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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Wunder nehmen, wenn man erwägt, daß sogar Schriftsteller diese Unklarheit vor¬
tragen. In einer kürzlich erschienenen Schrift, in welcher die Lösung der sogenannten
socialen Fragen als Aushängeschild gebraucht ist, wird ohne Umschweife gelehrt,
daß alles Geldvermögen aufhören müsse und daß nur das in einer gewerblichen,
landwirtschaftlichen oder industriellen Unternehmung angelegte zu gestatten sei.

Wenn der arme Tagelöhner, der in seiner Jugend in den biblischen Geschich¬
ten gelesen hat, daß der reiche Mann nach seinem Tode an einen Ort der unauf¬
hörlichen Qual gekommen ist, während der arme Lazarus sich in Abrahams Schooß
des besten Wohlseins erfreut; wenn ihm dabei die Aeußerung Jesu einfällt, es
sei leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins
Himmelreich komme, so ist nicht zu verwundern, wenn er sich für das Ungemach
dieses armen Erdenlebens durch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits tröstet und
es den Reichen überläßt, wie sie sich mit ihrer Zukunft abfinden wollen.

Dagegen ist aber nicht zu begreifen, wie die zu einem logischen Denken vor¬
gebildeten Männer solchen Unsinn vortragen können, der sich darin kund gibt, daß
eine Art des Vermögens ganz negirt wird, während man anderes Besitzthum an¬
erkennt. Ob Jemand eine Rente oder ein Einkommen aus seinem Vermögen,
(was damit gleichbedeutend ist,) aus seinen Kapitalien bezieht, die er hypotheka¬
risch auf einem Landgute oder einer Fabrik hat eintragen lassen, oder aber so
glücklich ist, ein Landgut oder eine Fabrik schuldenfrei zu besitzen, ist, an sich be¬
trachtet, ganz gleich. Im Gegentheil, es wird gewiß allen Guts- und Fabrik¬
besitzern ein ersehntes Ziel sein, dahin zu gelangen, schuldenfrei zu werden.

Als Scheingrund der Verwerflichkeit des Kapitalvermögens wird angeführt,
daß die Besitzer desselben ohne Arbeit ein Einkommen hätten. Zwischen einem
Besitzer großer Landgüter, der solche verpachtet hat oder einem Fabrikbesitzer, der
seine Geschäfte durch einen Sachverständigen betreiben läßt und einem sogenannten
Rentier, ist nicht der geringste Unterschied. Sie alle beziehen ihr Einkommen ans
einem zinstragenden Vermögen. Das Gewerbsleben und die Entwickelung
der menschlichen Zustände haben seit der Begründung eines solchen Vermögens
erst eine feste Grundlage erhalten. Die Kapitalien, (angesammelte Ersparnisse)
sind beweglich geworden. Ihre Wirksamkeit läßt sich mit Leichtigkeit überall hin
verbreiten, wo Gewerbsleben besteht. Mit einer bloßen Anweisung auf ein Ka¬
pital versehen, begibt sich der unternehmende Geschäftsmann in fremde Welttheile
und gründet dort eine landwirthschaftliche oder Fabriknuternehmung.

Eben so wohlthätig vermittelt das bewegliche Vermögen den Reichthum mit
der Armuth und verhindert, daß jener nicht ausschließlich Besttzthnm gewisser Fa¬
milien werde. Denken wir uns alles Eigenthum blos in Grundstücken, Häusern
und Fabrikationsgegenständen bestehend, ohne das Medium der zinstragenden An¬
weisungen ans diese Gegeustände, so tritt der Uebelstand ein, der Mit Recht an
den Majoraten getadelt wird. Nur wenige Menschen sind im Besitz eines beträch-


Wunder nehmen, wenn man erwägt, daß sogar Schriftsteller diese Unklarheit vor¬
tragen. In einer kürzlich erschienenen Schrift, in welcher die Lösung der sogenannten
socialen Fragen als Aushängeschild gebraucht ist, wird ohne Umschweife gelehrt,
daß alles Geldvermögen aufhören müsse und daß nur das in einer gewerblichen,
landwirtschaftlichen oder industriellen Unternehmung angelegte zu gestatten sei.

Wenn der arme Tagelöhner, der in seiner Jugend in den biblischen Geschich¬
ten gelesen hat, daß der reiche Mann nach seinem Tode an einen Ort der unauf¬
hörlichen Qual gekommen ist, während der arme Lazarus sich in Abrahams Schooß
des besten Wohlseins erfreut; wenn ihm dabei die Aeußerung Jesu einfällt, es
sei leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins
Himmelreich komme, so ist nicht zu verwundern, wenn er sich für das Ungemach
dieses armen Erdenlebens durch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits tröstet und
es den Reichen überläßt, wie sie sich mit ihrer Zukunft abfinden wollen.

Dagegen ist aber nicht zu begreifen, wie die zu einem logischen Denken vor¬
gebildeten Männer solchen Unsinn vortragen können, der sich darin kund gibt, daß
eine Art des Vermögens ganz negirt wird, während man anderes Besitzthum an¬
erkennt. Ob Jemand eine Rente oder ein Einkommen aus seinem Vermögen,
(was damit gleichbedeutend ist,) aus seinen Kapitalien bezieht, die er hypotheka¬
risch auf einem Landgute oder einer Fabrik hat eintragen lassen, oder aber so
glücklich ist, ein Landgut oder eine Fabrik schuldenfrei zu besitzen, ist, an sich be¬
trachtet, ganz gleich. Im Gegentheil, es wird gewiß allen Guts- und Fabrik¬
besitzern ein ersehntes Ziel sein, dahin zu gelangen, schuldenfrei zu werden.

