sich an seiner Habe, und
das neue Gesetz droht nnter dem Scheine des Rechts ihm das Seine gewaltsam
zu nehmen. Da verflucht er die Revolution, da verflucht er die Demokratie, da
ist er entschlossen, an dem historischen Recht zu halten, auf Leben und Tod. In
sich versunken und finster steht er da; schon macht er die Büchse fertig zum
Bruderkampf.

Was schleichst du mir hier um das Haus herum, Geselle? hast du ein gut
Gewissen, so stehe still und gib mir Antwort. Der Schneider bist du hier im
Dorf? ganz richtig, nun erkenne ich dich, du warst unter den Aussätzigen dazumal


Adressen und verstehend nicht, und dann nachher unterschreiben sie wieder was da¬
gegen. Ich sag' zu meiner Frau: Mutter, da laß ich Leute bei, die klüger sind,
als du und ich. Wir haben in unsrer Dummheit so eben wcggclebt und ein Kö¬
nig muß sein, sonst kann die Welt nicht bestehn und sonst würd' Einer den Andern
todtschlagen. Mutter, sag' ick, wenn wir uns müd' gearbeitet haben, dann kön¬
nen wir unser Abendbrot in Frieden essen, und das kann der König nicht, der
muß Tag und Nacht für seine Unterthanen arbeiten. Und nimm mal an, wenn
der Krieg wieder aufbricht, so geht uns der Geselle ab, und so einen wohlfeilen
kriegen wir-nicht wieder!"

DaS war der Tischlermeister, nnn kommt der Bürgermeister. Dem strahlt
das Gesicht vor Freude, er geht eben in die Ressource, um seine Partie Whist
zu dreschen und ein Glas Grog zu trinken. „Meine Herren!" ruft er heute, „die
neuesten Nachrichten! der Herr Landrath ist eben hier gewesen und hat die Adresse
gebracht für das königliche Ministerium, da muß nun ein Jeder unterschreiben,
sonst kann das, verstehen Sie mich recht, den Kopf kosten. „„Donnerwetter!""
flucht der Brauer, und unterschreibt eilig das Ergcbenhcitspapicr; und ein paar
Andere gehen still hinaus und thun so, als ob sie nichts gehört haben. „Ich
hoffe," fährt der Bürgermeister fort, „daß in unsrer Stadt außer den wenigen
Übelgesinnten, —- ich nenne keinen Namen, verstehen Sie mich! — sich Keiner
befinden wird, der es mit der Nationalversammlung noch hallen will. Ich kann
Sie auch versichern, daß es eine schamlose Lüge ist, wenn Böswillige erzählen,
die Abgeordneten seien durch militärische Gewalt aus dem Sitzungssaal gebracht
worden. Im Gegentheile! sie sind, wie ich mich überzeugt habe, von den Sol¬
daten mir ganz sanft an den Arm oder an den Rockkragen gefaßt und so hinaus¬
geführt. ,,„Nun ja, da haben wir's,"" meinen die Andern beruhigt, „„blos
geführt am Rockkragen.""

War das nur ein Traum von Freiheit, den wir Alle träumten, nur eine
kecke Morgenphantasie nach langer, dunkler Nacht? Ich habe geglaubt, der wackere
Grundherr, der wohlhabende, der ein König ist aus seinem Gebiet, der kein Joch
zu tragen braucht des Beamtenthums und der Fürstcngunst, der unabhängige, er
sei der Freiheit hold und werde für sie einstehn. Und was seh' ich nnn? ver¬
wüstet liegt sein Schloß, das wüthende Volk vergriff sich an seiner Habe, und
das neue Gesetz droht nnter dem Scheine des Rechts ihm das Seine gewaltsam
zu nehmen. Da verflucht er die Revolution, da verflucht er die Demokratie, da
ist er entschlossen, an dem historischen Recht zu halten, auf Leben und Tod. In
sich versunken und finster steht er da; schon macht er die Büchse fertig zum
Bruderkampf.

Was schleichst du mir hier um das Haus herum, Geselle? hast du ein gut
Gewissen, so stehe still und gib mir Antwort. Der Schneider bist du hier im
Dorf? ganz richtig, nun erkenne ich dich, du warst unter den Aussätzigen dazumal


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/422>, abgerufen am 22.07.2024.