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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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was die Bildung erschaffen. Hinweg mit der Fahne des Aufruhrs! beschwichtiget
lieber, wenn es um die Freiheit euch wahrhaft zu thun ist, die gährenden Ele¬
mente, erweckt die Idee des freien Bürgerthums in der Brust des Volks, -- dann
wird die Form sich von selber finden.

Zu spät!! zu spät!! Hört ihr die Trommel wirbeln, hört ihr das Hornsig¬
nal, hört ihr den taktmäßigen Svldatenschritt in den Straßen eurer Hauptstadt? und
stille! -- haltet den Athem an! -- hört ihr das Traben der Kosackenpferde dort-
an der Ostgrenze unsers deutschen Landes? und seht ihr das scharfe Auge des
Czaren von dort herüber blitzen?

Das ist euer Werk, ihr Volksbeglücker! Nun ist's vorbei mit der deutschen
Freiheit, um ladet euch an dem Triumphgeschrei der Reaction, mißtönig schallt
es durch das ganze Land.

Wie, durch das ganze Land, das noch ergriffen schien und durchleuchtet von
dem Glanze der Volksherrschaft? Unmöglich! ich sah noch jüngst in jeder Stadt,
in jedem Dorf ein Nest von Demokraten, ich hörte kecke Reden, ich ward gewahr,
daß die Widersetzlichkeit siegte, daß der Drang nach Ungebundenheit danieder warf,
was ihr zu zügeln unternähme. -- Gemach! das war nur die eine Seite des Bil¬
des, hier ist die andre!

"Die Zeit ist aus dem Gelenke, wir sind berufen, sie wieder einzurichten!"
so sprechen mit Hamlet die Soldaten, eine wohldisciplinirte Schaar, dem Wink
des Führers willig folgend, wie es von Alters bei uns gewesen ist. "Wer wider¬
strebt, der wird erschossen, also vorwärts marsch!" ruft der General, "und fort
mit der Nationalversammlung, die das Jagdrecht aufgehoben, die den Adel ab¬
geschafft hat. Wir können sie nicht brauchen, schmeißt sie hinaus die Dema¬
gogen, wenn sie nicht gutwillig gehe" wollen!" Aber die Freiheit! Herr Ge¬
neral! die uns verbrieft ist! "El was," schnarrt der Soldat herüber, "Freiheit
hier, Freiheit da! wir stehen auf constitutionellen Boden, versteh" Sie mir! und
da wird nicht lange gefackelt, wir haben Ordre vom Herrn. Her mit den Ge¬
wehren von der Bürgerwehr! der Schuster soll bei seinem Leisten bleiben, die Waffe
ist für den Soldaten! Vorwärts marsch! laßt die Trompeten blasen!"

Nun, Bürger und Bürgerwehrmaun dieser Residenz, was sagst du dazu?
Laufe nicht so eilig mit deinem Gewehr nach dem Zeughaus, um es schuldigst
abzuliefern; das hat ja Zeit, du kommst immer noch früh genug. So! also du
bist froh, daß die Kalamität ein Ende hat, der Belagerungszustand ist dir lieber,
als das ewige Wache stehn. Glaub's schon, dein Geschäft ist dabei herunterge¬
kommen und bezahlt hat kein Mensch. Dazu die tägliche Gefahr, einmal unver¬
sehens, wenn man einen Auflauf auseiuanderbringen soll, erschossen oder erstochen
zu werden und dann die Familie ohne Brot zurück zu lassen. Nun kann man
doch wieder in Frieden in's Kaffeehaus gehn, und die Politik Politik sein lassen.
Was geht sie dich auch im Grunde an, jeder in seiner Art und die Soldaten sind


was die Bildung erschaffen. Hinweg mit der Fahne des Aufruhrs! beschwichtiget
lieber, wenn es um die Freiheit euch wahrhaft zu thun ist, die gährenden Ele¬
mente, erweckt die Idee des freien Bürgerthums in der Brust des Volks, — dann
wird die Form sich von selber finden.

Zu spät!! zu spät!! Hört ihr die Trommel wirbeln, hört ihr das Hornsig¬
nal, hört ihr den taktmäßigen Svldatenschritt in den Straßen eurer Hauptstadt? und
stille! — haltet den Athem an! — hört ihr das Traben der Kosackenpferde dort-
an der Ostgrenze unsers deutschen Landes? und seht ihr das scharfe Auge des
Czaren von dort herüber blitzen?

Das ist euer Werk, ihr Volksbeglücker! Nun ist's vorbei mit der deutschen
Freiheit, um ladet euch an dem Triumphgeschrei der Reaction, mißtönig schallt
es durch das ganze Land.

Wie, durch das ganze Land, das noch ergriffen schien und durchleuchtet von
dem Glanze der Volksherrschaft? Unmöglich! ich sah noch jüngst in jeder Stadt,
in jedem Dorf ein Nest von Demokraten, ich hörte kecke Reden, ich ward gewahr,
daß die Widersetzlichkeit siegte, daß der Drang nach Ungebundenheit danieder warf,
was ihr zu zügeln unternähme. — Gemach! das war nur die eine Seite des Bil¬
des, hier ist die andre!

„Die Zeit ist aus dem Gelenke, wir sind berufen, sie wieder einzurichten!"
so sprechen mit Hamlet die Soldaten, eine wohldisciplinirte Schaar, dem Wink
des Führers willig folgend, wie es von Alters bei uns gewesen ist. „Wer wider¬
strebt, der wird erschossen, also vorwärts marsch!" ruft der General, „und fort
mit der Nationalversammlung, die das Jagdrecht aufgehoben, die den Adel ab¬
geschafft hat. Wir können sie nicht brauchen, schmeißt sie hinaus die Dema¬
gogen, wenn sie nicht gutwillig gehe» wollen!" Aber die Freiheit! Herr Ge¬
neral! die uns verbrieft ist! „El was," schnarrt der Soldat herüber, „Freiheit
hier, Freiheit da! wir stehen auf constitutionellen Boden, versteh» Sie mir! und
da wird nicht lange gefackelt, wir haben Ordre vom Herrn. Her mit den Ge¬
wehren von der Bürgerwehr! der Schuster soll bei seinem Leisten bleiben, die Waffe
ist für den Soldaten! Vorwärts marsch! laßt die Trompeten blasen!"

Nun, Bürger und Bürgerwehrmaun dieser Residenz, was sagst du dazu?
Laufe nicht so eilig mit deinem Gewehr nach dem Zeughaus, um es schuldigst
abzuliefern; das hat ja Zeit, du kommst immer noch früh genug. So! also du
bist froh, daß die Kalamität ein Ende hat, der Belagerungszustand ist dir lieber,
als das ewige Wache stehn. Glaub's schon, dein Geschäft ist dabei herunterge¬
kommen und bezahlt hat kein Mensch. Dazu die tägliche Gefahr, einmal unver¬
sehens, wenn man einen Auflauf auseiuanderbringen soll, erschossen oder erstochen
zu werden und dann die Familie ohne Brot zurück zu lassen. Nun kann man
doch wieder in Frieden in's Kaffeehaus gehn, und die Politik Politik sein lassen.
Was geht sie dich auch im Grunde an, jeder in seiner Art und die Soldaten sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/418>, abgerufen am 22.07.2024.