Als Scheingrund der Verwerflichkeit des Kapitalvermögens wird angeführt,
daß die Besitzer desselben ohne Arbeit ein Einkommen hätten. Zwischen einem
Besitzer großer Landgüter, der solche verpachtet hat oder einem Fabrikbesitzer, der
seine Geschäfte durch einen Sachverständigen betreiben läßt und einem sogenannten
Rentier, ist nicht der geringste Unterschied. Sie alle beziehen ihr Einkommen ans
einem zinstragenden Vermögen. Das Gewerbsleben und die Entwickelung
der menschlichen Zustände haben seit der Begründung eines solchen Vermögens
erst eine feste Grundlage erhalten. Die Kapitalien, (angesammelte Ersparnisse)
sind beweglich geworden. Ihre Wirksamkeit läßt sich mit Leichtigkeit überall hin
verbreiten, wo Gewerbsleben besteht. Mit einer bloßen Anweisung auf ein Ka¬
pital versehen, begibt sich der unternehmende Geschäftsmann in fremde Welttheile
und gründet dort eine landwirthschaftliche oder Fabriknuternehmung.

Eben so wohlthätig vermittelt das bewegliche Vermögen den Reichthum mit
der Armuth und verhindert, daß jener nicht ausschließlich Besttzthnm gewisser Fa¬
milien werde. Denken wir uns alles Eigenthum blos in Grundstücken, Häusern
und Fabrikationsgegenständen bestehend, ohne das Medium der zinstragenden An¬
weisungen ans diese Gegeustände, so tritt der Uebelstand ein, der Mit Recht an
den Majoraten getadelt wird. Nur wenige Menschen sind im Besitz eines beträch-


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[0384] Wunder nehmen, wenn man erwägt, daß sogar Schriftsteller diese Unklarheit vor¬ tragen. In einer kürzlich erschienenen Schrift, in welcher die Lösung der sogenannten socialen Fragen als Aushängeschild gebraucht ist, wird ohne Umschweife gelehrt, daß alles Geldvermögen aufhören müsse und daß nur das in einer gewerblichen, landwirtschaftlichen oder industriellen Unternehmung angelegte zu gestatten sei. Wenn der arme Tagelöhner, der in seiner Jugend in den biblischen Geschich¬ ten gelesen hat, daß der reiche Mann nach seinem Tode an einen Ort der unauf¬ hörlichen Qual gekommen ist, während der arme Lazarus sich in Abrahams Schooß des besten Wohlseins erfreut; wenn ihm dabei die Aeußerung Jesu einfällt, es sei leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Himmelreich komme, so ist nicht zu verwundern, wenn er sich für das Ungemach dieses armen Erdenlebens durch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits tröstet und es den Reichen überläßt, wie sie sich mit ihrer Zukunft abfinden wollen. Dagegen ist aber nicht zu begreifen, wie die zu einem logischen Denken vor¬ gebildeten Männer solchen Unsinn vortragen können, der sich darin kund gibt, daß eine Art des Vermögens ganz negirt wird, während man anderes Besitzthum an¬ erkennt. Ob Jemand eine Rente oder ein Einkommen aus seinem Vermögen, (was damit gleichbedeutend ist,) aus seinen Kapitalien bezieht, die er hypotheka¬ risch auf einem Landgute oder einer Fabrik hat eintragen lassen, oder aber so glücklich ist, ein Landgut oder eine Fabrik schuldenfrei zu besitzen, ist, an sich be¬ trachtet, ganz gleich. Im Gegentheil, es wird gewiß allen Guts- und Fabrik¬ besitzern ein ersehntes Ziel sein, dahin zu gelangen, schuldenfrei zu werden. Als Scheingrund der Verwerflichkeit des Kapitalvermögens wird angeführt, daß die Besitzer desselben ohne Arbeit ein Einkommen hätten. Zwischen einem Besitzer großer Landgüter, der solche verpachtet hat oder einem Fabrikbesitzer, der seine Geschäfte durch einen Sachverständigen betreiben läßt und einem sogenannten Rentier, ist nicht der geringste Unterschied. Sie alle beziehen ihr Einkommen ans einem zinstragenden Vermögen. Das Gewerbsleben und die Entwickelung der menschlichen Zustände haben seit der Begründung eines solchen Vermögens erst eine feste Grundlage erhalten. Die Kapitalien, (angesammelte Ersparnisse) sind beweglich geworden. Ihre Wirksamkeit läßt sich mit Leichtigkeit überall hin verbreiten, wo Gewerbsleben besteht. Mit einer bloßen Anweisung auf ein Ka¬ pital versehen, begibt sich der unternehmende Geschäftsmann in fremde Welttheile und gründet dort eine landwirthschaftliche oder Fabriknuternehmung. Eben so wohlthätig vermittelt das bewegliche Vermögen den Reichthum mit der Armuth und verhindert, daß jener nicht ausschließlich Besttzthnm gewisser Fa¬ milien werde. Denken wir uns alles Eigenthum blos in Grundstücken, Häusern und Fabrikationsgegenständen bestehend, ohne das Medium der zinstragenden An¬ weisungen ans diese Gegeustände, so tritt der Uebelstand ein, der Mit Recht an den Majoraten getadelt wird. Nur wenige Menschen sind im Besitz eines beträch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/384>, abgerufen am 22.07.2024.