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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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zuformen bemüht sein und bis hiefür im Wege der Gesetzgebung bleibende Be¬
stimmungen getroffen sind, die nöthigen Verordnungen erlassen. Die Landbevölke¬
rung , eben erst befreit von den Grundlasten, harrt mit Ungeduld der gesetzlichen
Bestimmungen über Maßstab und Art der Entschädigung, sowie den von ihr zu
tragenden, nach den Grundsätzen der Billigkeit zu bemessenden Antheil. Die
Grundlage des freien Staates bildet die freie Gemeinde: daß
dieser durch ein freisinniges Gemeindegesetz die selbstständige Bestimmung und
Verwaltung innerhalb der dnrch die Rücksicht ans das Gesammtwohl gezogenen
Grenzen gesichert werde, ist dringendes Bedürfniß. Als eine nothwendige und
unabweisliche Folgerung der Selbstständigkeit der Gemeinden ergibt sich die Ver¬
einfachung der Staatsverwaltung, und eine den Bedürfnissen der Zeit entsprechende
Regelung der Behörden. Eben weil das Ministerium die Sache der Freiheit zu
der seinigen macht, hält es die Wiederherstellung eines gesicherten Rechtszuständig
für eine heilige Pflicht. In der organischen Verbindung mit dem constitutionellen
Oestreich wird das lombardisch-venetianische Königreich nach Abschluß des Frie¬
dens die sicherste Bürgschaft finden für die Wahrung seiner Nationalität. Die
verantwortlichen Räthe der Krone werden feststehen ans dem Boden der Vertrüge.
Sie geben sich der Hoffnung hin, daß in nicht serner Zukunft auch das italie¬
nische Volk die Wohlthaten einer Verfassung genießen werde, welche die verschie¬
denen Stämme in voller Gleichberechtigung umschließen soll. Die Verletzung dieses
ersten Rechtes der Nationen entzündete den Bürgerkrieg in Ungarn. Gegen eine
Partei, deren letztes Ziel der Umsturz und die Lossagung von Oestreich ist,
erhoben sich dort die in ihren unveräußerlichen Rechten gekränkten Völker. Nicht
der Freiheit gilt der Krieg, sondern denjenigen, die sie der Freiheit berauben
wollen. Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie, ein engerer Verband mit uns,
Anerkennung und Gewährleistung ihrer Nationalität, sind der Gegenstand ihrer
Bestrebungen. Das Ministerium! wird sie unterstützen mit allen ihm zu Gebote
stehenden Mitteln. -- Meine Herren, das große Werk, welches uns im Einver¬
ständnisse mit den Völkern obliegt, ist die Begründung eines neuen Bandes, das
alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper vereini¬
gen soll. Dieser Standpunct zeigt zugleich den Weg, welchen das Ministerium
in der deutschen Frage verfolgen wird. Nicht in dem Zerreißen der Monarchie
liegt die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung Deutschlands. Oest¬
reichs Fortbestand in staatlicher Einheit ist ein deutsches wie ein europäisches Be¬
dürfniß. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, sehen wir der natürlichen Ent¬
wickelung des noch nicht vollendeten Umgestaltungsprozesscs entgegen. Erst
wenn das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu
neuen und festen Formen gelangt sind, wird es möglich sein,
ihre gegenseitigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Bis dahin


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zuformen bemüht sein und bis hiefür im Wege der Gesetzgebung bleibende Be¬
stimmungen getroffen sind, die nöthigen Verordnungen erlassen. Die Landbevölke¬
rung , eben erst befreit von den Grundlasten, harrt mit Ungeduld der gesetzlichen
Bestimmungen über Maßstab und Art der Entschädigung, sowie den von ihr zu
tragenden, nach den Grundsätzen der Billigkeit zu bemessenden Antheil. Die
Grundlage des freien Staates bildet die freie Gemeinde: daß
dieser durch ein freisinniges Gemeindegesetz die selbstständige Bestimmung und
Verwaltung innerhalb der dnrch die Rücksicht ans das Gesammtwohl gezogenen
Grenzen gesichert werde, ist dringendes Bedürfniß. Als eine nothwendige und
unabweisliche Folgerung der Selbstständigkeit der Gemeinden ergibt sich die Ver¬
einfachung der Staatsverwaltung, und eine den Bedürfnissen der Zeit entsprechende
Regelung der Behörden. Eben weil das Ministerium die Sache der Freiheit zu
der seinigen macht, hält es die Wiederherstellung eines gesicherten Rechtszuständig
für eine heilige Pflicht. In der organischen Verbindung mit dem constitutionellen
Oestreich wird das lombardisch-venetianische Königreich nach Abschluß des Frie¬
dens die sicherste Bürgschaft finden für die Wahrung seiner Nationalität. Die
verantwortlichen Räthe der Krone werden feststehen ans dem Boden der Vertrüge.
Sie geben sich der Hoffnung hin, daß in nicht serner Zukunft auch das italie¬
nische Volk die Wohlthaten einer Verfassung genießen werde, welche die verschie¬
denen Stämme in voller Gleichberechtigung umschließen soll. Die Verletzung dieses
ersten Rechtes der Nationen entzündete den Bürgerkrieg in Ungarn. Gegen eine
Partei, deren letztes Ziel der Umsturz und die Lossagung von Oestreich ist,
erhoben sich dort die in ihren unveräußerlichen Rechten gekränkten Völker. Nicht
der Freiheit gilt der Krieg, sondern denjenigen, die sie der Freiheit berauben
wollen. Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie, ein engerer Verband mit uns,
Anerkennung und Gewährleistung ihrer Nationalität, sind der Gegenstand ihrer
Bestrebungen. Das Ministerium! wird sie unterstützen mit allen ihm zu Gebote
stehenden Mitteln. — Meine Herren, das große Werk, welches uns im Einver¬
ständnisse mit den Völkern obliegt, ist die Begründung eines neuen Bandes, das
alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper vereini¬
gen soll. Dieser Standpunct zeigt zugleich den Weg, welchen das Ministerium
in der deutschen Frage verfolgen wird. Nicht in dem Zerreißen der Monarchie
liegt die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung Deutschlands. Oest¬
reichs Fortbestand in staatlicher Einheit ist ein deutsches wie ein europäisches Be¬
dürfniß. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, sehen wir der natürlichen Ent¬
wickelung des noch nicht vollendeten Umgestaltungsprozesscs entgegen. Erst
wenn das verjüngte Oestreich und das verjüngte Deutschland zu
neuen und festen Formen gelangt sind, wird es möglich sein,
ihre gegenseitigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Bis dahin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/405>, abgerufen am 26.06.2024.